Moosbrugger: Unsere Bäuerinnen und Bauern sind enorm gefordert – hauptsächlich, weil der Wettbewerb auf den Märkten meist stärker den Preis als die Qualität von Produkten honoriert. Trotzdem ist unsere Landwirtschaft gut geerdet. Ohne Erde geht gar nichts, weder im Pflanzenbau, noch in der Tierhaltung oder in der Forstwirtschaft. Als „geerdet“ ist auch zu werten, dass wir noch immer eine familiäre und vergleichsweise kleinstrukturierte Landwirtschaft, eine gute landwirtschaftliche Ausbildung und leistungsfähige Verarbeitungsbetriebe haben. Unsere Bäuerinnen und Bauern halten Bewährtes und Traditionen am Leben, sind heute aber auch moderne, innovationsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer.
PRODUKT: Und was sind die maßgeblichsten Herausforderungen?
Moosbrugger: Was uns zunehmend fordert, ist die oft viel zu negative gesellschaftliche Diskussion über moderne Landwirtschaft, was von manchen als Geschäftsmodell betrieben wird. Wir müssen aber etwa unsere Pflanzen ernähren und vor Schädlingen schützen. Das ist nichts Schlechtes, sondern für stabile Erträge, die bäuerliche Existenzgrundlage und die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbar. Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung beginnt am Feld. Das versuchen wir auch den EU-Institutionen zu vermitteln, die enorm widersprüchliche Strategien verfolgen. Ich kann nicht eine bessere EU-Eigenversorgung anstreben, gleichzeitig aber die eigene Produktion ständig mit neuen Auflagen knebeln und die Märkte für Billiganbieter mit viel geringeren Standards weiter öffnen. Wirtschaft und Umwelt müssen gleichzeitig forciert werden. Ökologische Einseitigkeit führt uns in eine Sackgasse und verstärkt unsere Importabhängigkeit. Und auch beim Thema Tierwohl oder Bio muss gelten: Es kann nur das produziert werden, was auch nachgefragt und bezahlt wird. Wenn die damit verbundenen Mehrkosten nicht abgedeckt werden, gehen unsere Betriebe mittelfristig zu Grunde. Beispielsweise Tierwohlställe sind ja mit enormen Investitionen verbunden.
PRODUKT: Fördermaßnahmen stehen immer wieder in der Kritik – welche Rolle spielen sie für das Einkommen der Landwirt:innen? Und welche positiven, aber auch negativen Effekte haben sie bzw. können sie haben?
Moosbrugger: Wir reden schon lange nicht mehr von Förderungen im eigentlichen Sinn, sondern von Ausgleichszahlungen. Die europäische Politik hat über die Jahre immer neue Auflagen für unsere bäuerlichen Betriebe definiert, also dass sie beispielsweise Umweltleistungen erbringen. Für die Erbringung dieser Leistungen im Sinne der Gesamtgesellschaft, die von den Abnehmern – Verarbeitung, Handel, Konsument:innen – aber im Rahmen der Produktpreise nicht bezahlt werden, bekommen sie Abgeltungen aus europäischen Töpfen. Ursprünglich waren die Direktzahlungen eingeführt worden, um die Senkung der Agrarpreise beim EU-Beitritt auf das Weltmarktniveau, die höheren Produktionsauflagen und damit die Kosten für die europäischen Bauernhöfe gegenüber dem Weltmarkt zu kompensieren. Beide Argumente für diese Zahlungen haben sich seither deutlich verstärkt. Die Zahlungen wurden aber seither an zusätzliche Anforderungen geknüpft und nicht wertgesichert.
PRODUKT: Das bedeutet im Grunde, dass die Allgemeinheit über die Ausgleichszahlungen Entwicklungen finanziert, für die der einzelne (noch) nicht bereit ist zu zahlen?
Moosbrugger: Das Österreichische Umweltprogramm, wo der Hauptteil der in Österreich ausgezahlten Prämien begründet liegt, ist ein Erfolgsmodell, an dem über 80% unserer Betriebe teilnehmen. Es hat dazu geführt, dass unsere Landwirtschaft in internationalen Rankings als besonders nachhaltig, ökologisch und zukunftsweisend beurteilt wird. Die Prämien sind somit alles andere als ein Geschenk, sondern gelten lediglich den höheren Aufwand und entgangenen Erlös ab. Beispielsweise führen Betriebe speziell biodiversitätsfördernde Maßnahmen durch, legen Blühstreifen an, verzichten auf Ertrag und werden dafür entschädigt. Wenn wir uns trotzdem immer und immer wieder für diese Gelder rechtfertigen müssen, ärgert uns das massiv und kratzt an der bäuerlichen Motivation. Wir erbringen Leistungen für die Gesellschaft und dafür gibt es Ausgleichszahlungen. Ohne diese wären Umwelt-, Boden- und Wasserschutz oder auch Biodiversitäts- und Tierwohlmaßnahmen nicht im derzeitigen Umfang möglich.
