Kein Sprint, ein Marathon

Moritz Lehmkuhl, Gründer und CEO von ClimatePartner, begleitet bereits mehr als 6.000 Unternehmen bzw. Klienten auf ihrem Weg zu mehr Klimaschutz.

ClimatePartner unterstützt Unternehmen auf ihrer „Climate Action Journey“. Moritz Lehmkuhl, Gründer und CEO, erzählt im Interview, warum diese Klimaschutz-reise kein Wochenend-Trip, sondern ein immer wieder neu zu planender langfristiger Weg ist.

Kategorie: Stories
PRODUKT: Kurz erklärt: Was kann ClimatePartner für die FMCG-Branche tun?
Lehmkuhl:
ClimatePartner unterstützt seine Kund:innen bei ihrer „Climate Action Journey“ – diese besteht aus fünf Schritten: der Berechnung des Carbon Footprints für Unternehmen oder ihre Produkte, der Erarbeitung von langfristigen Reduktionszielen, dem Umsetzen von Reduktionsmaßnahmen, der finanziellen Unterstützung von zertifizierten Klimaschutzprojekten und der transparenten Kommunikation darüber. Unternehmen, die alle fünf Schritte durchlaufen, können ihr Engagement durch das Label „ClimatePartner-zertifiziert“ zeigen: Bei diesem fünfstufigen Ansatz ist es uns vor allem wichtig, dass der Klimaschutz nicht als Einzelmaßnahme gesehen wird, sondern langfristig in die Unternehmensstrategie überführt wird.

PRODUKT: ClimatePartner hilft Unternehmen dabei, ihren CO2-Footprint zu reduzieren – was sind erfahrungsgemäß die wichtigsten Stellschrauben bei Lebensmittelherstellern?
Lehmkuhl:
Unsere Erfahrung zeigt, dass es insbesondere vier große Bereiche gibt, bei denen Lebensmittelhersteller großes Einsparpotenzial haben. Zum ersten: die Umstellung auf emissionsärmere Rezepturen. Besonders im Bereich tierische Lebensmittel kann hier die Umstellung auf alternative Inhaltsstoffe viel bewirken. Dann die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen für den Strom- und Wärmeverbrauch in der Produktion, Kühlung und Lagerung. Punkt 3 ist Regionalität, denn die Beschaffung regionaler Rohstoffe birgt oft hohe Einsparpotenziale, da sich die Transportwege stark verringern. Und letztlich die Verwendung nachhaltiger Verpackungsmaterialien und die Optimierung des Verpackungsdesigns.

PRODUKT: Unterscheiden sich diese vom Nonfood-Bereich (Kosmetik, Waschmittel etc.)?
Lehmkuhl:
In anderen Branche, wie bspw. bei Kosmetika oder Waschmittel, ist es unserer Erfahrung nach schwieriger, Rezepturen anzupassen.

PRODUKT: Reduktion der CO2-Emissionen ist das Mittel der Wahl auf dem Weg zur Klimaneutralität, aber selten lassen sich sämtliche Emissionen vermeiden. Wo sind den Unternehmen im Normalfall Grenzen gesetzt?
Lehmkuhl:
Auch wenn heute noch nicht sämtliche Emissionen reduziert werden können, kann und muss dieser Anteil immer weiter steigen. Klimaschutz ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Die Grenzen, an die Unternehmen stoßen, sind vielfältig. Im Bereich der landwirtschaftlichen Emissionen ergeben sich eingeschränkte Reduktionsmöglichkeiten beispielsweise aus Gärungs- und Verdauungsprozessen von Tieren. Im Bereich Transport und Logistik sind es komplexe Lieferketten und kurze Zeitfenster aufgrund von Verderblichkeit der Waren. Zum Teil setzen auch rechtliche Anforderungen für Lebensmittelverpackungen, beispielsweise die sogenannte „Lebensmittelechtheit“, Grenzen. Die Änderung der Verpackungszusammensetzung und der Anteil an Rezyklat wird durch die Gesetzgebung eingeschränkt. Hinzu kommen noch saisonale Schwankungen in der Verfügbarkeit von Rohmaterialien – dies kann eine langfristige und planbare Umstellung erschweren. Die Investition in zertifizierte Klimaschutzprojekte ist heutzutage, wo es kaum ein Produkt gibt, welches ohne den Ausstoß von Emissionen produziert werden kann, daher ein wichtiges zusätzliches Element, da dadurch bspw. dazu beigetragen wird, wichtige CO2-Speicher unserer Erde zu erhalten und die enorme Finanzierungslücke im Klimaschutz zu schließen.

