Immer-wieder-Spruch

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Der Gesetzgeber hat gesprochen: Seit Jahresbeginn gilt in Österreich eine verpflichtende Mehrwegquote im LEH. Wir haben uns umgehört, was das konkret bedeutet, und außerdem ein Stimmungsbild der Branche dazu gezeichnet.

Kategorie: Sonstiges
Der Hintergrund ist klar: Um die Klimaziele zu erreichen (oder ihnen zumindest möglichst nahe zu kommen), muss jetzt rasch an vielen Schrauben und Stellrädern gedreht werden. Ein Hebel, der für Markenartikler und den Handel besonders viele Veränderungen mit sich bringt, ist der Bereich Verpackungen, der in der EU-Vorgabe PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation) geregelt ist. Um dieser zu entsprechen und Verpackungsmüll weiter zu reduzieren, wurde die Mehrwegquote für den Lebensmittelhandel auf Schiene gebracht und ist nun seit Anfang Jänner in Kraft. Seitdem müssen im LEH je nach Getränke-Kategorie unterschiedlich hohe Anteile in wiederbefüllbaren Gebinden angeboten werden (Details siehe Factbox rechts). Warum wurde diese Vorschrift aber überhaupt nötig? Während Mehrweg früher in vielen Bereichen gängig war, verlor diese Packaging-Lösung durch den Vormarsch der PET-Flaschen und Getränkekartons mit all ihren Convenience-Vorteilen ab den 90er-Jahren an Bedeutung. Lediglich bei Bier und (auf niedrigerem Niveau) Mineralwasser waren durchgängig Mehrwegangebote vorhanden. Mit dem gestiegenen Wissen und Bewusstsein in Sachen Klimawandel hat sich aber mittlerweile auch im alkoholfreien Bereich die Lage wieder gedreht. Mehrere Markenartikler haben in moderne Mehrweg-Anlagen investiert und das Angebot ist bereits seit Jahren im Wachsen begriffen.
Gewünscht.
Auch die Konsument:innen stehen den wiederverwendbaren Flaschen durchaus positiv gegenüber. Im Bierbereich ja sowieso, wie der letzte Bierkulturbericht der Brau Union einmal mehr belegt hat: So bevorzugen demzufolge 76% der regelmäßigen und 58% der sporadischen Biertrinker Mehrwegflaschen. „61% sind der Meinung, dass Bier generell nur in Mehrwegflaschen verkauft werden sollten“, berichtet Gabriela Maria Straka, Director Corporate Affairs & ESG Sustainability bei der Brau Union. Bei Egger Getränke, wo man 2020 eine neue Glasabfüllanlage in Betrieb genommen hat, um neben Bier auch „Radlberger Limö“, „Cöla“, „Granny’s“, aber auch Lohnfüllprodukte in Mehrweg-Gebinden anbieten zu können, fällt das Resümee ebenfalls sehr positiv aus: „Wir sehen, dass Mehrweg immer stärker nachgefragt und angenommen wird“, so GF Reinhard Grießler. Ähnliches berichtet uns Herbert Bauer, General Manager von Coca-Cola HBC: „Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass die Nachfrage der Konsument:innen nach Mehrweg steigt. Dieser Entwicklung begegnen wir mit laufenden Portfolioerweiterungen im Mehrwegbereich.“ Zuletzt etwa mit der Einführung von „Coca-Cola“, „Coca-Cola zero“, „Fanta“ und „Sprite“ in der 1L-Mehrwegglasflasche sowie „Coca-Cola“ und „Coca-Cola zero“ zusätzlich in der 0,4L-Mehrweg-Glasflasche. Voraussetzung dafür war die Investition in eine neue Mehrwegglaslinie, die im Juli 2023 im Werk im burgenländischen Edelstal in Betrieb gegangen ist. Aus der Berglandmilch, wo ebenfalls vor wenigen Jahren eine neue Mehrweg-Anlage angeschafft wurde, bestätigt GF Josef Braunshofer: „Nachhaltige Verpackungsmaterialien und dabei v.a. Mehrweg-Gebinde entsprechen dem Zeitgeist der Müllvermeidung und sind für viele Verbraucher:innen mittlerweile ein wichtiger Entscheidungsfaktor beim Kauf von Produkten.“ 
Überzeugungsarbeit.
