Drink Refill Repeat

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Angetrieben durch aktuelle Debatten rund um Nachhaltigkeit und insbesondere das Thema CO2 scheint es derzeit, als würde Mehrweg-Glas ein glamouröses Comeback feiern. Obwohl es ja eigentlich nie weg war.

Ressourcen sinnvoll einzusetzen gilt v.a. im Packaging-Bereich als Gebot der Stunde. Glas-Mehrweggebinde kristallisieren sich dabei derzeit als eine Möglichkeit heraus, die – unter bestimmten Bedingungen – nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern obendrein einen massiven Image-Aufschwung erlebt. Wir haben uns in der Branche umgehört, welche Vor- und Nachteile Mehrweg für alle Beteiligten mit sich bringt und welche Pläne die Markenartikler dazu im Köcher haben. Eines wird bei der Recherche zum Thema Packaging im Allgemeinen sehr schnell klar: Die eierlegende Wollmilchsau unter den Materialien gibt es nicht. Zum Vergleich der Ökobilanzen von Einweg-Plastik und Mehrweg-Glas etwa gibt es unterschiedliche Studien, die zum Teil auch widersprüchliche Daten liefern. Die Grundaussage ist jedoch: PET stellt eine durchaus auch ökologisch sinnvolle Lösung dar, wenn der Recycling-Kreislauf funktioniert. Glas-Mehrweg ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Transport-Distanzen möglichst gering sind. In einer von Alpla in Auftrag gegebenen Studie aus dem vergangenen Jahr zur Ökobilanz verschiedener Verpackungs-Varianten werden 182km Entfernung zwischen Abfüller und Zentrallager bei Mineralwasser und 112km bei Milch genannt, unter denen Glas-Mehrweg einer PET-Flasche mit 50% Rezyclat-Anteil ebenbürtig ist. Bei Greenpeace ist man jedenfalls überzeugt: „Mehrwegflaschen sind die umweltfreundlichste Verpackung für Getränke“, so Geschäftsführer Alexander Egit. Und, so Herbert Bauer, Sales Director bei Coca-Cola HBC Österreich: „Mehrweg-Glasgebinde eignen sich grundsätzlich für jede Art von Getränk.“

Aufwand.

Aber, so ehrlich muss man sein: Das System birgt auch Herausforderungen. „Ein Mehrweg-System bedeutet Zusatzaufwand für alle Beteiligten“, so Waldquelle-GF Monika Fiala. „Für den Handel ist ein Mehrwegsystem natürlich ein gewisser Aufwand“, meint Stiegl Geschäftsführer Thomas Gerbl. „Mehrweg-Gebinde nehmen in der Regel mehr Verkaufsfläche ein, auch für die Rückgabe muss im Geschäft und im Lager Platz eigeplant werden“, ergänzt Yvonne Haider, Leitung Marketing, PR & Innovation bei Vöslauer. Für Markenartikler, die in Mehrweg einsteigen, bedeutet das erhebliche Investitionen in die entsprechenden Anlagen. „Zu berücksichtigen sind insbesondere Logistik und Reinigung“, erklärt Herbert Bauer, Coca-Cola HBC Österreich. Auch bei Herstellern erfordert Mehrweg zusätzlichen Platz, z.B. für die Waschstraße und das Lager. „Mindestens ein Drittel der Verkaufsmenge an Gebinden muss zusätzlich vorhanden sein“, ergänzt Patrick Moser, Prokurist bei Starzinger ein weiteres zu berücksichtigendes Kriterium, „schließlich steht je ein Drittel der Menge im Handel und auch bei Konsumenten. Eine große Herausforderung ist aktuell außerdem die Verfügbarkeit von Glas und der daraus resultierend hohe Preis.“ Für die Verbraucher schließlich bringt Mehrweg automatisch ein höheres Gewicht des Einkaufs mit sich. Allerdings setzen die Hersteller alles daran, das Gewicht von Flaschen und Kisten durch Materialeinsparung gering zu halten – diesbzgl. gibt es bereits unterschiedliche Lösungen, die jenen der „alten“ Mehrweggeneration weit überlegen sind. Für Konsumenten gilt es bei der Entscheidung für Mehrweg außerdem noch Pfand und somit die Erfordernis, das Leergut wieder zurückzubringen, zu berücksichtigen.

Konsumentenwunsch.

