In den letzten 20 Jahren kam es zu enormen Veränderungen in der Fleischbranche. Früher führte nahezu jedes Unternehmen ein Vollsortiment. Dies hat sich verändert, durch die Spezialisierung und Fokussierung der Sortimente in den unterschiedlichen Produktkategorien wurden überlebensfähige Unternehmensstrukturen geschaffen“, erzählt Karl-Christian Handl (GF Handl Tyrol). Eine große Herausforderung bedeuten heute die kurzfristige Produktentwicklungszeit sowie die oft sehr kurzen Produktlebenszyklen. Neue Druck- und Veredelungsverfahren, neue Möglichkeiten in der Kommunikation – Online und Print – führten hingegen dazu, die Zielgruppe noch direkter ansprechen zu können.
Dass sich Qualität durchsetzt, zeigen jedoch die Top-Produkte von Handl Tyrol. Seit über 20 Jahren sind dies „Tiroler Speck g.g.A.“, die „Tiroler Bergwurz“, die „Tiroler Landjäger“ und die damals noch in den Kinderschuhen steckende „Tiroler Kaminwurzerl“.
Salzkammergut.
Einen der ersten Reinräume gab es bei Hütthaler, heute hat das Unternehmen ein eigenes Slicer-Stockwerk mit 3.500m². Die Auswirkungen der Verschiebung hin zu geschnittenen Produkten sieht man kritisch: „Die Entwicklung hat sich auf die Kleinbetriebe negativ ausgewirkt. Fleischersterben im Salzkammergut, dies war vor 20 Jahren nicht absehbar. Die kleinen Metzger waren für uns jedoch besonders wichtig, da sie Lehrlinge ausgebildet haben, die dann als Gesellen für uns als Fachkräfte zur Verfügung standen“, schildert Inhaber Florian Hütthaler.
Seit über 20 Jahren in seinem Unternehmen mit an Bord ist das Premiumprodukt „Attersee-Wurst“ mit dem vom gleichnamigen Künstler gestalteten Etikett. 2009 erfuhr der Artikel mit der Sorte „Pute“ eine Erweiterung. Heutiger Teil der Unternehmens-Erfolgsgeschichte ist die Marke „Hofkultur“ und das damit verbundene Tierwohl-Projekt.
Faktor Mensch.
Auch wenn die technischen Möglichkeiten sich verändert haben, geht es nie ohne den Faktor Mensch. Die „Loidl Haussalami“ etwa, gemeinsam mit der „Kantwurst“ stabiler Produktrenner der steirischen Marke, wird traditionell mit Edelschimmel hergestellt. Die Reiferäume sind heute moderner, aber ohne die Erfahrung des Salami-Meisters und die persönliche Betreuung wären keine hochqualitativen Salamis möglich, heißt es dazu von den Marcher Fleischwerken. Diese übernahmen 2017 Loidl und Landhof und brachten bald darauf eine neue Produktrange auf den Markt. Das „Landhof Pur“-Sortiment wird im Warmbrätverfahren hergestellt, so müssen keine Phosphate zugesetzt werden und der natürliche Geschmack bleibt erhalten. Als „Landhof“-Klassiker etabliert haben sich jedoch die „Griller“, die sich seit über 20 Jahren erfolgreich in den Regalen halten. Um die Jahrtausendwende startete man mit der Entwicklung der automatischen Berner-Würstel-Wickel Maschine, was Landhof zu einem weiteren Erfolgsprodukt verhalf. Eine weit jüngere Marke ist „die Ohne“, eine breite Produktlinie aus Fleischalternativen. Vor 20 Jahren wäre das undenkbar gewesen, bestätigt man bei Marcher.
Top-Mühlen.
Wie schnell und wieviel LEH-Fläche in kurzer Zeit für Fleischalternativen zur Verfügung gestellt wurden, hat GF Wolfgang Hotwagner überrascht, selbst seit über 20 Jahren Vertriebspartner von Rügenwalder. Das deutsche Unternehmen setzt seit einigen Jahren auf verschiedenste fleischfreie Produktalternativen wie „Vegetarische Mühlen Würstchen“. Lässt man 20 Jahre Revue passieren, zählen z.B. auch die „Rügenwalder Teewurst“ und die „Pommersche“ zur Erfolgsgeschichte des Vertriebspartners Hotwagner. Auch heute noch sind neben der Putensalami vor allem die „Rügenwalder“-Produkte die Hotwagner Top-Artikel. „Vor 20 Jahren war es die ‚Zayataler Dauerwurst‘“, erzählt Hotwagner aus seinem Erfahrungsschatz.
Dürr & Spezial.
Die rasante Produktneuentwicklung bei fleischlosen Würsten hatte auch für Thomas Schmiedbauer (GF Wiesbauer) den größten Überraschungseffekt. Die wichtigste Veränderung hingegen ist für ihn die Einführung und das stetige Ansteigen des Marktanteils der Slice-Produkte: „Bei Wiesbauer liegt der Anteil dieses für uns sehr wichtigen Bestandteils unseres Angebotes bei annähernd 50%. Um das zu erreichen, waren hohe Investitionen in modernste Produktionsanlagen in Reinraumtechnik notwendig.“ Damals wie heute ist die „Bergsteiger“ die Wiesbauersche Top-Marke, gefolgt von den Umsatz-Bringern „Wiener Dürre“ und „Polnische Spezial“. Unterschiede gebe es vor allem im Handling der Artikel: „Bedienungsware und auch SB-Stück-Produkte wurden früher im großen Rahmen unverpackt geliefert und im LEH verkauft. Das wäre heute undenkbar“, so Schmiedbauer. Für relevant hält er außerdem die extrem große Veränderung in den LEH-Strukturen während der letzten 20 Jahre.
