Mehr als melken

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Milch ist nicht nur ein Grundnahrungsmittel, sondern hat auch weit über den reinen Ernährungswert hinaus gehende Funktionen: Die Milchwirtschaft stellt in Österreich den bedeutendsten landwirtschaftlichen Sektor dar, ohne den unser Land ganz, ganz anders aussehen würde.

Kategorie: Stories
Im Jahr 2022 belief sich der Produktionswert im heimischen Milch-Bereich auf 1.897 Mio. € (statista.com) – mehr als in jedem anderen landwirtschaftlichen Zweig. Die grasende Kuh auf der Alm ist zugleich oft jenes Bild, für das Österreich im Ausland bekannt ist – und gerne besucht wird. Milch ist aber auch ein Thema, das bewegt: Bei Diskussionen um einen angemessenen Liter-Preis oder rund um die Nachhaltigkeit der Haltung von Kühen können die Emotionen schon mal hochgehen. Fakt ist aber: Die Erzeugung von Molkereiprodukten ist nicht nur als Wirtschaftsfaktor unverzichtbar. „Die Landwirt:innen sorgen mit ihrer täglichen Arbeit nicht nur für die Produktion des hochwertigen Lebensmittels Milch, sondern tragen mit der Bewirtschaftung von Wiesen und Almen ganz wesentlich zum Erhalt unserer Landschaft, der Artenvielfalt sowie zur Bodengesundheit bei“, erläutert Woerle-GF Gerrit Woerle und geht ins Detail: „Beispielsweise sind bewirtschaftete Flächen besser durchwurzelt und können dadurch mehr Wasser speichern. Ohne Milchbäuer:innen bzw. deren Milchkühe würde es zudem bei vielen landwirtschaftlich genutzten Flächen und dem Grünland zu einer Verwaldung kommen.“ Sprich, die so geschätzten und für den Tourismus wichtigen Almen wären verloren. Auch Kärntnermilch-GF Helmut Petschar meint: „Unsere bäuerlichen Betriebe sind nicht nur für die Milchproduktion verantwortlich, sie sind auch wichtig für ein intaktes Kulturleben, sie sind Basis für einen funktionierenden Tourismus und sie erhalten letztendlich unseren lebenswerten Zukunftsraum.“ Und er ergänzt noch einen weiteren Aspekt: „Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, wie wichtig gelebte Regionalität für uns alle ist. Es ist uns ein großes Anliegen, die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln höchster Qualität auch in den kleinstrukturierten Randregionen langfristig und nachhaltig sicherzustellen.“ Wer ins Treffen führt, dass dies doch vorrangig pflanzlich passieren sollte, dem entgegnen die Molkereien unisono, dass die Milchwirtschaft kaum in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion für den Menschen geht. Berglandmilch-Unternehmenssprecherin Anna Brandstetter: „Die Milchviehhaltung findet in Österreich traditionell im Berg- und Grünlandgebiet statt. Grünland lässt sich nur über die Mägen von Wiederkäuern zu für den Menschen verwertbaren Lebensmitteln veredeln.“
Wichtig.
Zusammengefasst: Dass in Österreich Milch, Käse, Joghurt etc. hergestellt, verkauft und verzehrt werden, ist relevant für den Tourismus, weil durch die Tierhaltung auf den Almen das typische österreichische Landschaftsbild erhalten wird, dient der Bodenverbesserung und sichert unsere Eigenversorgung mit Lebensmitteln. Allerdings: Die Zahl jener Menschen, die den harten Beruf der Landwirtin bzw. des Landwirten mit Milchkuhhaltung auf sich nehmen, geht zurück, und zwar recht deutlich. Von 2021 auf 2022 hörten 690 Milchbäuer:innen auf, 23.178 Höfe gibt es derzeit noch. Zum Vergleich: 2008 waren es noch 40.000, 1996 sogar knapp 78.000 Landwirt:innen, die Milchkühe gehalten haben (statista.com). Zwar steigt parallel auch die durchschnittlich pro Hof erzeugte Milchmenge, nichtsdestotrotz gilt es dem „Bauernsterben“ natürlich entgegenzuwirken, will man die kleinstrukturierte österreichische Landwirtschaft mit all ihren Besonderheiten erhalten. Insofern bemühen sich auch die Molkereien um ein positives Bild des Berufsstandes in der Gesellschaft sowie um Argumente, die den Beruf der Milchbäuerin bzw. des Milchbauern weiterhin attraktiv machen, denn, so Doris Ploner, GF Die Käsemacher: „Die Konsument:innen verlangen nach immer günstigeren Produkten und es fehlt an der Wertschätzung für die Arbeit der Landwirt:innen an sich. Wir als Molkereibetrieb sind daher bemüht die Herkunft und die Wichtigkeit unserer Rohstoffe für unsere Produkte in unserer Kommunikation an Kund:innen in den Vordergrund zu rücken, um so die Aufmerksamkeit auf die Relevanz der Landwirtschaft im Bereich der Milchwirtschaft zu lenken.