Gar nicht Banane

Peter Stedman ist erster Director of Sustainability bei Chiquita.

Die globale Bananenproduktion war schon mehrmals im Fokus kritischer Berichterstattung. Bei Chiquita ist Peter Stedman als erster Director of Sustainability des Unternehmens dafür verantwortlich, dass in Sachen Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen alles vernünftig läuft. Er stand uns für ein Interview zur Verfügung.

Kategorie: Stories
PRODUKT: Sie sind bei Chiquita für das Thema Nachhaltigkeit zuständig. Ein großer Bereich…
Stedman:
Chiquita betreibt seit über 20 Jahren eine Nachhaltigkeitsagenda und meine Arbeit profitiert in hohem Maße von den Grundlagen und Strukturen, die das Unternehmen in dieser Zeit geschaffen hat. Eine der wichtigsten Grundlagen ist das Prinzip des ‚Einbettens‘. Das Thema ist in den Aufgabenbereich eines jeden Mitarbeiters eingebettet. Bei Chiquita ist es daher nicht notwendig die Kolleg:innen jeden Tag davon zu überzeugen eine Nachhaltigkeitsagenda zu verfolgen. Als Landwirte ist es für uns selbstverständlich, in unserem Handeln nachhaltig zu agieren.

PRODUKT: Was sind die grundlegendsten Themen, die Sie unter die Lupe nehmen?
Stedman:
Wir verfügen über ein ausgereiftes Zertifizierungsprogramm, das unsere Standards wie SA8000, RFA, Global Gap GRASP, SAI FSA hinter dem Blauen Sticker bestätigt, die auch marktbekannt sind. Mit einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von über 70%, dem mit Abstand höchsten in der Branche, verfügen wir über ausgereifte Prozesse des sozialen Dialogs. Dies trägt dazu bei, die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu schützen und die Zahlung existenzsichernder Löhne zu ermöglichen. Dazu kümmere ich mich um grundlegende Fragen, die Anforderungen unserer Einzelhändler sowie die Zusammenarbeit mit unseren Kundenteams betreffend – als Hilfestellung, um unsere Maßnahmen zu verstehen, damit diese ihrerseits zeigen können, wie wir zu den Zielen der Einzelhändler beitragen.

PRODUKT: In der aktuellen Ausgabe beschäftigen wir uns mit der Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Markenartikel-Industrie. Welchen Stellenwert haben Landwirt:innen bei Chiquita?
Stedman:
Im Herzen sind wir Landwirt:innen. Ungewöhnlich für eine Marke, aber wir bauen viele der Produkte selbst an, die wir verkaufen. Mit rund 20.000 Vollzeitbeschäftigten sind wir ein wichtiger Arbeitgeber und unser Engagement für alle Arbeiter:innen und die Gemeinschaften, in denen sie leben, ist von großer Bedeutung. Hier musste sich in den letzten Jahren wenig ändern, da wir uns bereits vor 20 Jahren für einen Prozess eingesetzt haben, der existenzsichernde Löhne für Arbeitnehmer:innen ermöglicht. Wir freuen uns aber über das relativ junge Engagement von Einzelhändlern und NGOs in diesem Bereich. Dazu haben wir uns verpflichtet, diese Grundsätze in unserer gesamten Lieferkette anzuwenden.

PRODUKT: Chiquita ist vor kurzem der SAI-Plattform beigetreten und verpflichtet sich die entsprechenden Standards einzuhalten. Welche Auswirkungen hat dieser Schritt konkret?
Stedman:
Chiquita hat sich öffentlich verpflichtet seine Scope-1- und Scope-2-Emissionen bis 2030 um 30% zu reduzieren und seine Lieferkette dabei zu unterstützen, bis 2025 eigene Verpflichtungen einzugehen. Als wir dieses Ziel im Jahr 2021 verkündet haben, waren wir damit das erste globale Fruchtunternehmen. Unsere größte Emissionsquelle sind unsere landwirtschaftlichen Betriebe. Die Annäherung an das Thema nachhaltige Landwirtschaft durch die Mitgliedschaft in der SAI ist ein logischer erster Schritt. SAI ist nicht nur eine Mitgliederorganisation, bei der wir von anderen lernen können, sondern hat auch ein Zertifizierungssystem, das Farm Sustainability Assessment (FSA). Wichtig ist, dass das FSA im Gegensatz zu anderen Zertifizierungssystemen einen stufenweisen Ansatz verfolgt: Bronze, Silber und Gold. Wir sind der Meinung, dass dies der richtige Weg für Chiquita ist, um herausragende Leistungen zu demonstrieren. Dies gilt auch für Landwirt:innen, die noch am Anfang ihres CO2-Weges stehen, um sich zu engagieren und zu lernen.

