Gar nicht so böse?

Plastik hat es medial derzeit nicht gerade einfach. Wir haben im Gespräch mit Christoph Hoffmann, Director Corporate Strategy, Sustainability & Circular Economy bei Alpla, einem der bedeutendsten Kunststoffhersteller, darüber gesprochen, welche Fakten zum Thema Kunststoff oft unter den Tisch fallen.

Christoph Hoffmann, Director Corporate Strategy, Sustainability & Circular Economy bei Alpla

PRODUKT: Im Auftrag von Alpla wurde 2019 eine Studie über die Umweltauswirkungen verschiedener Verpackungen in Österreich durchgeführt. Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse daraus?
Hoffmann: Bei den Produktkategorien Wasser und Limonade hat sich gezeigt, dass Mehrwegflaschen aus PET die Nase vorn haben. Bei bestimmten Umweltauswirkungen, wie Sommersmog oder Versauerung, sind allerdings PET-Einwegflaschen aus 100% Recyclingmaterial ökologischer. Bei Limonaden ist die 100% rPET-Flasche der Glas-Mehrweg bei allen untersuchten Umweltwirkungen überlegen. Einweglösungen aus Glas, aber auch Glas-Mehrweg und Aluminiumdosen zeigen im Vergleich mit Kunststoffverpackungen deutlich höhere Auswirkungen auf das Klima. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Anteil von Recyclingmaterial und das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt wichtige Faktoren sind. Bei Mehrweglösungen spielen natürlich die Transportdistanzen und die Anzahl der Umläufe eine zentrale Rolle. Laut Studienautor Roland Fehringer müssen PET-Flaschen mindestens 8 bis 10 Umläufe und Glasflaschen 16 Umläufe erreichen, damit der Vorteil eines Mehrwegsystems zum Tragen kommt. In der Studie wurde mit weit höheren Umläufen, 20 bei PET und 30 bei Glas, gerechnet. Schon um der Kritik entgegenzuwirken, es wären zu geringe Umlaufzahlen angesetzt worden. 

PRODUKT: Haben Sie aus den Ergebnissen konkrete Maßnahmen abgeleitet?
Hoffmann: Recyclingmaterial setzen wir schon seit vielen Jahren ein. Alpla hat PET schon zu einem Zeitpunkt recycelt, als es als Liebhaberei abgetan und alles andere als gewinnbringend war. Die aktuelle Diskussion hat die Nachfrage nach Recyclingmaterial kräftig angetrieben – diesen Trend begrüßen wir. Natürlich fließen die Ergebnisse auch bei der Entwicklung von neuen Verpackungslösungen ein. Man muss sich immer genau anschauen, für welches Produkt und welchen Markt die Verpackung gebraucht wird. Pauschale Aussagen sind nicht seriös, genauso wenig wie die leider gängige Meinung, dass Kunststoff sowieso böse und umweltschädlich ist.

PRODUKT: Welche Argumente – auch abseits der Ökobilanz – sprechen für Plastik als Verpackungsmaterial, insbesondere in der FMCG-Branche?
Hoffmann: Kunststoff ist leicht und bricht nicht, beim Design ist fast nichts unmöglich. Gerade bei Trends wie eCommerce oder Convenience-Produkten sind das geschätzte Vorteile. Was in der aktuellen Diskussion gerne ausgeblendet wird, sind die wichtigen Funktionen von Verpackungen, wie der Produktschutz beim Transport oder die längere Haltbarkeit von Lebensmitteln. Ohne Verpackung wird es in Zukunft nicht gehen, aber Verpackungen können sicher noch smarter werden.

PRODUKT: Plastik wird dennoch derzeit vielerorts kritisiert. Welche Maßnahmen ergreift Alpla zur Imageverbesserung des Materials?
Hoffmann: In der Kommunikation ist für uns wichtig aufzuzeigen, dass gebrauchte Verpackungen nicht wertloser Müll sind. Sie sind wertvolle Ressourcen, müssen nach dem Gebrauch richtig gesammelt und möglichst energieeffizient wiederverwertet werden. In der Umwelt haben Verpackungen – egal aus welchem Material – nichts zu suchen, da kann jeder Konsument seinen Teil dazu beitragen. Wir setzen in diesem Sinne verstärkt auf Aufklärung. Die oben genannte Ökobilanz und darauf basierende Kampagnen sind konkrete Beispiele für Maßnahmen. Wir sind auch Mitglied bei zahlreichen internationalen Initiativen und forcieren Partnerschaften über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Kreislaufwirtschaft ist nur dann möglich, wenn alle an einem Strang ziehen.

