Will: Die zentrale Erkenntnis des Berichts lautet, dass sich der Lebensmittelhandel nie eine goldene Nase an der Teuerungskrise verdient hat, sondern immer an seine Kund:innen gedacht hat. Auch wenn die heimischen Händler:innen naturgemäß gewinnorientiert agieren müssen, haben sie zu Gunsten der Bevölkerung gehandelt und nie die Gewinnmargen oder die Handelsspannen erhöht, das zeigt der Untersuchungsbericht eindeutig. International tätige Hersteller konnten ihre Gewinnmargen hingegen in einzelnen Produktgruppen in den letzten zwölf Monaten deutlich steigern – heißt es im BWB-Endbericht wörtlich. Auch auf dieses Faktum hat der Handelsverband monatelang immer wieder hingewiesen.
Thumser: Die BWB weist zuallererst auf eine beunruhigende Anzahl gemeldeter unfairer Praktiken gegenüber Lieferanten hin und ergänzt dazu die hohe Konzentration im LEH. Sie hält auch klar fest, dass die „Beziehung zwischen Industrie und Lebensmittelhandel … grundsätzlich … durch eine asymmetrische Verteilung der Verhandlungsmacht zugunsten des Handels charakterisiert ist.“ Bezüglich der Hersteller-Gewinnmarge stellt die BWB ebenso fest, dass „sich die produktspezifischen Gewinnmargen weitgehend zu Ungunsten der Lieferanten entwickelten“ und kommt damit zum Schluss: „Insgesamt hat die BWB damit keine wettbewerblich bedenklichen Steigerungen der Gewinnmargen der LM-Industrie in den analysierten Warengruppen beobachtet.“ Im Gegenteil: die BWB errechnet sogar eine „um mehr als zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr gesunkene Gewinnmarge der Lieferanten im BWB-Warenkorb 2022“. Die allzu polemischen und einseitigen Vorwürfe seitens der Handelsrepräsentanten den Hersteller:innen gegenüber werden somit auch von offizieller Behörde klar falsifiziert. Erstmals nennt auch eine Wettbewerbsbehörde die Doppelrolle der Handelskonzerne (als Private Label-Produzenten und Bezieher von Markenartikeln) als kritisch und deren Verhandlungsmacht einseitig verstärkend.
Und wo besteht Ihrer Meinung nach dringender Handlungsbedarf?
Will: Oft wurden unsere Händler:innen im Deutschland-Preisvergleich für den sogenannten „Österreich-Aufschlag“ bei Lebensmitteln und Drogerieprodukten von der Politik und der Arbeiterkammer verantwortlich gemacht. Der BWB-Bericht zeigt nun eindeutig, dass es sich um einen Österreich-Aufschlag der multinationalen Lebensmittelindustrie handelt. Die internationalen Markenartikelhersteller teilen sich die europäischen Länder wie Schachfiguren auf und verrechnen unseren Händlern in Österreich deutlich höhere Produktpreise. Daher begrüßen wir es auch, dass die Bundeswettbewerbsbehörde diesen Sachverhalt an die Europäische Kommission meldet. Europaweit beträgt der Schaden dieser territorialen Lieferbeschränkungen für die Konsument:innen ganze 14 Milliarden €. Nun ist die Wahrheit ans Licht gekommen und das ist gut so.
Thumser: Die BWB selbst kündigt eine nötige Verschärfung des FWBG an, ebenso wie künftig die Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken mit hoher Priorität verfolgen zu wollen. Beides sehr wesentliche Punkte zum Schutz der Hersteller vor der übermäßig eingesetzten Nachfragemacht der drei marktdominanten Handelskonzerne (84% Marktabdeckung!). Nur so kann der/die österreichische Konsument:in auch künftig aus einem breiten Sortiment qualitativ höchstwertiger, heimischer Produkte mit klarem Herstellerbezug und ebensolcher Garantie selbstbestimmt seine/ihre Auswahl treffen.