Für ein reines Gewissen

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Gerade im Badezimmer tummeln sich diverse Produkte, die mehr oder weniger gut fürs Klima sind. Die Branche lotet daher gerade alle Potenziale aus, um Pflegeprodukte zu entwerfen, die nicht nur das Wohlbefinden der Verbraucher:innen, sondern auch jenes des Planeten im Fokus haben.

Kategorie: Stories
Hatten Generationen vor uns oft wenig mehr als ein Stück Seife und einen Tiegel Creme für die tägliche Pflege-Routine zur Hand, bietet sich seit Jahrzehnten in den allermeisten Badezimmern ein völlig anderes Bild: Hier tummelt sich ein vielfältiges Produkt-Angebot, das von Duschgelen und Shampoos über Spülungen, Gesichtspflege, Haar-Stylings bis hin zu Body-Lotions für jede Jahreszeit reicht – das ist wunderbar für die eigene kleine Wohlfühl-Oase, die einem immerhin einen wichtigen Moment Auszeit verschafft. Damit dieser geliebte Me-Moment aber nicht auf Kosten des Klimas geht, heißt es auch hier für die Hersteller: Alle Potenziale ausloten und Produkte sowie Produktionsprozesse optimieren, umgestalten und neu aufstellen. Diese Herausforderung hat die Kosmetik-Branche längst in Angriff genommen. 
Ein- und anpacken.
Die wichtigste CO2-relevante Stellschraube, die Hersteller direkt beeinflussen können, ist die Wahl der Verpackung. Sabine Kästner, Nachhaltigkeitsbeauftragte bei Laverana („lavera“), erklärt: „Recyclingfähigkeit, Rezyklat-Anteile und die Wahl des Materials spielen hinsichtlich Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle und zahlen auf die übergeordneten Ziele ein, die wir uns und viele Unternehmen sich setzen, nämlich: Reuse, Reduce, Recycle, Refill, Renewable und Renature.“ Das Ziel ist es also, Verpackungen aus Materialien aus dem Stoffkreislauf (Rezyklate) herzustellen, die auch wieder in diesen Kreislauf rückgeführt (recycelt) werden können. Daran arbeiten alle großen Markenhersteller mit viel Elan. Jaroslava Haid-Jarkova, General Manager Henkel Consumer Brands Austria, berichtet etwa: „Eines der wichtigsten Ziele unserer Nachhaltigkeitsstrategie ist es, bis 2025 sämtliche Verpackungen des Unternehmens recycelbar oder wiederverwendbar zu machen. Ende 2022 lag der Anteil bereits bei 87%. Darüber hinaus wollen wir den Anteil an recyceltem Material in allen Kunststoffverpackungen der Konsumgüterprodukte bis 2025 auf mehr als 30% erhöhen.“ 
Zielvorgaben.
Die konkreten Ziele sind bei Henkel als auch bei Unilever und Beiersdorf die gleichen: Minus 50% Neukunststoff bis 2025 (vs. 2010), mind. 30% Rezyklat-Anteil in den Kunststoffverpackungen und 100% der Produkte sollen nachfüllbar, wiederverwendbar oder recycelbar sein. Damit wurden die Ziele strenger formuliert, als es etwa die kommende Packaging & Waste Regulation der EU vorsieht. Jaroslava Haid-Jarkova: „Bei dieser EU-Regulierung ist zum Beispiel vorgesehen, dass ab 2030 nur noch Verpackungen eingesetzt werden dürfen, die 100% recycelbar sind. Wir bei Henkel haben vor, bereits bis 2025 alle unsere Verpackungen auf 100% recycelbar umzustellen.“ Und bei dieser Umstellung soll auch so wenig Neuplastik wie nur möglich zum Einsatz kommen – eben um 50% weniger als noch 2010. Noch ambitionierter ist man bei der Naturkosmetik-Marke „lavera“ – hier soll ab 2025 gar kein Neuplastik mehr verwendet werden. Dieser komplette Verzicht ist bei den „Großen“ auch bereits in einzelnen Linien Realität. Jaroslava Haid-Jarkova: „Wir sind auf einem guten Weg, so bestehen die Flaschenkörper diverser Beautymarken wie ‚syoss‘ oder ‚Nature Box‘ bereits zu 100% aus recyceltem Material.“ Und auch bei „Nivea“ (Beiersdorf) sind schon einzelne Produkt-Ranges fast zur Gänze frei von Neuplastik. Alvaro Alonso, GF Beiersdorf: „Unsere neue ‚Nivea‘-Duschflasche für unsere Frauen- und Universal Duschprodukte besteht zu 96% aus recyceltem Plastik. Neu ist außerdem, dass sie um 25 % leichter ist als unsere bisherige Flasche. Mit dieser Leichtgewichtflasche konnten wir eine verpackungsbedingte Reduktion der CO2-Emissionen um 32% erreichen.“ 
Herausforderungen.