PRODUKT: Wie versucht man bei Chiquita CO2 einzusparen?
Stedman:
Ein Ziel der Umstellung auf SAI FSA ist es, das Potential unserer Böden besser zu nutzen. Die Gesundheit der weltweiten Böden wird eine kohlenstoffärmere Produktion nur dann ermöglichen, wenn sich der Ansatz deutlich ändert. Angesichts der rekordverdächtigen Preise für Düngemittel ist es der ideale Zeitpunkt, um für einen ganzheitlichen Ansatz bei der Kultivierung zu plädieren. Dabei handelt es sich um die Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft, die bei den Permakulturisten schon seit Jahrzehnten zur Anwendung kommen. Das Potenzial der Böden, insbesondere der tiefgründigen tropischen Böden, liegt auch darin, als wichtiger Kohlenstoff-Speicher zu fungieren. Relativ dauerhafte Kulturen wie Bananen bieten ein großes Potential, erhebliche Mengen an Kohlenstoff zu binden. Ich halte Bodenkohlenstoff (in einer Tiefe von mehr als 50cm) für potenziell wesentlich sicherer als an der Oberfläche gespeicherter, auch wenn dies viel schwieriger zu quantifizieren und zu überwachen ist. Eine effizientere Ausbringung von Düngemitteln und gesündere Böden brauchen Zeit, aber wir überwachen dies im Rahmen der FSA und teilen in Folge unsere Erkenntnisse über diese Plattform.

PRODUKT: Wir bitten Sie um einen Blick über den Tellerrand: Was sind aus Ihrer Sicht die global dringlichsten Themen hinsichtlich landwirtschaftlicher Produktion?
Stedman:
Zwischen 2000 und 2020 ist die durchschnittliche Niederschlagsmenge um 15% zurückgegangen und die Durchschnittstemperaturen in unseren Betrieben um 1,2 Grad gestiegen. Dieses Bild variiert in unseren vier Hauptanbauländern, aber das Gesamtbild ist eindeutig: Die globale Erwärmung ist real und es ist dringend erforderlich, dass wir uns auf den Klimawandel einstellen. Chiquita war 2021 das erste globale Fruchtunternehmen, dessen Strategie „30BY30“ zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes von der Science Based Targets Initiative verifiziert wurde. Vor diesem Hintergrund kann man feststellen, dass wir es mit der Kohlenstoffreduzierung und der Vorbereitung auf den Klimawandel mehr als ernst meinen.

PRODUKT: Was sollten Entscheider des Lebensmittelhandels unbedingt beim Umgang mit tropischen Früchten beachten – was zeichnet „Chiquita“ als Marke der Wahl aus? Wovon sollte man die Hände lassen?
Stedman:
Ohne zu übertreiben, „Chiquita“ist eine ikonische Marke und weltweit in den Märkten anerkannt. Dies ist in der Fruchtkategorie höchst ungewöhnlich, insbesondere, wo in den letzten Jahrzehnten das Angebot von Eigenmarken in einem Großteil der Kategorie dominiert hat. Hinter all dem steht für Chiquita unser Engagement vor Ort. Unser ‚Behind the Blue Sticker‘-Ansatz definiert, wie wir auf den Farmen tätig sind, mit den Gemeinden zusammenarbeiten und welchen Beitrag wir zu größeren, globalen Zielen der Branche und Allgemeinheit beitragen. Verbraucher:innen und Konsument:innen können darauf vertrauen, dass Chiquita seinen Verpflichtungen auch auf seinen eigenen Farmen nachkommt. Wenn wir über existenzsichernde Löhne oder CO2-Reduzierung sprechen, handhaben wir diese Dinge direkt und nicht über ein erweitertes Netzwerk von Importeuren und Exporteuren. Wir unterscheiden uns auch durch unsere langfristige Vision und konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung. Als Landwirt:innen denken wir langfristig und sind davon überzeugt, dass nachhaltiges Handeln die einzige Möglichkeit ist, die langfristige Rentabilität der Bananenproduktion sicherzustellen und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen auf der ganzen Welt zu sichern, die darauf angewiesen sind. Ich denke, es geht weniger darum, die Finger von den Dingen zu lassen, sondern vorsichtig vorzugehen. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Marktinitiativen, um das Bananenangebot durch Nachhaltigkeitsaussagen zu differenzieren. Dabei ist sehr wichtig sicherzustellen, dass diese Aussagen auch auf der Grundlage tatsächlicher Effekte vor Ort gemacht werden – sei es ökologischer oder sozialer Natur.

PRODUKT: Kann man als global agierendes Unternehmen mit unzähligen Zulieferern überhaupt jemals garantieren, dass immer alles in „geordneten Bahnen“ vonstatten geht?
Stedman:
Glücklicherweise sprechen wir bei Chiquita nicht von unzähligen Lieferanten. Wir sind zwar weltweit präsent, verkaufen aber nur eine relativ kleine Auswahl an Produkten. Selbstverständlich verfügen wir über Lieferketten für eingekaufte Waren und Dienstleistungen. Aber im Vergleich zu meinen früheren Erfahrungen mit Kosmetika oder verpackten Produkten sind diese relativ überschaubar. Das macht die Analyse und die Risikobewertung unserer Lieferkette einfacher und wird durch sehr gute interne Informationssysteme unterstützt.

PRODUKT: Vielen Dank für das Gespräch! 

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