Fortschritt in der Milch

© Parilov/shutterstock

Auf der Wiese von Hand gemolken und ab ins Milchglas? Klingt romantisch, hat aber mit jener Milch, die im Lebensmittelhandel angeboten wird, wenig zu tun. Denn um vom Melkstand bis in den Kühlschrank der heimischen Haushalte einwandfreie Qualität zu garantieren, bedarf es einiges an Technik.

Die Österreicher stehen auf Milchprodukte: 646.603 Tonnen an Milch und entsprechenden Erzeugnissen wurden 2020 verkauft (RollAMA) – v.a. pandemiebedingt gab es hier ein fettes Plus von 9,2% zu verzeichnen. Damit befinden wir uns natürlich auf einem Mengen-Niveau, bei dem ohne massive technische Unterstützung garnix mehr geht, eh klar. Das gilt für den Bauernhof, wo Maschinen einen erheblichen Teil der Melk­arbeit übernehmen und die Milch natürlich auch bis zur Abholung gekühlt werden muss ebenso wie für den Sammelwagen und die Molkerei. Der grundsätzliche Ablauf ist dabei überall gleich, wie Florian Schwap, Bereichsleitung Marketing bei der SalzburgMilch, grob ausführt: „Die Rohmilch wird am Hof gekühlt und in der Molkerei pasteurisiert und homogenisiert sowie direkt abgefüllt.“ Doch blickt man noch etwas genauer hin, wird deutlich, wie viel getan wird, um ein Lebensmittel anbieten zu können, das in hygienischer und qualitativer Hinsicht wirklich einwandfrei ist. „Es ist viel Technik notwendig, um die Trinkmilch in der Qualität anzubieten, die die KonsumentInnen erwarten und die auch die rechtlichen Rahmenbedingungen einfordern“, schildert Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer. Am Bauernhof selbst sind div. Melkvorrichtungen nötig, die das Melken der ganzen Herde in angemessener Zeit und unter Einhaltung der nötigen Hygiene-Standards ermöglichen. Weiters bedarf es entsprechender Rohrsysteme und einer Kühlmöglichkeit. Selbst die Abholung der Milch durch den Lkw ist weit mehr als nur Transport. Josef Simon, Vorstand der NÖM AG, Produktion & Technik, schildert, wie es beim Einsammeln der „nöm“-Milch läuft: „Bereits der Sammelwagen funktioniert wie ein Labor und erfasst die wichtigsten Werte über ein computergesteuertes Schaltpult beim Befüllen.“ In der Molkerei angekommen geht es mit weiteren technischen Raffinessen weiter. Simon: „Der Lkw-Zug wird über eine vollautomatische Waage eingewogen und dann seiner Abpumpline zugewiesen. Bei der Waage angekommen übernimmt die Schaltwarte der NÖM bereits das Kommando.“ Besonders stolz ist Simon auf das hauseigene Betriebslabor – eines der modernsten seiner Art: „Es gibt die ersten Proben vollautomatisch frei und überprüft vor allem die Hemmstofffreiheit der Rohmilch.“ Dann folgen das Zentrifugieren der Milch, also die Auftrennung in Magermilch und Rahm und gleichzeitige Entfernung von etwaigen Verunreinigungen, das Erhitzen zwecks Haltbarmachung sowie das Homogenisieren, das verhindert, dass die Milch zu schnell aufrahmt, bevor sie dann abhängig davon, in welcher (Verpackungs-)Form sie angeboten wird, abgefüllt oder weiter verarbeitet wird.

Faktor Mensch.

Technische Fortschritte haben den Milchherstellungsprozess natürlich zu einem großen Teil automatisiert – überflüssig wird der Mensch dadurch aber nicht, wie uns Josef Simon einmal mehr am Beispiel der NÖM erläutert: „Die NÖM funktioniert aufgrund der Lebensmittelsicherheit und der strengen Qualitätsvorgaben als volltechnisierter geschlossener Prozess. Der Rohstoff Milch bzw. das fertige Produkt, wie z.B. Joghurt, Topfen oder Butter, wird erst wieder nach dem Öffnen durch den Konsumenten frei sichtbar. Über 100km Rohrleitsysteme leiten die Milch durch die Produktionsanlagen der Molkerei. Die Schaltwarte ist die Steuerzentrale des Betriebs. Hier wird über unzählige Bildschirme der gesamte Prozess gesteuert und überwacht. Diese enorme Verantwortung wird von MilchtechnologInnen getragen, die 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag jeden Liter Milch im Auge behalten.“ Bei bestimmten Prozessen wie etwa der Herstellung von Käse oder Bröseltopfen ist handwerkliches Geschick außerdem bis heute unverzichtbar.

Heißes Eisen.

Gefragt nach jenem technischen Fortschritt, der den Herstellungsprozess in den letzten Jahren am meisten verändert hat, sind sich die Experten einig: Beim Haltbarmachen durch Erhitzen (das je nachdem, ob Frisch-, ESL- oder Haltbarmilch produziert wird, unterschiedlich ausfällt) hat sich besonders viel getan. Josef Braunshofer, Berglandmilch: „Die Erhitzungszeiten konnten bei gleichbleibender mikrobiologischer Qualität noch weiter reduziert werden.“ Auch Walter Zwick, Bereichsleitung Qualitätsmanagement bei der Kärntnermilch, bestätigt eine gestiegene Effizienz der Erhitzungsanlagen samt Auswirkungen auf die Güte der Milch: „Die Qualität hat sich sensorisch sowie bzgl. Haltbarkeit verbessert.“ Doch es gab darüber hinaus noch viele weitere Themen und Trends, die erst durch technologische Innovationen möglich wurden. Man denke etwa an laktosefreie Milch oder Proteinprodukte, wo die Hersteller meist mit einem knappen Zeithorizont die Produktion entsprechend umrüsten mussten. Josef Simon, NÖM: „Die großen Trend-Themen wurden immer rasch technologisch abgebildet, um die entsprechenden Produkte unseren Handelspartnern auch zeitnah anbieten zu können. So investieren wir jährlich in neue Technologien.“ Beispiele für bedeutende Investitionen oder Entwicklungen der Branche waren etwa zwei aseptische Füller bei der NÖM, die hohe Sterilität und Produktsicherheit in verschiedenen Flaschenformaten gewährleisten. Bei der SalzburgMilch war man stark in die Entwicklung der Kartontiefziehfolie für Käsescheibenverpackungen involviert. In der Erlebnissennerei Zillertal wurde in den letzten Jahren nicht nur in eine komplett neue Milchabfüllungsanlage investiert, sondern auch in eine neue Joghurtabfüllung sowie in den Ausbau der Käserei, um dort die Hygiene- und Qualitätsstandards zu verbessern.

Machts möglich.

Hinter jeder Produktidee steckt also immer auch eine ordentliche Portion Technik und Know-how. Die Hersteller betonen, dass viele ihrer Produkte ohne spezieller bzw. sogar eigens entwickelter Technologie gar nicht lanciert werden hätten können. Das gilt etwa für die „Honigmilch“ der Erlebnissennerei Zillertal, die Baristamilch der Kärntnermilch oder auch „fru fru wie damals“ – um nur einige von zahllosen Beispielen an Produkten zu nennen, die es ohne intensive Forschung, Entwicklung und Bereitschaft in neue Technologien zu investieren heute nicht gäbe.