Diese Umstellungen erfordern natürlich, dass die entsprechenden Ressourcen für die Hersteller überhaupt verfügbar sind. Gerold Idinger, GF Unilever Austria: „Um unsere Ziele zu erreichen, ist es wichtig, dass genügend hochwertiges PCR-Material zur Verfügung steht. Obwohl es keinen Mangel an Plastik im System gibt, gibt es im globalen Kontext einige große Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Hierzu gehören lokale Sammel- und Sortieranlagen, technische Innovationen und neue Lösungen, um die Sammlung und Wiederaufbereitung von Materialien wirtschaftlich zu gestalten.“ Unilever arbeitet daher in mehreren Ländern mit Partnern zusammen, um diese Situation zu verbessern. Bei Henkel kennt man dieses Problem natürlich auch. Haid-Jarkova: „Der Einsatz von Recyclingmaterial ist eine wichtige Maßnahme, allerdings muss dann diese Verpackung auch wieder bzw. richtig von den Verbraucher:innen entsorgt werden. Obwohl Österreich hinsichtlich Recycling bei Glas, Papier und Metall ganz vorne mit dabei ist, bei Plastikverpackungen ist die Recyclingquote erst bei 25% und muss aber lt. EU bis 2025 auf 50% gesteigert werden. Hier gibt es also noch Aufholbedarf.“ 
Nachfüllen?
Noch nachhaltiger als Verpackungen, die sich mehr oder weniger im Materialkreislauf befinden, sind jene Verpackungsmengen, die von vornherein gar nicht erst produziert werden. Hier kommen Ideen wie Leicht-Flaschen, größere Gebinde, konzentrierte Produkte oder auch Nachfüll-Systeme ins Spiel. Ein Hersteller, der dabei schon auf viel Erfahrung zurückgreifen kann, ist Kao, bekannt u.a. für die Marke „Guhl“. Auf globalem Level ist Kao Vorreiter im Bereich Refills. Vanessa John, Communications Manager EMEA Kao Germany: „Bereits in den 90er Jahren hat Kao im Heimatmarkt Japan erheblich dazu beigetragen, dass sich dort ein Nachfüllmarkt etabliert hat, der unseren Plastikverbrauch in den Kategorien Haushalt und Personal Care um 78% reduziert hat.“ Heute bietet Kao in Japan 80% seiner Produkte in Nachfüllpackungen an, in Europa sind diese hauptsächlich im Salon-Geschäft im Einsatz. Aber auch konzentrierte Produkte, wie etwa die „Guhl“-Shampoos, die sowohl beim Transport als auch bei der Verpackung CO2-Emissionen einsparen, sind ein guter Weg.
Unterwegs.
Allein der Blick auf das Thema Verpackung zeigt, dass die Kosmetik-Branche bereits gut unterwegs ist, das Thema „Besser fürs Klima“ umzusetzen. Zusätzlich dazu investieren natürlich auch alle genannten Hersteller in effiziente und ressourcenschonende Produktionsanlagen und -techniken, biologisch abbaubare Formulierungen, nachhaltiges Sourcing etc. etc. – was bleibt, ist die Feststellung, dass eine der wichtigsten Stellschrauben einer klimaschonenden Beauty-Routine in den Händen der Verbraucher:innen liegt: Sparsamkeit ist dabei das Schlüsselwort. Weniger heiß, weniger lang und mit weniger Produkt-Verbrauch duschen, baden oder Zähne putzen ist in Sachen Klimaschonung schwer angesagt.
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