PRODUKT: Transparenz bedeutet immer auch viel Aufwand und Bürokratie. Welche Transparenz-Maßnahmen machen Sinn, welche sind den Herstellern nicht zumutbar?
Koßdorff: Transparenz ist zu begrüßen, wenn sie zum einen vom Markt nachgefragt und bezahlt wird, zum anderen für alle Hersteller von Lebensmitteln in gleicher Form gilt. Andernfalls würde es zu Wettbewerbsnachteilen kommen, denn mehr Dokumentation bedeutet auch mehr Kosten. Die österreichische Lebensmittelindustrie exportiert 2 von 3 hergestellten Produkten in 180 Länder der Welt. Nationale Alleingänge, die über EU-Recht hinausgehen und mehr Auflagen nur für heimische Betriebe festlegen, lehnen wir daher ab, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
PRODUKT: Bitte mal ganz konkret: Was kommt mit dem Lieferkettengesetz auf die Hersteller zu?
Koßdorff: Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle ihre Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette sämtliche Vorschriften zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt einhalten. Sie müssen ihre direkten und indirekten Geschäftspartner überwachen und bewerten, und zwar bei allen Aktivitäten – vom Einkauf über Entwicklung, Produktion, Lagerung, Vertrieb und Transport bis hin zur Abfallbewirtschaftung. Durch ein Risikomanagement müssen potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt ermittelt, abgestellt, abgeschwächt oder verhindert werden, und zwar bei den eigenen Geschäftstätigkeiten und bei jenen der Tochtergesellschaften und Geschäftspartnern. Das alles ist schriftlich zu berichten – ein riesengroßer Aufwand.
PRODUKT: Eines der meistdiskutierten Themen bei Endverbraucher:innen, NGOs, Handel und Herstellern sind die Preise von FMCG-Produkten. Wie kommen diese überhaupt zustande und was sind die Punkte, wo es möglicherweise an Transparenz und Nachvollziehbarkeit fehlt?
Koßdorff: Der Preis eines FMCG-Produkts entsteht durch Angebot und Nachfrage. Er basiert auf unterschiedlichen Einflüssen. Bei Lebensmitteln spielen dabei die Kosten entlang der Lebensmittelkette eine Rolle, etwa für die Produktion, also für Rohstoffe auf dem Weltmarkt und im Inland, Energie, Verpackung, Logistik und Personal. Hinzu kommen Ausgaben für rechtliche Vorgaben, Marketing, Vertrieb, Innovation und Forschung sowie Produktentwicklung. Bis ein Lebensmittel bepreist werden kann, müssen auf allen Stufen der arbeitsteiligen Lebensmittelkette Preisverhandlungen geführt werden. Am Ende verhandeln die Hersteller ihre Lieferpreise mit dem Handel. Zwischen Händlern und Lieferanten werden Lieferpreise, also die Einkaufspreise des Handels, verhandelt. In vielen Fällen wird dabei über weitere Zahlungen verhandelt, die der Lieferant an den Händler leistet, etwa „Listungsgebühr“ für einen Platz im Supermarktregal. Die Lieferpreise entsprechen aber noch nicht den Verkaufspreisen für die Endverbraucher:innen. Den tatsächlichen Verkaufspreis legt der Händler fest. Die Lieferanten dürfen dem Händler die Verkaufspreise weder direkt noch indirekt vorgeben. In die Kalkulation der Verkaufspreise des Händlers fließen u.a. seine eigenen Kosten ein. Sind die Konsument:innen bereit, für bestimmte Aspekte – wie „Tierwohl“ oder „Bio“ – mehr zu bezahlen, können sich auch Produkte mit höheren Herstellungskosten am Markt durchsetzen. Die finalen Verkaufspreise enthalten auch die Steuern, die auf Lebensmittel entfallen (10 bzw. 20% Mehrwertsteuer). Steigen die Produktionskosten wie zuletzt bei der Teuerung wesentlich an, können Preisanpassungen betriebswirtschaftlich unausweichlich sein.
PRODUKT: Der Eigenmarken-Anteil im Handel wächst. Dabei ist auf Eigenmarken-Produkten zumeist nicht einmal der Hersteller erkennbar. Wie beurteilen Sie dies in Sachen Transparenz?
Koßdorff: Der Handel ist für seine Eigenmarken selbst verantwortlich. Er ist der Inverkehrbringer des Produktes und hat sämtliche Vorgaben einzuhalten. Somit ist der Händler auch der relevante Ansprechpartner für Konsument:innen oder die amtliche Lebensmittelkontrolle. Ein Hinweis auf den Hersteller, der bei Eigenmarken schlicht als Lohnabfüller im Auftrag und nach den Vorgaben des Händlers tätig wird, ist lebensmittelrechtlich daher nicht erforderlich.
PRODUKT: Gibt es aus Ihrer Sicht innerhalb der FMCG-Branche einen Bereich, in dem es besonders an Transparenz mangelt?
Koßdorff: Nein, denn mit mehr als 100 Gesetzen und Verordnungen zählen Lebensmittel mittlerweile zu den am strengsten geprüften und kontrollierten Produkten in der EU: Von der Herstellung bis zur Kennzeichnung ist im Lebensmittelrecht alles genauestens geregelt. Eine öffentlich zugängliche Auflistung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz umfasst 96 A4-Seiten! Für Lebensmittel ist also ein hohes Maß an Transparenz bereits sichergestellt.
PRODUKT: Herzlichen Dank für das Gespräch!