PRODUKT: Wenn die tatsächlichen Emissionen im Unternehmen also nicht weiter reduziert werden können, macht es überhaupt Sinn, zertifizierte Klimaschutz-Projekte zu unterstützen?
Lehmkuhl:
Ja! Zu Beginn steht das Ziel, die eigenen Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren. Anschließend leisten Klimaschutzprojekte einen weiteren wichtigen Beitrag, um die notwendige Geschwindigkeit der CO2-Einsparungen zu erreichen, indem sie zur Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre beitragen. Dabei gibt es verschiedene Arten von Klimaschutzprojekten. Zum einen gibt es Projekte, die Treib­hausgasemissionen verringern, beispielsweise durch den Einsatz von energieeffizienteren Geräten für den Haushalt oder durch den Aufbau erneuerbarer Energieprojekte. Des Weiteren gibt es Projekte, die Emissionen in natürlichen Senken auffangen. Beispiele hierfür sind Waldschutzprojekte, auch REDD+ Projekte genannt. Außerdem gibt es Projekte, die freigesetzte Treibhausgase direkt aus der Atmosphäre entfernen. Dies kann zum einen naturbasiert durch Aufforstung, Wiederaufforstung oder Rekultivierung geschehen oder zum anderen mit Hilfe technologiebasierter Lösungen wie der direkten Abschneidung und Speicherung von Kohlenstoff in der Luft (DACCS). Für den Schutz unseres Klimas sind wir noch immer auf das freiwillige Engagement von Unternehmen angewiesen. Selbst im Rahmen des Pariser Abkommens wurden nun erstmalig auch nicht-staatliche Akteure dazu aufgerufen, sich an der internationalen Klimafinanzierung zu beteiligen, um das 1,5°-Ziel überhaupt erreichen zu können. Das freiwillige Handeln im Klimaschutz von Unternehmen ist also unerlässlich.

PRODUKT: Ausgleichszahlungen stehen aber dennoch häufig in der Kritik – Ihre Meinung dazu?
Lehmkuhl:
Wie bereits beschrieben, soll und muss beides bei der Klimaschutzstrategie eines Unternehmens Hand in Hand gehen: Zuerst steht die Reduktion der Emissionen, anschließend die Finanzierung und damit Unterstützung von Klimaschutzprojekten. Nur durch diese Kombination erreichen wir die notwendige Geschwindigkeit im Klimaschutz. Die meisten Klimaschutzprojekte können übrigens überhaupt erst durch die finanzielle Unterstützung realisiert werden und haben zudem immer auch zusätzliche Nutzen vor Ort, indem sie die SDGs, die Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, unterstützen.

PRODUKT: Wie werden die von Ihnen empfohlenen Klimaschutzprojekte ausgewählt, welchen Kriterien müssen sie entsprechen?
Lehmkuhl:
ClimatePartner ist Mitglied der International Carbon Reduction & Offset Accreditation (ICROA), einem freiwilligen Zusammenschluss von Expert:innen und Unternehmen, die sich verpflichten, nur Projekte mit vertrauenswürdigen Standards aufzunehmen. Dementsprechend nimmt ClimatePartner nur Projekte in sein Portfolio auf, die nach international anerkannten Standards wie dem VCS oder Gold Standard registriert sind.

PRODUKT: Ein Blick in die Zukunft: Wie wichtig wird es für Unternehmen in absehbarer Zukunft sein, den Verbraucher:innen mit einem Zertifikat zu kommunizieren, dass sie klimafreundlich agieren?
Lehmkuhl:
Im gesamten Markt tut sich gerade einiges – auch mit Blick auf die anstehenden Regulierungen durch die EU zur Nutzung von Umweltlabeln. Auch ClimatePartner spricht sich für eine Regulierung aus, da wir uns mehr Einheitlichkeit und Rechtssicherheit am Markt wünschen. Wir sind aber der Meinung, dass dies mit Augenmaß passieren sollte. Eine Regulierung darf nicht dazu führen, dass sich Unternehmen aus ihrem freiwilligen Klimaschutzengagement zurückziehen. Wir brauchen noch mehr Geschwindigkeit und damit auch sichtbare Impulsgeber, um gegen den Klimawandel voranzukommen. Der freiwillige Markt spielt hier eine entscheidende Rolle. Entsprechend haben wir bereits im April dieses Jahres unser neues Label „ClimatePartner-zertifiziert“ gelauncht, das zentralen Anforderungen der EU-Regulierung gerecht wird. Da alle Informationen dazu detailliert aufbereitet werden und leicht abrufbar sind, hilft es Verbraucher:innen dabei, bewusste Entscheidungen zu treffen. Zusätzlich bieten wir das Label „Finanzieller Klimabeitrag“ für jene Unternehmen an, die in ihrer Klimaschutzstrategie aktuell noch nicht so weit sind, deren Engagement aber trotzdem dringend benötigt wird.

PRODUKT: Danke für das Gespräch!