Knistern im Gemelk?

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Wenn auch klassische Molkereien plötzlich auf pflanzliche Alternativen setzen, dann ist das ein eindeutiges Indiz für großes Marktpotential. Wir haben uns angesehen, was diese Kategorie so spannend macht.

Kategorie: Stories

Man erinnere sich: Soja, das war mal vor einigen Jahren eine Möglichkeit, der Randzielgruppe der Veganer Produkte anzubieten, die entfernt an Milchprodukte erinnert haben. So lang ist das noch gar nicht her. Und doch hat hier ein wirklich umfassender Wandel stattgefunden. Sich zumindest zwischendurch (Stichwort Flexitarier) mal pflanzlich zu ernähren, ist heute keine belächelte Ausnahme, sondern gilt als Lifestyle. Und während die Sojapuddings früher meist im Reformregal nur von jenen gekauft wurden, die wirklich danach suchten, haben pflanzliche Drinks & Co. längst das Kühlregal erobert. Dass der Handel diesen teuren Regalplatz recht willig auch den „Alternativen“ überlässt, liegt schlicht am großen Potential des Segments. Dass selbst die traditionell Kuh-,Schaf- und Ziegenmilch verarbeitenden Molkereien nun das Feld der pflanzlichen Produkte beackern wollen, ist ein weiteres eindeutiges Indiz, das man so bereits aus dem Fleischbereich kennt, wo seit einigen Jahren auch große Namen der Branche Fleischersatzprodukte offerieren. Bei den Molkereiprodukten nimmt diese Entwicklung gerade erst Fahrt auf. So lancierte die Berglandmilch kürzlich die Linie der „Schärdinger 100% Pflanzlich Drinks“ in den Sorten „Dinkel“ und „Hafer“, hergestellt aus heimischem Getreide, abgefüllt in Mehrwegflaschen. Und die NÖM bietet eines ihrer Top-Produkte – den „nöm Kakao“ – ab sofort ebenfalls auch in einer „100% Pflanzlich“-Version an. Danone (in dessen Besitz ja seit rund vier Jahren auch „alpro“ ist) hat das Portfolio unter der Marke „Activia“ ebenfalls bereits letztes Jahr um die Subline „Activia 100% Pflanzlich“ erweitert. Von zahlreichen generell rein pflanzlichen Marken-News mal ganz abgesehen. Hier tut sich also einiges.