Moosbrugger: Prämien sind wichtig, aber was die Bäuer:innen wirklich anstreben, sind kostendeckende Preise für ihre Produkte, auf die sie zu Recht stolz sind. Leider unterscheidet der Markt oft nicht, unter welchen Bedingungen und zu welchen Kosten ein Produkt erzeugt wurde. Im Regal schaut auf den ersten Blick vieles gleich aus, auch wenn die Entstehungsweise Welten unterscheiden. Die internationalen Preise reichen oft nicht aus, um den Aufwand abzudecken und für zufriedenstellende Einkommen bzw. ein Fortbestehen unserer Höfe zu sorgen. Das ist einer der Gründe, warum wir als Landwirtschaft internationale Handelsabkommen wie Mercosur entschieden ablehnen. Agrarrohstoffe und Lebensmittel, die zu vollkommen unterschiedlichen Produktions-, Qualitäts-, Umwelt- und Sozialstandards erzeugt worden sind, treffen am EU-Markt aufeinander, ohne dass all das für die Konsument:innen ersichtlich ist. Klar ist aber: Diese Billigimporte gefährden nicht nur das Klima und andere Lebensgrundlagen in den Entstehungsregionen, sondern auch unsere eigenen europäischen und nationalen Standards. Das wiederum schadet unseren bäuerlichen Betrieben und somit unserer Eigenversorgung. Die massive Abhängigkeit Europas und Österreichs, die sich bei Gas und Energie eingeschlichen hat, sollte sich bei Lebensmitteln nicht wiederholen. Daher brauchen wir Transparenz und Fairness auf den Märkten. Herkunftskennzeichnung, AMA-Gütesiegel, Biosiegel und Ähnliches sind notwendig, um den Menschen Orientierung und Wahlmöglichkeit zu geben.
PRODUKT: Effektive Landwirtschaft mit maximaler Ausnutzung der Fläche vs. kleinstrukturierter (Bio-) Landwirtschaft – wie sollte, Ihrer Meinung nach, die Zukunft für Österreich aussehen?
Moosbrugger: Es ist eine Tatsache, dass sich Europa und Österreich nicht zu 100% mit Rohstoffen und in manchen Regionen auch nicht mit Lebensmitteln versorgen können. Das wird sich durch die Klimaverschlechterung noch verschärfen. Daher sind effiziente Flächennutzung und Tierhaltung, die bei uns vor allem grünlandbasiert stattfindet, im Sinne der Eigenversorgung weiterhin notwendig und werden an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig haben wir mit dem bereits erwähnten Agrarumweltprogramm, dem EU-weit höchsten Bio-Anteil und einer flächengebundenen Tierhaltung, also dass auf einer bestimmten Fläche nur eine gewisse Tieranzahl gehalten werden darf, eine sehr nachhaltige, umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft. Viele andere EU-Länder müssen hier nachziehen. Wie in allen Bereichen der Wirtschaft ist auch die Landwirtschaft gefordert den Ressourceneinsatz zu optimieren. Das bedeutet, dass mit möglichst wenig Input ein möglichst guter Output erreicht werden soll. Nachhaltige Effizienz, das heißt Qualitätsproduktion ohne Überforderung von Natur und Tieren, ist eines unserer Hauptziele für alle landwirtschaftlichen Produktionsbereiche. Die Digitalisierung etwa kann uns hierbei gute Dienste leisten. Wir haben beispielsweise einen LK-Warndienst, der anhand von Wetter- und Beobachtungsdaten für viele verschiedene Schaderreger, Kulturen und Regionen Beratungsempfehlungen gibt, um Betriebsmittel punktgenau und sparsam einsetzen zu können. Das dient Umwelt und bäuerlichem Budget gleichermaßen.
PRODUKT: Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel sorgt nicht nur für Jubel bei den Herstellern – welche positiven Auswirkungen hat sie jedoch für die heimische Landwirtschaft?
Moosbrugger: Ich bin überzeugt, dass die positiven Auswirkungen weit über die Landwirtschaft hinaus gehen. Oder anders formuliert: Der österreichische Tourismus hat eine Reihe von Besonderheiten, mit denen er bei Gästen im In- und Ausland massiv punktet und die einen Aufenthalt in der Alpenrepublik so attraktiv machen. Und dazu zählen Kultur, Kulinarik, Gastfreundschaft und unsere herrliche, vielfältige und gepflegte Landschaft. Das österreichische Image setzt sich aus Professionalität und Originalität zusammen. Warum soll die gut ersichtliche Herkunft der Lebensmittel, die so eng mit diesem positiven Lebensgefühl verknüpft ist, nicht dazu gehören? Gleichzeitig ist die Herkunftsangabe für eine echte Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsument:innen entscheidend. Und wir haben etwa bei Eiern und Hühnerfleisch vorgemacht, dass wir imstande sind, die Eigenversorgung zu sichern, wenn entsprechende Nachfrage nach Regionalem besteht. Ich bin überzeugt, auch die vor- und nachgelagerte Industrie kann davon profitieren.
PRODUKT: Danke für das Gespräch!