Langfristiges Bekenntnis

Gerald Hackl, Vorstandsvorsitzender der Vivatis Holding AG.

Die Vivatis-Gruppe fungiert als wichtiger Partner der österreichischen Landwirtschaft – und beeinflusst damit auch, wie und was in unseren Ställen und Feldern produziert wird. Gerald Hackl, seit rund 10 Jahren Vorstandsvorsitzender der AG, sprach mit uns über die Herausforderungen und Bedeutung heimischer Rohstoffe.

Kategorie: Stories
PRODUKT: Die ersten Sätze auf der Vivatis-Website lauten: „Wir sind eines der größten rein österreichischen Unternehmen der Nahrungs- und Genussmittelbranche. Als wichtiger Partner der österreichischen Landwirte verarbeiten und veredeln wir hochwertige Rohstoffe unserer Heimat.“ Bitte führen Sie aus, was das im Detail bedeutet!
Hackl:
Die Unternehmen der Vivatis-Gruppe verarbeiten und veredeln jährlich deutlich über 100.000 Tonnen österreichische Rohstoffe zu den über die Grenzen Österreichs hinaus bekannten Produkten. Damit setzen wir, als einer der größten Lebensmittelkonzerne des Landes, ein wichtiges Zeichen – und das nicht erst seit der Krise. Denn das Bekenntnis zum Standort Österreich ist kein kurzfristiges, sondern vielmehr eine strategische Grundsatzentscheidung, die uns seit vielen Jahren ausmacht. Regionalität und eine gute und faire Partnerschaft zur österreichischen Landwirtschaft spielen bei uns eine übergeordnete Rolle. Mit den in Österreich ansässigen Standorten und Produktionen sowie beschäftigten Arbeitskräften leisten wir einen bedeutenden Beitrag zur österreichischen Wertschöpfung. Wir sind ein verlässlicher und fairer Partner – das schätzen unsere Kunden und Lieferanten, genauso wie unsere Qualitätsprodukte „Made in Austria“. Ein Vorzeigebeispiel für die gute Zusammenarbeit mit der österreichischen Landwirtschaft ist die Kooperation unseres Tochterunternehmens Karnerta mit der Genossenschaft Kärntner Fleisch, einem bäuerlichen Unternehmen mit rund 4.000 Mitgliedsbetrieben. Tragende Säulen der Zusammenarbeit mit Karnerta sind regionale Rohstoffe, Transparenz (lückenlose Nachvollziehbarkeit vom Teller zurück zum Bäuer:in), das „Nose-to-Tail-Prinzip“ sowie Tierwohl und Nachhaltigkeit. Die Kooperation stärkt die Kärntner-Bauernschaft und schafft Sicherheit, Stabilität und Planbarkeit in einem insbesonders durch wachsenden internationalen Konkurrenz- und Preisdruck geprägten Marktumfeld. Die Zusammenarbeit ist eine Win-Win-Situation für beide Partner. 

PRODUKT: In dieser Position haben Sie natürlich einen sehr guten Einblick in die Stärken und Schwächen der österreichischen Landwirtschaft – bitte erzählen Sie!
Hackl:
Die österreichische Landwirtschaft verbinde ich mit hoher Qualität, Innovation, Top-Produkten, einem hohen Bioanteil und enormer Vielfalt. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft hat ein positives Image und genießt großes Vertrauen seitens der Konsument:innen. Die junge Generation, die kreativen Nachkommen, überzeugen mit neuen Denkansätzen und einem Gespür für Trends. Österreichs Landwirtschaft wird fast ausschließlich von Familienbetrieben bewirtschaftet. Diese sind aufgrund der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und Produktionsgebiete bzw. -schwerpunkte vielfältig in Größe und Ausrichtung. Und genau diese Vielfalt macht die österreichische Agrarstruktur so besonders und wertvoll. Die heimischen Bäuer:innen leisten einen sehr wertvollen Beitrag – auch in Sachen nachhaltiger Bewirtschaftung. Dabei geht es nicht nur um die Produktion, sondern auch um Leistungen für die Umwelt und die Gesellschaft wie gepflegte Landschaftsbilder oder Naturschutz. Die Land- und Forstwirtschaft ist auch ein sehr wesentlicher Teil der Problemlösung beim Klimawandel.

PRODUKT: Und die Herausforderungen?
Hackl:
Leider wird die österreichische Landwirtschaft oftmals unter Wert geschlagen. Was zählt ist – wie so oft – nur der Preis. Hier wurden die Konsument:innen völlig falsch erzogen. Zudem sind die Bedingungen für die österreichischen Bäuer:innen nicht immer einfach – viel Bürokratie, hohe Lohn- und Nebenkosten und auch oft hinsichtlich Topografie. Generell ist mehr Bewusstsein für die Landwirtschaft als auch für die Lebensmittelproduktion ganz generell notwendig.

