Light war gestern

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Das Marktforschungs-Unternehmen GfK verspricht seinen Kund:innen auch aufgrund der langjährigen Erfahrung eine ganzheitliche Sicht auf den Handel und umfassende Erkenntnisse über Konsument:innen. Das ergänzt sich natürlich optimal mit unserem Heftthema „Voll im Trend – was kommt, was bleibt“, weshalb wir Christina Tönniges, Trendexpertin bei GfK, zum Interview gebeten haben, um zu erfahren, welche Trends langfristig relevant bleiben werden und welche bereits im Sand verlaufen sind.

Kategorie: Food, Nonfood
PRODUKT: GfK beobachtet Trends im FMCG-Bereich ja schon sehr lange. Bitte teilen Sie Ihre Langzeitperspektive mit uns: Welche Themen und Entwicklungen sind in den letzten 20 Jahren „gekommen, um zu bleiben“?
Tönniges:
Trends und Innovationen setzen nicht nur Impulse für den Konsum, sondern können das Kaufverhalten auf Dauer beeinflussen und verändern. Zudem muss man bedenken, dass gewisse Trends aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen erfolgen. Ein solcher Trend – wenn es denn noch einer ist – ist die Thematik „Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind gekommen, um zu bleiben – nur die Nuancen, wie das Thema bespielt wird, ändern sich. War es etwa noch vor ein paar Jahren der Slogan „palmölfrei“, der nicht fehlen durfte, ist jetzt „Klimaneutralität/geringer CO2-Abdruck“ wichtiger. Das Thema Verpackung rückte auch mehr in den Vordergrund.
Ein anderer Langzeittrend ist das Thema Gesundheit und damit verbunden die Ernährung. In den 70er- und 80er-Jahren war diese Thematik sehr deutlich von „light“-Produkten besetzt – eine der Pioniermarken in dieser Kategorie war „du darfst“. Hier war der schlanke und vermeintlich gesunde Körper im Vordergrund. Aber auch hier wurde das Bild in den letzten Jahren differenzierter. Ohne Zusatzstoffe, low carb, glutenfrei etc. kamen dazu. Aktuell wird die Palette rund um die „Protein“-Produkte erweitert. Hinzu kommt der Fokus auf die mentale Gesundheit. Hier hat sich die Breite an Produkten im Drogeriebereich sehr stark erweitert.

PRODUKT: Und was ist tatsächlich heute kein Thema mehr und war vor vielen Jahren nicht aus dem LEH wegzudenken?
Tönniges:
Das Thema „light“ gibt es tatsächlich so nicht mehr, das hat sich überlebt.

PRODUKT: Zurück zur Nachhaltigkeit – der CO2-Fußabdruck wird auch im täglichen Einkauf thematisiert. Welche Entwicklungen sind hier aus Ihrer Sicht für den Handel und die FMCG-Branche noch denkbar? Wie viel Potential steckt im Thema „klimaneutrale“ Produkte und Angebote?
Tönniges:
Ich denke, der Begriff „klimaneutral“ ist für manche Konsument:innen noch nicht wirklich greifbar und daher abstrakt in der Bedeutung. Hier ist es enorm wichtig in der Kommunikation offen zu sein, was das besagte Unternehmen dazu beiträgt, klimaneutral zu agieren. Mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten kann jedes Unternehmen sich Klimaneutralität „erkaufen“ – aber ob die Konsument:innen das auch so sehen und dieses Vorgehen akzeptieren, ist fraglich. Daher ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe.

PRODUKT: Vegan – was sehen Sie hier für die Zukunft – und was denken Sie, wie sich das Thema „tierische Produkte“ entwickeln wird?
Tönniges:
Es wird eher in Richtung bewusster Genuss von tierischen Produkten gehen, indem die Konsument:innen bewusst ihren Fleischkonsum reduzieren. Zwar nimmt der Anteil der Personen, die von sich aus sagen, sie ernähren sich vegetarisch oder vegan, jährlich leicht zu. Dennoch sind beide Gruppen eher noch eine kleine Konsument:innengruppe – selbst in der jungen Generation.

PRODUKT: Weniger Alkohol, weniger Zucker, ausgewogene Rezepturen – Leben wir gesünder denn je?
Tönniges:
Nein, das kann man nicht sagen, dass heutzutage gesünder gelebt wird. Wir sind doch weiterhin Genussmenschen. Sicher, das Bewusstsein für gesunde Ernährung ist gestiegen, die klassische (meist schwere) Hausmannskost wird weniger häufig gegessen. Aber dafür ist in den letzten 20 Jahren die Auswahl an Convenience-Produkten stetig gewachsen, Energy Drinks sind auch nicht mehr wegzudenken. Es stimmt, besonders die junge Generation trinkt weniger Alkohol – bevorzugt aber (zuckerhaltige) Softdrinks.

PRODUKT: Bio, regional und ethisch korrekt oder doch lieber billig? Was gewinnt an Bedeutung?
Tönniges:
Die Präferenz unterliegt Schwankungen. Regionale und Bio-Produkte sind für den Großteil der österreichischen Haushalte nicht mehr wegzudenken. Im Jahr 2020 mit dem ersten und zweiten Lockdown hat hier die Nachfrage einen besonderen Boost erfahren.  Mit dem hohen Inflationsgeschehen in den Jahren 2022 und 2023 hat dafür dann wieder die Preissensibilität zugenommen und die Mehrpreisbereitschaft für Bio-/Ökoprodukte ist rückläufig. Nichtsdestotrotz fragen die Konsument:innen nachhaltige Lösungen nach und erwarten diese auch von den Herstellern und Händlern – nur kosten darf es aktuell nichts. Das Einwegpfand z.B. ist hier eine gute Lösung: Es ist eine nachhaltige Lösung, die aus der Sicht der Konsument:innen nichts kostet.

PRODUKT: Hersteller- vs. Eigenmarken des Handels – wo geht die Reise hin? Werden wir auch in Zukunft eine lebendige Markenartikel-Industrie haben? Und wie hat das vor 20, 30 Jahren ausgesehen?
Tönniges:
Vor 20 bis 30 Jahren waren die Eigenmarken nicht so stark verbreitet und meist nur bei den Grundnahrungsmitteln bzw. bei den Discountern. Beide Markentypen haben ihre Daseinsberechtigung und es wird auch beide noch zukünftig geben. Neue Marken werden hinzukommen – Influencer Brands sind hier eine weitere Entwicklung und bereichern den Markt. Aber nur wenige dieser Influencer Brands können sich erfolgreich am Markt behaupten – der „BraTee“ ist hier ein gutes Beispiel.

PRODUKT: Online oder stationär? Kaufen wir weiterhin vor Ort ein? Oder könnte Online doch noch massiv zulegen?
Tönniges:
In Österreich wird auch in naher Zukunft ein Großteil der Umsätze stationär vollzogen. Hier unterscheiden wir uns innerhalb von Europa doch von anderen Ländern wie UK und Niederlande, wo der Online-Einkauf schon stärker in den Alltag integriert ist.

PRODUKT: Und an was haben wir jetzt vielleicht überhaupt noch nicht gedacht? Welcher Trend hat noch viel Potential?
Tönniges:
Alles rund um Usability/Convenience ist relevant. Es den Konsument:innen so einfach wie möglich machen, wird weiterhin relevant bleiben – die Pods oder Blätter im Waschmittelbereich sind hier ein sehr gutes Beispiel der letzten Jahre.

PRODUKT: Herzlichen Dank für das spannende Gespräch! 

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