Aufwärts-Stufen.
„Für uns überraschend war doch die Konzentration bei gleichzeitig vertikaler Integration in den Erzeugerbereich im heimischen Handel“, formuliert dies GF Franz Radatz. Neben einer Reduktion der Marktteilnehmer im LEH wird auch die Veredelung und Verarbeitung mittlerweile in starkem Maße von den konzerneigenen Fleischwerken erledigt. Hier kommen auch die jeweiligen Eigenmarken ins Spiel, die es vor 20 Jahren bei weitem nicht in dem Ausmaß gab. Auch sei man in der Zeit „einige Convenience-Stufen aufwärts gegangen. Das beginnt bei der vorgeschnittenen, servierfertigen Ware, die mittlerweile in unserem Unternehmen ziemlich exakt ein Drittel der Gesamtmenge ausmacht und geht bis zu vorgewürzten, vorgegarten Fleischstücken für die einfache Zubereitung“, schildert Radatz. Damit Hand in Hand geht die technische Entwicklung, die Anlagen sind in puncto Technik und Hygienic Design nicht mehr mit den Vorgängern vergleichbar. Was die Top-Produkte betrifft, ist auch bei Radatz Stabilität beobachtbar: „Unsere Käsekrainer sind in den letzten 20 Jahren vom Matrosen zum Kapitän unseres Unternehmensschiffes aufgestiegen. Bei Stastnik hält die ‚Stastnik Salami‘, in Stangen und geschnitten, weiterhin den Meistertitel.“
Gipfel.
„Haushalte wurden kleiner, Packungsgrößen wurden kleiner, der SB-Anteil hat zugenommen und der Convenience-Charakter wurde immer wichtiger“, fasst GF Franz Krainer die Entwicklung zusammen. Auch in seinem Unternehmen ist der Anteil an Slice-Produkten deutlich gestiegen. Allerdings habe man bei dieser Entwicklung noch nicht den Gipfel erreicht, so Krainer: In den nächsten Jahren werde es weiteren Zuwachs im SB- und Convenience-Bereich geben. Eine Annahme, die alle Befragten teilen. Die Krainerschen Erfolgsprodukte der letzten zwei Jahrzehnte oder mehr sind die Käsekrainer und die Bratwürstel im Würstelbereich, im Rohpökelbereich sind es Schinkenspeck und Selchroller.
Bedientheke.
„Wir sind immer schon Thekenproduzent gewesen und sind es heute noch. Das können wir und darauf bauen unsere Kunden sowohl im B2B-Bereich als auch im B2C-Bereich“, schildert Klaus Moser (Verkaufsleiter Moser Wurst). Damit gab es im Wieselburger Unternehmen keine Einschnitte wegen des Siegeszuges der geschnittenen Waren. Vor 20 Jahren war die „geräucherte Extrawurst“ die Nummer 1 bei Moser. Dieses Spitzenprodukt liegt immer noch auf Platz vier im internen Ranking. „Die gleichbleibend hohe Qualität unseres Standardsortiments ist unser Erfolgsrezept. Hier haben wir uns nie auf Kompromisse eingelassen“, sagt Moser. Für ihn die wichtigsten Eckpunkte des Wandels der letzten 20 Jahre sind Regionalität, Nachhaltigkeit, Packaging-Themen und der Trend hin zu hellem Fleisch – also Pute oder Huhn. Kein Wunder, dass Moser hier mit der „Hennebell“ auf eine spannende Neuheit setzt.
Schinken-Saison.
„Die wichtigste Veränderung in der Fleischbranche ist zweifelsohne die angebotene Produktvielfalt“, berichtet Berger-Verkaufschefin Gaby Kritsch von ihren Beobachtungen. Speziell bei Kochschinken hat sich hier einiges getan, als Beispiel gelten die Saisonschinken: „Vor 20 Jahren hatten wir einige wenige saisonale Produkte im Angebot, heute sind unsere Saisonschinken fixer Bestandteil des Sortiments.“ Stand damals in Sachen Fleisch- und Wurstwaren ganz klar Quantität vor Qualität, habe sich dies sehr stark verbessert und geändert, so Kritsch. Beobachtbar ist dieser Trend auch bei den Berger-Bestsellern. In der Bedienung punkten „Backofen-Schinken“, „Traditions-Beinschinken“ oder „Farmer-Schinken“. Im SB-Regal ist der fettreduzierte „Wellness-Schinken“ das Lead-Produkt. Einen entscheidenden Wandel verortet Kritsch außerdem bei den Themen Regionalität und Tierwohl: „Konsumenten wollen Fleischprodukte konsumieren, dabei aber das gute Gefühl haben, dass die Tiere ein faires, gutes Leben hatten. Wir bei Berger legen extrem großen Wert auf diese Themen und sind damit Branchen-Vorreiter“, freut sich Kritsch.