PRODUKT: Effizient wirtschaften und sourcen versus „nachhaltig“, „sozial & ethisch vertretbar“, „regional“ handeln – wo sehen Sie die wichtigsten Knackpunkte & wie kann man den Spagat schaffen?
Hackl:
Der Spagat ist definitiv der Preis. Es braucht die Bereitschaft der Konsument:innen, einen doch etwas höheren Preis für regionale und nachhaltige Produkte zu bezahlen. Daran muss man arbeiten. Insgesamt geht die Entwicklung aber in die richtige Richtung. Konsument:innen achten im Vergleich zu früher deutlich mehr auf die nähere Herkunft. Darauf muss man aufbauen und dieses Thema weiter sensibilisieren.

PRODUKT: Lebensmittel generell, aber besonders jene mit österreichischer Herkunft, sind in den letzten Monaten ja deutlich im Preis gestiegen. Waren Lebensmittel in den letzten Jahren also einfach wirklich zu billig?
Hackl:
Angesichts der großen Menge an produzierten Lebensmitteln, die jedes Jahr in der Mülltonne landen (30-40% = rd. 900.000t = 50.000 LKWs = rd. 116kg pro Person pro Jahr), stellt sich für mich natürlich die Frage, was Lebensmittel noch wert sind bzw. ob diese nicht einfach „zu billig“ waren. Fakt ist, dass die Wertschätzung für Lebensmittel bei vielen Menschen verloren gegangen ist. Zurückzuführen ist dies auf eine ständige Verfügbarkeit aller Lebensmittel zu einem relativ niedrigen Preis. Lebensmittel sind über Jahrzehnte, im Vergleich zu anderen Bereichen, immer billiger geworden. Die Ausgaben für Nahrungsmittel lagen 1950 bei 50% des Haushaltseinkommens. Aktuell sind es 10%. Ein positiver Nebeneffekt der aktuellen Preissteigerungen wäre es, wenn Lebensmittel wieder mehr an Wert gewinnen und die Konsument:innen wesentlich bewusster und bedarfsorientierter einkaufen. Hier ist noch viel Aufklärung notwendig. Bzgl. Preissteigerungen: Dort, wo es notwendig war, haben wir die Preise erhöht und werden es auch weiterhin tun. Das passiert ja alles recht zeitverzögert. Wir müssen hier sehr stark in Vorleistung gehen. Die Preise werden sich wieder einpendeln, allerdings auf einem höheren Niveau als noch vor einigen Jahren.

PRODUKT: Gibt es aktuelle Projekte, Produktlinien, Veränderungen bei Ihren Unternehmen, auf die Sie besonders stolz sind?
Hackl:
In einem Konzern unserer Größe sind natürlich enorm viele Projekte am Laufen. Maresi expandiert nach Rumänien und verstärkt auch in Tschechien mit dem Vertrieb neuer Marken seine Marktpräsenz. Die GMS Gourmet Deutschland GmbH wächst im deutschen Raum weiter. Weinbergmaier setzt mit den Marken „Toni Kaiser“ und „Bauernland“ auf Wachstum im TK-Convenience-Segment, Karnerta im Fleisch- und Teigwarenbereich und Senna bei Margarine und Feinkost. Die FW Trading GmbH mit Sitz in Klagenfurt baut den Bereich Geflügel in Österreich und Deutschland weiter aus. Das Segment Frische- und Kühl-Convenience deckt Neuzugang Wojnar’s perfekt ab, auch hier wird das Sortiment kontinuierlich um neue Rezepturen – vor allem im biologischen und veganen Bereich – erweitert. Ein weiteres wichtiges Projekt ist der Bau Österreichs größter Insektenzuchtanlage der Firma Ecofly in Andorf. Auf einer Produktionsfläche von 3.600m² sollen jährlich, auf Basis landwirtschaftlicher Nebenprodukte, 2.400t Fliegenlarven für die Futtermittelproduktion gezüchtet werden. Die Weiterverarbeitung der von Ecofly produzierten Fliegenlarven zu den Endprodukten, Insektenmehl und -fett, übernimmt die Purea Austria GmbH. Langfristig soll das Unternehmen zu einem Entwicklungszentrum für die Produktion von Insekten-Protein mit bis zu 30 Mitarbeiter:innen ausgebaut werden.

PRODUKT: Landwirtschaft bedeutet für Sie ganz persönlich:
Hackl:
Für mich ist die Landwirtschaft die grundsätzliche Basis all unserer Ernährung! Ganz speziell verbinde ich damit Kindheitserinnerungen an die schöne und aufregende Zeit am Bauernhof meiner Großeltern in Kaltenberg.

PRODUKT: Danke für das Gespräch! 

vivatis 2 neu
vivatis 3neu