Geht es um den globalen Fleischkonsum und seine Auswirkung auf das Klima, sind sich Expert:innen einig: Um eine steigende Weltbevölkerung ausreichend und klimaschonend zu ernähren, muss der Fleischkonsum drastisch reduziert werden. Der Grund dafür ist, ganz einfach ausgedrückt, dass die Produktion von Fleisch und Fleischprodukten wesentlich mehr Ressourcen verbraucht als jene pflanzlicher Nahrungsmittel. In der Planetary Health Diet, die auf Basis wissenschaftlicher Daten erstellt wurde, heißt es daher: „Damit die Belastungs-Grenzen des Planeten eingehalten werden, müsste der Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt werden, der Verzehr von Fleisch und Zucker dagegen halbiert.“ Eine Feststellung, die eine Ernährungskultur wie die österreichische natürlich hart trifft, denn sowohl die Endverbraucher:innen als auch die Wirtschaft sind auf einen durchschnittlichen Fleischkonsum von knapp 59kg pro Kopf und Jahr eingestellt. Aber: Die Pro-Kopf-Verbrauch-Kurve zeigt bereits eine deutliche Entwicklung nach unten: 2019 lag der Konsum noch bei 63,6kg (Statistik Austria/AMA Info).
Bereit.
Wir sind also mittendrin in einem Ernährungswandel, der insbesondere die Fleischbranche trifft. Die wiederum steht schon längst in den Startlöchern, um Fleischprodukte zu präsentieren, die eben besser fürs Klima sind. Zudem plädieren die Hersteller – wohl nicht zu Unrecht – für eine differenzierte Diskussion, die die heimischen Besonderheiten und Anstrengungen in Sachen Nutztierhaltung und Fleischwarenproduktion berücksichtigen. Karl Christian Handl, GF Handl Tyrol, geht etwa davon aus, dass künftig weniger Fleisch, aber mit höherer Qualität und nachhaltiger produziert konsumiert wird. Was er für sein Unternehmen und die Branche als Auftrag sieht. Handl: „Die Forderung nach nachhaltig produziertem Fleisch ist absolut nachvollziehbar und der nächste logische Schritt bei der Weiterentwicklung der Fleischbranche. Die Argumentation, dass Fleisch per se nicht nachhaltig ist, halten wir für zu kurz gedacht. Fleisch und Nachhaltigkeit ist kein Widerspruch und bietet die Chance für neues Denken und Handeln.“
Futter.
Der größte Hebel in Sachen Klimaschutz bei Fleischprodukten sind die Scope 3 CO2-Emissionen, also jener Carbon Footprint, den etwa unterschiedliche Futtermittel in der Mast verursachen. Handl: „Allein regional angebautes Soja kann wesentlich zur Reduktion von CO2-Emissionen beitragen. Wie auch Projekte und Studien mit der Boku zeigen, sind hier 40 bis 50% Reduktion pro kg möglich.“ Über den Projekt-Status längst hinaus ist man bei Berger Schinken. Für das Klimaschutzprogramm „Regional-Optimal“ produziert man bereits seit 11 Jahren nach nachhaltigen Prämissen. Dafür werden ausschließlich in Österreich geborene und hier gemästete Schweine akzeptiert, die bei mehr als 40 regionalen Landwirt:innen im Umkreis von maximal 50km rund um den Produktionsstandort aufwachsen. Das Futter stammt aus dem Eigenanbau bzw. aus dem nahen Donauraum – was sich natürlich auf die Kosten auswirkt. Die Mastbetriebe erhalten daher einen Aufschlag von zumindest 8 bis 10 Cent pro Kilogramm. GF Rudolf Berger: „Die höheren Ausgaben für das Futter dürfen nicht an den Bäuer:innen hängen bleiben und werden daher zusätzlich abgegolten.“ Das Berger Klimaschutzprogramm ist übrigens auch wissenschaftlich überprüft worden: FiBl Österreich hat bestätigt, dass bei den „Regional-Optimal“-Produkten im Vergleich mit herkömmlichen Angeboten 45% an klimaschädlichen Gasen eingespart werden. Auch das Vorzeigeprojekt „hütthalers Hofkultur“ setzt auf strenge Richtlinien beim Futter. Florian Hütthaler, GF Hütthaler: „Dank unserem Tierwohlprojekt ‚hütthalers Hofkultur‘ konnten wir schon allein durch die nachhaltige Tierhaltung mit beispielsweise hofeigenem Futter den CO2-Ausstoß um über 35% senken.“ Regionale Futtermittel, bei denen sozusagen die Reisekosten bei der Klimarechnung wegfallen, sind also schon mal eine wichtige Stellschraube. Hermann Neuburger, GF Neuburger, weist außerdem darauf hin: „Der Verzicht auf Futtermittel aus Übersee verbessert die Situation – auch deswegen, weil es dann vielleicht nicht mehr rentabel wäre, Regenwaldgebiete für den Anbau von Soja zu roden.“
Energie.