PRODUKT: Bei immer mehr Produkten wird rPET eingesetzt, ein Sekundärrohstoff, der ja auch nur in begrenzten Mengen zur Verfügung steht. Wie wird diesbzgl. die Versorgungslage in den nächsten Jahren aussehen und was sind sinnvolle Strategien?
Hoffmann: Die Verfügbarkeit des Materials ist derzeit tatsächlich eine Herausforderung. Da kommen uns jedoch unsere Recyclingaktivitäten auf der ganzen Welt – von Thailand über Europa (Österreich, Deutschland, Polen, Spanien) bis Mexiko – zugute. Wir brauchen neben flächendeckenden Abfallsammelsystemen auch klare politische Rahmenbedingungen, um Innovationen zu ermöglichen bzw. zu beschleunigen. Durch die Weiterentwicklung von Sortier- und Recyclingtechnologien können wir die Verwertungsquoten erhöhen. Auch Technologien wie das chemische Recycling sind dort sinnvoll, wo Wertstoffe ansonsten nicht mehr wiederverwertet werden können.

PRODUKT: Im PET-Bereich funktioniert der Recycling-Kreislauf in Österreich ja bereits gut. Wie sieht es bei anderen Kunststoffen aus?
Hoffmann: Ja, generell kann man sagen, dass die Technologien bei PET im Bereich Bottle-to-Bottle-Recycling am weitesten entwickelt sind. Allerdings wird nun auch laufend in andere Kunststoffrecycling-Ströme investiert. Wir selber investieren bis 2025 mindestens 50 Mio. € in den Ausbau unserer Recyclingaktivitäten. Ende 2019 hat Alpla zum Beispiel zwei HDPE-Recyclingwerke in Spanien übernommen. Wir nutzen die langjährige Expertise dieser Betriebe und wollen das dort hergestellte rHDPE für Verpackungen einsetzen. Bisher wurde es für Rohre oder andere Kunststoffteile verwendet.

PRODUKT: Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht wichtig, um den Recycling-Kreislauf bei Kunststoff in Zukunft zu optimieren?
Hoffmann: Design for Recycling lautet das Zauberwort der Stunde: Als Systemanbieter haben wir schon beim Design unserer maßgeschneiderten Verpackungslösungen einen Hebel. Ab der ersten Skizze für eine neue Verpackung haben unsere Designer deren gesamten Lebenszyklus im Blick und stellen sich die Frage, wie wir möglichst viel und möglichst qualitativ hochwertiges Material im Kreislauf halten können. Auch Konsumenten sollten ihren Einfluss durch ihre Kaufentscheidungen nicht unterschätzen. Jeder sollte sich fragen: Greife ich zum umweltfreundlichen Produkt in der recycelten Verpackung oder zur schicken Hochglanzverpackung?

PRODUKT: Mit welchen Produktkonzepten antwortet Alpla auf die aktuellen Verpackungstrends?
Hoffmann: Die Trias „Reduce, Reuse, Recycling“ als Maxime der Kreislaufwirtschaft nehmen wir sehr ernst. Mit Innovationen wie „The Simple One“ oder „The Clear One“ liefern wir besonders leichtgewichtige und vollständig recycelbare Verpackungslösungen, die eine gute Alternative zu derzeit nur mit hohem Aufwand zu recycelnden Verbundmaterialien darstellen. Aber auch Mehrweglösungen sind nach der Präsentation der Ökobilanz stärker in unseren Fokus gerückt. So haben wir etwa gemeinsam mit einem internationalen Partner eine optimierte Mehrwegflasche aus PET entwickelt, die kurz vor der Marktreife steht. Auch diese Flasche ist leichter als bisherige Standardlösungen und kann mit Recyclingmaterial hergestellt werden.

PRODUKT: Herzlichen Dank für das Gespräch!