Herkunfts-Debatte

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger

Das Ziel der Regierung, die Herkunft der Primärzutaten Eier, Fleisch und Milch künftig auch in verarbeiteten Produkten verpflichtend anzuführen, sorgt aktuell für eine Debatte in der Industrie. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Markenartikelverband-GF Günter Thumser erläutern im Interview mit PRODUKT ihre Standpunkte.

PRODUKT: Frau BM Köstinger, die vermeintlichen Gegensätze „global“ und „regional“ führen derzeit zu vielen Diskussionen, wie sehen Sie das?
Köstinger: Global und regional sind für mich keine Gegensätze. Wir brauchen in der Landwirtschaft die globalen Märkte genauso, wie wir unsere regionalen Absatzwege benötigen. Bei Fleisch, Eiern und Milch haben wir einen sehr hohen Selbstversorgungsgrad. In anderen Bereichen, wie etwa beim Obst oder Gemüse ist diese Eigenversorgung, auch aufgrund der Saisonalität, niedriger. Ich bin aber überzeugt, dass wir in diesen Bereichen noch viel Potential haben. Ohne Importe, aber auch ohne Lebensmittelpatriotismus, gäbe es so manche Lebensmittel bei uns nicht. Alles, was wir in Österreich selbst produzieren können, sollten wir auch im Sinne des Klimaschutzes möglichst in Österreich konsumieren.

PRODUKT: Das Regierungsprogramm sieht eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in verarbeiteten Lebensmitteln ab 2021 vor. Wie ist der Stand der Dinge?
Köstinger: Unser Ziel ist es, dass wir diese Herkunftskennzeichnung bereits 2021 umsetzen. Wir wollen endlich mehr Transparenz, sowohl in der Gemeinschaftsverpflegung als auch bei verarbeiteten Produkten. Wir unterstützen den Gesundheitsminister bei allen Anstrengungen, diese Transparenz zu schaffen. Zurzeit liegt ein erster Entwurf einer Verordnung des Gesundheitsministeriums vor. Für uns ist dieser Entwurf der Beginn der Diskussion, noch nicht das Ende.  

PRODUKT: Die österreichischen Bauern waren immer deutlich für eine verpflichtende Herkunftsangabe auch auf verarbeiteten Produkten. Warum?
Köstinger: Ehrlichkeit und Transparenz gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten führen zu ehrlichen Kaufentscheidungen. Das betrifft Transportwege, aber auch Produktionsstandards. Billig gibt es nicht, irgendjemand zahlt immer und sehr oft sind es die Bäuerinnen und Bauern. Man kann immer irgendwo auf der Welt billiger produzieren als in Österreich. Das sollten die Konsumentinnen und Konsumenten dann aber auch nachvollziehen können. Wir müssen uns mit unseren höchsten Tierwohl- und Produktionsstandards im internationalen Vergleich nicht verstecken. Aber genau das passiert in der Lebensmittelverarbeitung gegen den Willen der Urproduzenten bei verarbeiteten Produkten. 

PRODUKT: Diese Verpflichtung würde jedoch über die EU-Richtlinien hinausgehen, was bei der Industrie zu viel Widerstand führt. Können Sie deren Argumente verstehen bzw. entkräften? 
Köstinger: Wer will, der findet Wege. Wer nicht will, der findet Gründe dagegen. Ich sehe die Herkunftskennzeichnung als Chance für unsere Betriebe in der Lebensmittelverarbeitung. Noch nie war das Bewusstsein zu regionalen Lebensmitteln bei den Konsumentinnen und Konsumenten so hoch wie jetzt und diesen Trend müssen wir gemeinsam nützen, um die heimische Lebensmittelproduktion abzusichern. EU-rechtlich ist das möglich, das belegt ein Rechtsgutachten, das wir dazu von einem der führenden Europarechtler erstellen haben lassen. 


PRODUKT: Glauben Sie, dass die heimischen Verbraucher bereit sind bei Produkten wie z.B. Fleisch-Sugo bewusst mehr zu zahlen als für qualitativ vergleichbare internationale Angebote?
Köstinger: Die Menschen wollen wissen, wo Lebensmittel und Zutaten herkommen. Das steht im Vordergrund, daher wollen wir diese Möglichkeit schaffen. Und ja, sie sind auch bereit dazu, für österreichische Produkte ein paar Cent mehr zu bezahlen, diesen Trend sehen wir in der Direktvermarktung. Allein im Ab Hof Verkauf konnten wir im letzten Jahr ein Plus von 41% erzielen.

PRODUKT: Und was wäre in diesem Zusammenhang wünschenswert in Sachen Einkaufspolitik des Handels? 
Köstinger: Wir wollen faire Preise für die weltweit höchsten Standards, die unsere Bäuerinnen und Bauern einhalten. Das wird zum Teil auch schon gelebt, aber wenn wir unsere kleinstrukturierte, nachhaltige Landwirtschaft und somit die Eigenversorgung in Zukunft weiter sichern wollen, dann braucht es nicht nur in der Werbung ein Bekenntnis zu unseren Bäuerinnen und Bauern, sondern vor allem auch beim Preis.

PRODUKT: Besten Dank für das Gespräch!

⇒Interview mit Markenartikelverbands-GF Günter Thumser