Und dennoch: „80% der Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich mehr Mehrwegflaschen im Supermarkt“, berichtet Greenpeace-GF Alexander Egit. Denn in der Wahrnehmung der Konsumenten genießt Glas eben nicht nur ein sehr hochwertiges, sondern auch ein besonders umweltfreundliches Image. Und es liefert noch einige weitere Vorteile. „Glas verhält sich inert“, erklärt Herbert Kühberger, Direktor Marketing und Verkauf bei Vetropack Austria. Und das heißt? „Nichts gelangt aus dem Glas in das Produkt, nichts dringt von außen durch das Glas ins Produkt, nichts entweicht nach außen – ein wichtiger Aspekt besonders auch im Hinblick auf eine Mehrfachverwendung“, so Kühberger.

Unterschiede.

Es ist also wenig überraschend: „Der Mehrweganteil ist in Österreich aktuell steigend – v.a. aufgrund der Kunststoffthematik in den Medien“, so Patrick Moser, Prokurist bei Starzinger. Aktuell liegt er quer über alle Getränke-Segmente betrachtet bei rund 20%. Bzgl. der Eignung für das Mehrwegsystem gibt es hinsichtlich der Getränke-Art tatsächlich kaum Einschränkungen, wobei es natürlich bei jenen Getränken, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit konsumiert werden, am meisten Sinn macht. In der Realität sind die Anteile aber in den einzelnen Segmenten des Getränkemarktes sehr unterschiedlich ausgeprägt. Mit rund 68% Mehrweganteil (lt. Verband der Brauereien, also inkl. Gastronomie) ist Bier diesbezüglich die klare Nr. 1. Kein Wunder, hier hat Mehrweg immer eine maßgebliche Rolle gespielt, hat sich doch Bier in Plastik nie durchgesetzt. „Außerdem“, so Stiegl-GF Thomas Gerbl mit einem Augenzwinkern, „zählt Bier ja quasi zu den Grundnahrungsmitteln und ist daher prädestiniert für ein Mehrwegsystem in der Glasflasche.“ Im Handel beträgt der Mehrweganteil bei Bier etwa 51% (Nielsen, 2018). Allerdings hat sich dabei bislang nur die 0,5L-Flasche großflächig etabliert, künftig dürften aber auch bei den kleineren 0,33L-Flaschen verstärkt Mehrwegangebote zu finden sein. „Diese gilt es in naher Zukunft zu etablieren“, kündigt etwa Gabriela Straka, Leiterin der Unternehmenskommunikation & CSR bei der Brau Union Österreich, an. Bei Stiegl beträgt der Gesamt-Mehrweganteil stolze 77% (Glas und Fass), für April ist die nächste Neueinführung im Mehrwegbereich geplant. Zwettler führt gar einen Mehrweganteil von 95% an.

Wasser.

Im Mineralwasserbereich hat Mehrweg eine bewegte Geschichte hinter sich. Während es noch gegen Ende des vergangenen Jahrtausends die übliche Packaging-Variante für Wasser war, hat vor rund zwei Jahrzehnten PET mit seinen Convenience-Vorzügen den Siegeszug angetreten und Wiederbefüllungs-Konzepte stark zurückgedrängt. Erst die aufkommende Diskussion über Müllvermeidung im Allgemeinen und Plastik im Speziellen hat wieder Schwung in den Mehrweg-Markt gebracht. Im vergangenen Jahr ist dieser im Mineralwasserbereich mit +18,4% besonders stark gewachsen und macht nun 16% des Gesamtmarktes aus (Nielsen, Mineralwasser exkl. Near Water, Wert, 2019, LEH inkl. H/L). Klare Mehrweg-Nr. 1 ist hier „Vöslauer“. Neben der 2014 lancierten 1L-Mehrweg-Glasflasche bietet man seit Kurzem auch eine On-the-go-Lösung aus Glas, nämlich die Varianten „prickelnd“ und „Zitrone“ in der 0,5L-Mehrweg-Flasche. Möglich wurde dieser Launch durch die Investition in eine neue Glasanlage, die Mitte letzten Jahres eröffnet wurde und ihre 30 Jahre alte „Vorgängerin“ ersetzt hat. „Waldquelle hat immer stark auf die 1L-Mehrweg-Glasflasche gesetzt“, schildert auch Geschäftsführerin Monika Fiala, „daher freut es uns besonders, dass diese Packung nun von vielen Konsumenten wieder bevorzugt wird und im Trend liegt.“ Im Unternehmen liegt der Mehrweg-Glas-Anteil derzeit bei 10,7%, also deutlich über dem Branchendurchschnitt von 6,6% – Tendenz weiter steigend. Heuer wird rund 1 Mio. € in 100.000 neue Kisten sowie die dazugehörigen Flaschen investiert. Und die diesjährige „Waldquelle“-Neuheit (ein Flavoured Water mit Zitrus-Mix) wird – auch – in Mehrweg erhältlich sein. Die „Römerquelle“ gibt es natürlich ebenfalls in Mehrweg-Gebinden im LEH, Coca-Cola HBC will aber künftig noch weitere Marken aus seinem Portfolio in Glas-Mehrweggebinden in den Handel bringen. Auch bei Starzinger darf man nun froh sein, dem Thema Glas nie abgeschworen zu haben. „Es sind nahezu alle unsere Produkte auch in Glas-Mehrweggebinden erhältlich“, schildert Prokurist Patrick Moser.

