Lokalaugenschein

Die Brauwirtschaft hat zwei harte Jahre hinter sich. Nun, wo die Zeichen doch zumindest in Sachen Pandemie recht stark Richtung Öffnung zeigen, ist es Zeit, Bilanz zu ziehen.

Kategorie: Stories

Jede Menge Schließzeiten in der Gastronomie und pandemiebedingt mangelnde Feierlaune haben den Bierkonsum der Österreicher:innen und somit auch die Geschäfte der Brauereien 2021 wieder maßgeblich beeinflusst, insgesamt betrachtet allerdings zum Glück bei weitem nicht mehr in dem Ausmaß wie 2020. „Der Bierkonsum hat sich stabilisiert, aber die Absatzwege haben sich verschoben“, fasst Sigi Menz, Obmann des Verbandes der Brauereien, zusammen. Tobias Frank, Geschäftsführer Technik und 1. Braumeister bei Ottakringer, erläutert die Entwicklungen am Beispiel von Ottakringers Heimatbundesland: „Die Wienerinnen und Wiener haben zwar zuhause mehr Bier getrunken, der Handel konnte das Umsatzminus aus dem Gastronomie- und Veranstaltungsbereich aber bei weitem nicht ausgleichen.“ Hinsichtlich des Inlandsabsatzes weist der Verband der Brauereien für 2021 im Vergleich zum Jahr davor ein Plus in Höhe von 1% auf 8,342 Mio. HL aus. Der Gesamtausstoß (inkl. Exporte, die sich positiv entwickelt haben) belief sich auf fast 9,9 Mio. HL, was einem Zuwachs von 3% entspricht. Dass die Situation in der Gastronomie dennoch weiterhin äußerst schwierig ist, beweisen folgende Zahlen: 2021 wurden knapp 145.000 HL weniger Fassbier verkauft als im ohnehin schon schwachen Jahr 2020, der Rückgang betrug weitere 15%. Auch Tobias Frank von Ottakringer bestätigt: „Der Gastro-Bereich ist im Vorjahr sogar noch geringfügig stärker unter Druck gewesen als im ersten Jahr der Corona-Krise. Für dieses Jahr sind wir aber nun wieder vorsichtig optimistisch.“ Rosig ist die Lage freilich noch nicht. „Die Fehlmengen in der Gastronomie bereiten uns nach wie vor Kopfzerbrechen“, konstatiert Brauereiverbands-Obmann Sigi Menz, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der generellen Preisanstiege in allen branchenrelevanten Bereichen. „Die Gesamtmengen – auch wenn sie langsam wieder wachsen – bedeuten noch nicht automatisch wirtschaftlichen Erfolg“, so Menz.