Nebenrolle?
Doch was genau hat diesen Bereich in Bewegung gebracht? Die Rolle der Alternativen hat sich gewandelt. Pflanzliche Drinks & Co haben ihre Nische verlassen, Zielgruppe und Verwendungsanlässe sind deutlich umfangreicher als bisher. „Früher haben Verbraucher eher aus Krankheitsgründen, wie z.B. einer Laktoseintoleranz, zu pflanzlichen Produkten gegriffen. Heute geht es jedoch viel mehr um Geschmack, Vielfalt und Lifestyle“, erläutert Tony Lorman, Managing Director DACH bei Alpro – jenem Unternehmen, das vor 40 Jahren mit der Herstellung von Sojaprodukten begann und somit ganz klar als einer der Pioniere dieses Bereichs gilt. Auch bei Danone bestätigt man eine deutlich breiter gewordene Käuferschicht. Head of Marketing Cathrin Topp: „Im Segment der pflanzlichen Milch-Alternativen konnte Danone innerhalb des letzten Jahres einen Zuwachs in der Altersgruppe der 50- bis 63-Jährigen vermerken. Wir beobachten außerdem ein deutliches Wachstum bei Familien, die mit Jugendlichen in einem Haushalt leben.“ Und auch bei der Uplegger Food Company ist man überzeugt, dass Pflanzliches heute aus anderen Gründen im Einkaufswagerl landet als früher: „Pflanzliche Alternativen werden nicht mehr primär aus funktionalen Gründen gekauft, sondern sprechen eine moderne und damit deutlich größere Zielgruppe an, die sich einfach ausgewogener ernähren möchte“, so Ulrich Strünck, Supplier Management bei der Uplegger Food Company.
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Wächst.
Diese Entwicklung ist natürlich längst auch an den Verkaufszahlen ablesbar: „Das Wachstum der pflanzlichen Drinks und Milchalternativen hat sich zwischen 2014 und 2018 fast verdoppelt“, berichtet Tony Lorman, Alpro, aus dem Nielsen-Universum und ergänzt: „2020 lässt sich bisher ein Wachstum von 34,8% feststellen, wobei ‚alpro‘ mit einem Anteil von 36,4% hier Marktführer ist.“ Die Kategorie stand (exkl. Rahm, Crème fraîche, Topfen) zuletzt bereits für einen Umsatz von 60,2 Mio. € (Nielsen Market Track, LH inkl. H/L, MAT KW 40/2020). Die Zuwächse haben dabei mehrere Ursachen. Cathrin Topp, Danone: „Einerseits greifen immer mehr österreichische Haushalte zu pflanzlichen Milchalternativen, konkret waren dies im September bereits 36,5%. Zugleich ist aber auch die Intensität, also das Volumen pro Käufer pro Jahr, gewachsen – und das bei zugleich steigender Frequenz.“
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Zu billig? Zu teuer?
Auffallend ist, dass die pflanzlichen Produkte preislich doch oft ein ordentliches Stück über den tierischen Milchprodukten liegen. Eine Tatsache, die laut den Herstellern auf mehreren Faktoren beruht. „Einer der wichtigsten Gründe ist schlicht und einfach der, dass die Produktionsmengen im Vergleich zu Kuhmilch (noch) viel geringer sind“, so Helge Weitz, GF Oatly Germany GmbH. Er ergänzt aber auch noch das Überangebot an Milch, das den Preis drückt sowie die unterschiedliche Besteuerung – 10% Mehrwertsteuer sind es bei Kuhmilch, 20% bei den pflanzlichen Alternativen. Von Unmilk erfährt man Ähnliches: „Neben Subventionen und steuerlichen Vorteilen von Milchprodukten ist der Preisunterschied den teureren Rohstoffen geschuldet und somit aktuell noch notwendig“, so Jennifer Schäfer, Gründerin und Geschäftsführerin von Unmilk. Sie fügt jedoch hinzu: „Mit steigendem Absatz und Nachfrage wird sich diese Schere aber verkleinern.“
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News.
Vergrößert hat sich jedenfalls die Produktvielfalt, die dem Handel zur Verfügung steht. Neben den eingangs erwähnten News von „Schärdinger“, „nöm“ und „Activia“ hat heuer auch Alpro neue pflanzliche Soja-Joghurtalternativen im Skyr-Style auf den Markt gebracht. Upfield lanciert dieser Tage „Rama zum Aufschlagen“ sowie „Rama zum Kochen“, die beide als „100% Pflanzlich“ ausgelobt werden. Unter der Marke „Unmilk“ wurden im September Protein-Drinks auf Hafer- und Erbsenbasis lanciert. Uplegger Food hat nicht nur bei der Marke „The Coconut Collaborative“ von einem 120g- auf einen 350g-Becher umgestellt, sondern das Portfolio auch um die Marke „Friendly Viking´s“ ergänzt, die für Joghurtalternativen auf Haferbasis steht. Und Oatly hat neben vier Drink-Varianten neuerdings auch pflanzliche Aufstriche im Portfolio. Die nächsten Launches scharren bereits in den Startlöchern: So hat etwa Innocent (bisheriges Angebot: „Haselnuss & Reis“- sowie „Kokosnuss & Reis“-Drinks) weitere neue Produkte angekündigt.
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Wie geht´s weiter?
Bleibt die Frage nach dem Einfluss der Alternativen auf den Markt der klassischen Milchprodukte. Noch ist der Anteil pflanzlicher Produkte freilich vergleichsweise klein: „Wir sprechen von einem Marktanteil von rund 4% innerhalb der Milch- und Milchersatzprodukte“, erklärt NÖM-Marketingleiterin Veronika Breyer, fügt aber hinzu: „Der Markt wächst jedoch rasant.“ „Natürlich kann es zu Kannibalisierungs-Effekten im Bereich der klassischen Milchprodukte kommen“, meint Cathrin Topp von Danone, wo ja bekanntlich beide Bereiche bedient werden. „Wie stark sich diese aber auswirken werden, ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu antizipieren.“ Dietmar Wamser, Country Manager Alps, Innocent, fasst zusammen, wovon die meisten überzeugt sind: „Der Trend hin zu Milchalternativen wird langfristig bestehen bleiben.“
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