Wie die gesamte Lebensmittel-Industrie sind natürlich auch die fleischverarbeitenden Betriebe aufgefordert, das Energie-Management ihrer Standorte zu optimieren. Und dieses Thema begleitet sie nicht erst seit gestern. Johann Pichler, GF Verkauf bei Radatz: „Energiemanagement und Effizienzsteigerung sowie die Maximierung der Ausfallsicherheit der Anlagen hatten schon immer größten Stellenwert. Umbauten, Neuanschaffungen und Prozessoptimierungen werden seit jeher unter den Gesichtspunkten der Ressourcenschonung und Energiereduktion getätigt.“ Und diese Aktivitäten werden auch in jährlichen ISO-Audits im Detail überprüft und bewertet. Pichler: „Seit Beginn der Auditierung zeigt sich hier jährlich eine positive Entwicklung beider Betriebsanlagen.“ Ähnliches erzählen die allermeisten aus der Branche, so auch Thomas Schmiedbauer, GF Wiesbauer: „Nicht ohne Grund ist Wiesbauer Partner von klimaaktiv und OekoBusiness Wien. Unter anderem forcieren wir in allen Produktionsbetrieben die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen und haben die Photovoltaikanlagen weiter ausgebaut.“
Verpackung.
Der Absatz über die SB-Regale des Handels wird immer beliebter. Damit kommt den Verpackungen von Fleisch- und Wurstwaren eine immer größere Bedeutung zu. Sie möglichst sparsam einzusetzen und kreislauffähig zu gestalten ist das Gebot der Stunde. Florian Hütthaler etwa erzählt: „Wir reduzieren bereits seit Jahren unsere Folienstärken und konnten so bereits Tonnen an Plastikmüll einsparen. Recyclingfähige Folien sind schon lange kein Fremdwort in unserem Betrieb, ebenso werden hierzu immer wieder Marktinnovationen getestet. Somit stehen wir auch in enger Zusammenarbeit mit unseren Folienlieferanten, um hier stets am Puls der Zeit zu sein.“ Innovationen betreffen hier oft auch das Design der Schalen. So etwa bei Wiesbauer, wo nun zusätzlich zu den Schinken-Spezialitäten auch die neue „Original Wiesbauers Feinste“ in einer nachhaltigeren Verpackung gelauncht wird. Schmiedbauer: „Die neue schlanke 80g-Packung spart durch die spezielle Schalengeometrie bis zu 30% Kunststoff ein und schont die Umwelt. Gleichzeitig enthalten die Schalen einen rPET-Anteil von bis zu 80%.“ Bei Handl Tyrol konnte man mit ähnlichen Maßnahmen in den letzten Jahren bereits eine Kunststoff-Reduktion von über 20% erreichen. Handl: „Wir werden konsequent an der Plastikreduktion weiterarbeiten.“
Wen interessiert’s?
Regionale Futtermittel, energieeffiziente Anlagen und Umstellungen in der Verpackung – Klimaschutz braucht Investitionen. Geld, das nur dann wieder reinkommt, wenn auch die Verbraucher:innen bereit sind, die Aktivitäten mitzutragen. Die Meinungen dazu sind in der Branche recht einheitlich. Thomas Schmiedbauer drückt es so aus: „Die Konsument:innen werden vielleicht bevorzugt klimafreundliche Produkte kaufen, aber ich glaube nicht, dass sie bereit sind, dafür mehr zu bezahlen.“ Und auch bei Berger sieht man es ähnlich. Rudolf Berger: „Wir hoffen sehr, dass die derzeitige Kaufzurückhaltung bei hochwertigen Produkten, die oftmals auch deutlich klimafreundlicher sind, den eingeschränkten Haushaltsbudgets zuzuschreiben ist und sich das Blatt wieder wendet, sobald die Teuerung zurückgeht.“