“ Bei Rupp schlägt man in dieselbe Kerbe: „Wertschätzung entlang der ganzen Lieferkette wird bei uns großgeschrieben, denn der Käse ist nur so gut wie Mensch, Tier und Senn zusammenarbeiten“, so Christof Abbrederis, Bereichsleiter Alma. Oft sind es aber auch ganz praktische, nur vordergründig selbstverständliche Maßnahmen, die den Landwirt:innen den Alltag erleichtern sollen: „Wir holen die Milch auf den Almen und Bergbauernhöfen direkt und frisch ab“, schildert Christian Kröll, GF Erlebnissennerei Zillertal und erläutert: „Somit kommen wir den Landwirt:innen ein großes Stück entgegen, damit sie ihrer täglichen Arbeit nachgehen können und nicht auf Sammelstellen fahren müssen.“ „Speziell ausgebildete Hofberater stehen unseren Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus bieten wir durch unser hauseigenes Labor die Möglichkeit, zusätzliche Qualitätsuntersuchungen bei Bedarf jederzeit kostenlos durchzuführen“, berichtet Kärntnermilch-GF Helmut Petschar von „Goodies“ für die Kärntnermilch-Bäuer:innen. Die Berglandmilch wiederum belohnt Engagement, das über die Gesetzesstandards hinausgeht, mit einem Tierwohlbonus – den stolze 90% der Betriebe in Anspruch nehmen. Ebenfalls im Sinne des Tierwohls ist bei der SalzburgMilch (im Rahmen der seit 2017 laufenden Tiergesundheits-Initiative) eine Beratungs-Tierärztin im Einsatz. „Das ist nach wie vor ein Unikum in der heimischen Molkereilandschaft“, so GF Andreas Gasteiger. „Letztlich ist aber ein attraktiver Milchpreis die wichtigste Maßnahme, um das Überleben der bäuerlichen Betriebe zu sichern“, konstatiert Gasteiger. Dieser ist allerdings zuletzt wieder gefallen. Lt. AMA betrug der durchschnittlich ausgezahlte Milchpreis im August rund 48 Cent/kg, nachdem die heimischen Molkereien ihre Auszahlungspreise (folgend auf kostenbedingt überdurchschnittlich hohe Auszahlungspreise 2022) weiter gesenkt haben. Der durchschnittliche EU-Erzeugermilchpreis belief sich übrigens laut Schätzungen zuletzt auf rund 44 Cent.
Hufabdruck.
Natürlich ist auch der Nachhaltigkeits-Aspekt ein Thema, dem sich die Milchbäuer:innen ebenso wie die Molkereibetriebe verstärkt stellen müssen, schließlich stehen sie bzw. ihre Kühe diesbzgl. immer wieder mal im Schussfeuer von Kritikern. Die Markenartikler versuchen dies aber unterlegt mit Hard facts zu entkräften. Anna Brandstetter, Unternehmenskommunikation Berglandmilch: „Der ernährungsphysiologische Wert von 1L Kuhmilch oder von 100g Käse ist ungleich höher als bei Alternativprodukten. Auf den Nährstoffgehalt bezogen ist der CO2-Fußabdruck von natürlichen Milchprodukten deutlich geringer als bei jedem industriellen Alternativprodukt.“ Dennoch ist man natürlich in der Branche um weitere Optimierungen bemüht: Woerle etwa belohnt seine Milchlieferanten für Maßnahmen am Hof, die CO2 einsparen, mit Prämienzahlungen. Und die SalzburgMilch legte dieser Tage einer Studie vor, die die vergleichsweise geringen Treibhausgasemissionen der Milcherzeugung bei ihren Landwirt:innen belegt: Mit unter 1kg CO2-Äquivalenten je kg Milch fallen diese rund 5% geringer aus als im Österreich-Schnitt und sogar 10% geringer als in Deutschland. „Gründe dafür sind der geringe Kraftfuttereinsatz und der hohe Anteil an Dauergrünland, der beispielsweise über Weidefütterung sehr effizient genutzt wird“, erläutert einer der Studienautoren, Martin Seiringer-Gaubinger, Experte für Nachhaltigkeit der Nutztierhaltung an der Boku. Und die Käserebellen nehmen gemeinsam mit ihren Landwirt:innen am QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch des Thünen-Instituts teil. Dadurch sollen auf den einzelnen Hof zugeschnittene Stellschrauben aufgezeigt werden, um den jeweiligen Betrieb noch nachhaltiger zu gestalten. Dem Nachhaltigkeits-Aspekt werden wir uns übrigens in der kommenden Ausgabe von PRODUKT (Heftthema: „Besser fürs Klima – Shopping for future“) nochmal detaillierter widmen.
Milch in Zahlen:

  • Anzahl Milchbäuer:innen 1996: knapp 78.000 / 2008: rund 40.000 / 2022: 23.178
  • 2022 produzierten Österreichs Milchkühe rund 3,9 Mio. t Rohmilch.
  • Anzahl der Milchkühe in Ö: rund 543.800
  • Durchschnittliche Jahresleistung pro Kuh: 7.300kg
  • Aufteilung der Milch: 3.500.300 t an Molkereien und Verarbeitungsbetriebe, 260.500 t als Futtermittel, 142.300t am oder ab Hof als Lebensmittel verwendet
  • 2022 gab es ein deutliches Plus bei Schafmilch: +8,1% auf 11.700t Rohmilch, Ziegen-Rohmilch: 26.100t (-1,6%)
Quelle: Statistik Austria, statista.com
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