Bedarfsgerecht

Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz (© BMK / Cajetan Perwein)

Wenn Lebensmittel ungenutzt im Mist landen, ist eines klar: Hier wird richtig Energie verschwendet. Die Reduktion von Food Waste ist im Kampf gegen den Klimawandel daher essentiell und erfordert, entlang der gesamten Wertschöpfungskette, ein Umdenken – so die Bundesministerin für Klimaschutz, Leonore Gewessler, im Interview mit PRODUKT.

 

PRODUKT: Im Lebensmittel-Bereich ist einer der wichtigsten Hebel in Richtung mehr Nachhaltigkeit die Reduzierung von Food Waste. Wie wichtig ist dieses Thema tatsächlich? 
Gewessler: Dieses Thema ist enorm wichtig. Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung ist ein globales Anliegen. Denn es werden in einem beträchtlichen Ausmaß wertvolle Ressourcen vergeudet und so eine enorme Belastung für Umwelt und Klima verursacht. Wenn man die weltweite Verschwendung und den Verlust von Nahrung als eigenes Land betrachten würde, wäre es – nach China und den USA – der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasen und der größte Verbraucher an Bewässerungswasser.

PRODUKT: Food Waste entsteht auf mehreren Ebenen. Welche Ansätze zur Reduzierung gibt es dafür im Regierungsprogramm?
Gewessler: Es gibt viele Ursachen, die zu den Lebensmittelabfällen auf den unterschiedlichen Ebenen führen. Aus diesem Grund braucht es auch ein umfassendes Maßnahmenprogramm, und nicht zu vergessen: es bedarf auch der Mitwirkung sämtlicher Akteur:innen. Nur dann können wir unser Ziel erreichen. Im Regierungsprogramm haben wir daher auch einen Aktionsplan gegen Lebensmittverschwendung für die gesamte Wertschöpfungskette verankert. Und Anfang 2022 wurde die nationale Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen veröffentlicht.  

PRODUKT: Es gibt ja bereits seit längerer Zeit unterschiedliche Initiativen gegen Food Waste. Können Sie uns berichten, welche Fortschritte bereits erzielt wurden?
Gewessler: 2013 wurde das erste Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar!“ gemeinsam mit den relevanten Akteur:innen erarbeitet. Mittlerweile unterstützen rund 100 Kooperationspartner:innen dieses Programm. Das Klimaschutzministerium ist auch Teil der Initiative United Against Waste, die bereits einiges umsetzen konnte. Beispielsweise das Beratungsprogramm Küchenprofi[t], das sich gemeinsam mit Gastronomiebetrieben mit der Vermeidung von Lebensmittelabfällen befasst. Auch mit dem Programm Moneytor von United Against Waste wird die Lebensmittelverschwendung in Großküchen und bei der Gemeinschaftsverpflegung wirkungsvoll bekämpft.

PRODUKT: Von einigen Seiten wird der Ruf laut, Reduktionsziele verbindlich vorzugeben. Was halten Sie davon?
Gewessler: Ziele sind natürlich die Grundvoraussetzung – und wir haben auch bereits Zielvorgaben. Auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene sind im Abfallrecht Reduktionsziele verankert. Wir müssen aber am Beginn der Versorgungskette ansetzen: Wichtig ist eine bedarfsgerechte Produktion.

PRODUKT: Das MHD wird breit diskutiert hinsichtlich Sinnhaftigkeit – soll es hier Änderungen geben?

Gewessler: Das Wichtige beim Mindesthaltbarkeitsdatum ist, dass es kein ‚Verfallsdatum‘ oder ‚Ablaufdatum‘ ist. Es ist die Garantie des Herstellers, dass Produkteigenschaften bis zum angegebenen Zeitpunkt vorhanden sind. Viele Lebensmittel werden fälschlicherweise weggeworfen, obwohl sie auch nach Ablauf des angegebenen Datums genießbar und gut sind.

PRODUKT: Teuerung vs. Nachhaltigkeit – wie beurteilen Sie die Aktionspolitik des Lebensmittelhandels in der aktuellen Situation?
Gewessler: Die Verlockung ist groß, bei günstigen Angeboten mehr zu kaufen als man braucht. Das betrifft nicht nur Lebensmittel. Letztlich müssen wir lernen, Produktion und Konsum bedarfsgerechter zu gestalten. Und sollten dennoch mal Lebensmittel übrigbleiben, ist es wichtig zu wissen, wie wir deren Haltbarkeit verlängern können. Bildung und Aufklärung ist im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung ein wesentlicher Schlüsselfaktor.

PRODUKT: Danke  für das Gespräch!