Details.
Was die Absatzmengen angeht, so bleibt wenig überraschend weiterhin das Lager- bzw. Märzenbier die beliebteste Sorte, die mit einem Zuwachs auf rund 5,8 Mio. HL letztes Jahr um 4% zugelegt und einen Marktanteil von rund 70% hat. Spezialbiere (-6%) und Pils (-5%) entwickelten sich 2021 rückläufig, ebenso wie alkoholhaltige Radler (-20%) sowie Weizenbier (-13%). Betrachtet man die Mengen hinsichtlich der Gebinde, so zeigte sich wie bereits eingangs erwähnt bei Fassbier ein erneuter Rückgang. Führend ist die 0,5L-Glasflasche mit einem Anteil von 52%, die 0,33L-Flasche machte unverändert 10% des Marktes aus. Rund 64% des im Inland verkauften Bieres wird in Mehrwegflaschen angeboten. „Wir sind stolz auf den konstant hohen Mehrweganteil – und darauf, dass seit vielen Jahren vor allem die heimische Brauwirtschaft die gesamtösterreichische Mehrwegquote bei Getränken stabil hält“, so Florian Berger, Geschäftsführer des Verbandes der Brauereien. Er kündigte im Rahmen der Verbands-Pressekonferenz Anfang März auch an, dass sich die Branche bei der Einführung des Einweg-Pfandsystems mit ihrer langjährigen Erfahrung entsprechend einbringen wird. Zudem regte er aber auch an, die Pfandhöhe auf Mehrwegflaschen preislich anzupassen.
Reduziert.
Und was wird 2022 bringen? Bei vielen offensichtlich weniger Alkohol. „Der Trend zu alkoholfreien und alkoholreduzierten Bieren hält nach wie vor an“, ist Ottakringer-GF Tobias Frank überzeugt. Passend dazu wird Ottakringer auch heuer wieder seinen Saisonradler anbieten. „Und der wird wieder besonders fruchtig“, so Frank. Leichte News gibt´s auch aus der Brau Union. „Ein ausgewogener Lebensstil mit bewusstem Alkoholkonsum wird für viele Menschen quer durch alle Altersgruppen immer wichtiger. Bei Bier greift man besonders gerne zu süffigen, gut trinkbaren und gleichzeitig auch etwas leichteren Produkten“, so Michael Wallner, Marketing Director der Brau Union Österreich, der auch gleich einen entsprechenden Launch verkündet: „Das neue ‚Gösser NaturHell 4%‘ vereint, was viele Konsument:innen sich von Bier wünschen: vollmundig, süffig und weniger herb ist es gut und leicht trinkbar mit nur 4% Alkohol.“ Die Innovation soll hierzulande ein neues Biersegment begründen, das sog. Session Lager, also Biere mit etwas weniger Alkohol, aber vollem Geschmack und bester Trinkbarkeit, hört man von der Brau Union. „Auf diese Weise wollen wir den heimischen Biermarkt nachhaltig beleben“, kündigt Klaus Schörghofer, Vorstandsvorsitzender der Brau Union Österreich, an.
Kriselt´s?
Im Umgang mit dem Wunsch der Österreicher:innen nach einem bewussten Alkoholkonsum ist man sich in der Branche, scheint´s, einig. Abgesehen davon könnte man den Eindruck gewinnen, dass derzeit nicht alles eitel Wonne ist. Die Initiative Unabhängige Privatbrauereien (siehe Kasten rechts) warnt vor einem Einheitsbier und bekam zuletzt durch die Einbringung des bislang dritten Patentantrags auf Braugerste durch die Konzerne Heineken und Carlsberg neuen Zündstoff. Bleibt zu hoffen, dass in der Branche künftig Gemeinsames wieder über dem Trennenden steht – in Zeiten wie diesen wäre dies wichtiger als je zuvor.
Initiative Unabhängiger Privatbrauereien
Im Herbst 2021 taten sich zehn österreichische Privatbrauereien zusammen und schufen das Siegel „Österreichische Privatbrauereien – 100% unabhängig“, das seitdem auf immer mehr Bieren zu finden ist. Denn die Initiative konnte mittlerweile über 20 weitere Mitgliedsbetriebe gewinnen und diese wollen den Konsument:innen mit dem Siegel auf ihren Produkten kommunizieren, so eine Pressemeldung der Initiative, dass der Griff im Bierregal auch eine Haltungsfrage sei. „Das Siegel zeichnet Biere aus, die ausschließlich von österreichischen Privatbrauereien stammen, die ohne Rücksicht auf globale Markenstrategien ihre regionalen und individuellen Brautraditionen pflegen können“, ist auf der Website der Initiative zu lesen. Die große Marktbedeutung der Brau Union kommentierte Vereinsobmann Ewald Pöschko, der zugleich Geschäftsführer der Braucommune Freistadt ist, im Herbst so: „Wenn es so weitergeht, kommen wir in eine Art Monopolsituation. Wir wollen kein Einheitsbier.“
Die Initiative der Unabhängigen Privatbrauereien warnt also vor einem drohenden Einheitsbier. Der kürzlich von Carlsberg und Heineken eingebrachte mittlerweile dritte Patentantrag auf Braugerste könnte außerdem den Zugang zu Braugerste zu leistbaren Preisen für die Mitglieder weiter erschweren, wird befürchtet. Wir haben sowohl die Initiative als auch die Brau Union um ein Statement gebeten zur Frage, wie groß die Gefahr eines Einheitsbieres wirklich ist, letztere hat uns folgendes geantwortet:

  • Über 1.000 Biersorten bestätigen die Biervielfalt mit allen Sinnen in Österreich. Das Bierland Österreich ist Vizeweltmeisterin im Bierkonsum und wird auch weiterhin die enorme Biervielfalt im Land prägen. 
  • Die Patente sind am Markt frei zugänglich, jedoch werden keine der in Diskussion stehenden Patente in Österreich eingesetzt.
  • Wir Brauer in Österreich sind im freiwillig gegründeten Braugersten Sortenkomitee seit Jahren erfolgreich tätig. Diese Abstimmungsrunde definiert die in Österreich anzubauenden Braugersten-Sorten. In diesem Komitee sind Vertreter der Saatzüchter, des Getreidehandels, der Mälzer und Brauer, von der Landwirtschaftskammer und von der AGES.
  • Der österreichische Bierkulturbericht 2019 beschreibt, wie wir Brauer den Wechsel von  Sommer- auf Winterbraugerste forcieren, um die klimatischen Bedingungen in der Zukunft zu bewältigen. Und dies wird gemeinsam mit allen Brauern festgelegt – zum Wohle aller.
bier straka