Aber, so ehrlich muss man sein, um das Thema vor allem in jenen Kategorien, wo jetzt erst das Comeback erfolgt, zurück in die breite Masse zu bringen, haben wir noch einiges vor. „Eine große Herausforderung ist noch die Akzeptanz der Konsument:innen“, befindet etwa Rauch-GF Daniel Wüstner, der eben erst das Angebot an Mehrweg-Produkten im LEH auf neun „happy day“-und zwei „Rauch Eistee“-Sorten ausgebaut hat. Schließlich sei die 1L-Glasflasche merklich schwerer als eine PET-Flasche oder ein Getränkekarton, so Wüstner. Wobei die Verpackungsbranche natürlich bereits hart daran arbeitet, hier gangbare Lösungen zu offerieren – z.B. die „Echovai“-Flasche von Vetropack, die um 30% leichter ist als herkömmliche Flaschen, dabei aber stabiler und somit hohe Umlaufzahlen bieten kann. Mehrweg-Hemmschwellen abbauen soll auch der Launch der 0,33L-Mehrweg-Standardflasche, die ab sofort der Brauwirtschaft als Pool-Lösung zur Verfügung steht. Damit soll jenen 47%, für die die eigene Bequemlichkeit gegen Mehrweg spricht, aber auch den 36%, die das Gewicht als Gegenargument nennen, und den 26%, die bei Mehrweg-Gebinden die Handlichkeit vermissen, ein passendes Angebot gemacht werden. Damit auch der Transport nicht schwer fällt, steht für die neue Seiderl-Flasche eine handliche 12er-Kiste zur Verfügung. Die Brau Union nutzt das Gebinde gleich für eine Produktneuheit: nämlich „Gösser Biostoff“ (siehe Produktvorstellung auf Seite 20). Auch Stiegl hat bereits angekündigt, die neue Kleinflasche ab April zu nutzen und rechnet mit viel Zuspruch: „Die neue Mehrwegflasche stellt ein attraktives Zusatzangebot und eine echte Alternative für die Konsument:innen dar.“
Leicht machen wollen es die Getränkehersteller den Verbraucher:innen auch mit Konzepten, die das Tragen der Flaschen erleichtern. Vöslauer etwa offeriert für die bereits 2014 zurück in den Handel gebrachte Glas-Mehrwegflasche eine praktische Splitkiste, die für den Transport teilbar ist und zudem gemischt befüllt werden kann. Außerdem gibt es das „Vöslauer“-Mineralwasser sowie „Vöslauer Balance Juicy Plus“ in zwei Sorten auch in der 1L-PET-Mehrwegflasche, die sich besonders gut zum Mitnehmen für unterwegs eignet.
Angeglichen.
Ein weiterer Stein auf dem Mehrweg wird mit dem Jahr 2025 außerdem aus dem Weg geräumt: Denn dann gilt auch bei uns das Einwegpfand und somit fallen die Bequemlichkeitsvorteile von Wegwerfgebinden weg. „Spätestens dann wird das Thema Mehrweg aus unserer Sicht ‚abheben‘“, ist Egger GF Reinhard Grießler überzeugt. Ähnlich sieht das Rauch-GF Daniel Wüstner: „Das Thema Pfand als Hindernis wird sich spätestens ab Jänner 2025 einspielen.“ 
Backstage.
Die Rücknahme von Gebinden stellt jedenfalls für alle Beteiligten einen zusätzlichen Aufwand dar, zugleich aber auch eine Chance für den Handel, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dazu Roman Postl, Vice President, Head of Business Unit East Central Europa bei Tomra Collection: „Mehrwegkonsument:innen sind seit langem für ihr Kaufbewusstsein bekannt und sie sind für den Handel eine beliebte Zielgruppe. Dementsprechend wichtig ist es, diesen Menschen ein ansprechendes und positives Service beim Retournieren von Leergebinden zu bieten.“ Und auch das Personal kann von einer vernünftigen Rücknahmestation durchaus profieren. Postl: „Die passende Dimensionierung einer Anlage bei der optimalen räumlichen Platzierung trägt entscheidet zu positiven Erlebnissen beim Bedienen – für das Personal – sowie beim Benützen – für die Kundschaft – bei. Damit steigt die Akzeptanz der Lösung bei allen.“ Tomra setzt übrigens ausschließlich auf Anlagen, die auch bereits über die ab 2025 erforderlichen Einweg-Annahme-Lösungen verfügen.
Neues Normal.
Wir werden uns also definitiv alle schon sehr bald daran gewöhnen, dass es wieder Usus ist, Getränkeflaschen im Handel zurück zu bringen bzw. zu nehmen. Eine neuerliche Kehrtwende weg von Mehrweg scheint dabei ausgeschlossen.  „Mehrwegflaschen sind definitiv das Gebinde der Zukunft“, ist Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl überzeugt. „Ein Zurück wird es nicht mehr geben“, ist sich auch Yvonne Haider-Lenz, Leiterin Marketing, PR und Innovation bei Vöslauer, sicher. Herbert Bauer, Coca-Cola HBC, ist zuversichtlich, dass es dabei keine gröberen Schwierigkeiten geben wird: „Mehrweg hat im Handel speziell für Mineralwasser und Bier immer eine Rolle gespielt, daher sind die Konsument:innen an das Konzept gewöhnt.“ Mehrweg ist jedenfalls ganz offensichtlich viel mehr als nur ein Trend, sondern wiedergekommen, um zu bleiben. Egger-GF Reinhard Grießler: „An Mehrweg führt kein Weg mehr vorbei.“
Mehrwegquote
Seit 1.1.2024 in Kraft
Betroffen sind folgende Segmente: Bier, alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Säfte, Milch.
Festgesetzte Quoten für das Mehrweg-Angebot im LEH (ab 400m2 Fläche) ab 2024:
   60% bei Bier, 20% bei Mineralwasser,
   10% bei AF-Getränken und Milch
Ziel: Mehrwegquote von 30% bis 2030