Investiert.

Dass Glas-Mehrweg-Lösungen Zukunft haben, davon ist man auch bei Egger Getränke überzeugt. Und zwar dermaßen überzeugt, dass man kürzlich 25 Mio. € in eine neue mehrwegtaugliche Glasfüllanlage sowie den entsprechenden Gebinde-Pool investierte. „Wir verfügen damit nun über die modernste Technologie, die es in diesem Bereich gibt“, berichtet Geschäftsführer Martin Forster. Auf der Anlage, die nicht nur für die hauseigenen Marken, sondern auch im Bereich Lohnabfüllung bzw. für die Private Label-Produktion genutzt werden soll, sind Gebinde von 0,2L bis 1L befüllbar, und zwar in unterschiedlichsten Ausführungen. Den Start macht aber natürlich eine starke Brand aus den eigenen Reihen, die man in Kooperation mit Greenpeace auf den Weg schickt. Die Umweltschutzorganisation hat Egger Getränke unentgeltlich mit ihrer Expertise bei der Umstellung auf ein Mehrwegsystem beraten. Die „Radlberger Limö“ ist laut Egger Getränke die erste Limonade, die in einer 1L-Glas-Mehrwegflasche angeboten wird. Sie soll den Mehrweganteil in diesem Segment, wo er bisher verschwindend gering war, in die Höhe treiben. Neben „Limö“ in drei verschiedenen Varianten sollen aber auch das Teegetränk „Unkraut“ sowie „Granny´s“ künftig in Mehrwegglas angeboten werden. Ganz bewusst hat man die zugehörige Kiste nicht gebrandet, damit das Konzept auf einfache Weise auf möglichst viele verschiedene Produkte übertragbar ist. Auf die Frage, warum man diesen Schritt gewagt hat, antwortet GF Martin Forster frei nach Greta Thunberg: „Because it´s 2020.“

Bio.

Einen weiteren Beitrag zur Erhöhung des Mehrweganteils im Limonadenbereich leistet nun Vöslauer. Dieser Tage hält nämlich die „Vöslauer bio Limonade“ in 1L- und 0,5L-Glas-Mehrweggebinden Einzug in den Handel, und zwar in den Varianten „Sizilianische Zitrone“, „Himbeere-Brombeere“ sowie „Spanische Orange“. Als Kooperationspartner, der grünes Licht für die Nachhaltigkeit dieses Konzeptes gab, hat man sich den WWF an Bord geholt, dessen Logo auch auf der Flasche abgebildet ist.

Mehrweg-Milch.

Neben der Getränkestraße ist Mehrweg auch im Kühlregal wieder relevant geworden. Die Berglandmilch hat ebenfalls kräftig investiert, um ihre Gebinde wiederbefüllen zu können. Noch im 1. Quartal 2020 soll die „Schärdinger Berghof Milch“ in einer 1L-Glasmehrwegflasche in den Handel kommen. Auch bei weiteren Produkten ist eine dahingehende Umstellung geplant. „Wir sind überzeugt, mit Glas ein deutliches Zeichen für mehr Nachhaltigkeit zu setzen“, so Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer.

Ausblick.

Es deuten also alle Zeichen darauf hin, dass Mehrweg in den nächsten Jahren wieder kräftig an Bedeutung gewinnen wird. „Wir sind überzeugt, dass im Glas-Mehrweg-Bereich noch einiges an Potential steckt und dass die Nachfrage weiterhin steigen wird“, so Yvonne Haider von Vöslauer. „Es ist unsere Aufgabe, den Konsumenten-Bedürfnissen mit einem nachhaltigen Packaging-Mix gerecht zu werden. Innovative Verpackungskonzepte werden uns daher auch in den kommenden Jahren verstärkt begleiten“, meint Herbert Bauer, Coca-Cola HBC. „Der Mehrwegtrend wird weiter anhalten“, ist auch Patrick Moser von der Firma Starzinger überzeugt. Er merkt aber an: „In welchem Ausmaß und wie lange hängt auch stark von den kommenden gesetzlichen Vorgaben und Änderungen ab.“ Und Egger-GF Martin Forster verweist darauf, was schon einmal möglich war: „Im Jahr 1995 lag der Mehrweganteil bei Getränken (lt. Greenpeace) bei 80% – daraus ergibt sich das Potential. Die 80% müssen wieder erreichbar sein.“