Grüne Milch?

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Als tierisches Lebensmittel steht Milch zuweilen bzgl. ihres ökologischen Fußabdrucks in der Kritik. Allerdings: Milch ist hier keineswegs gleich Milch, denn deren Nachhaltigkeit wird von unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst.

Milch ist als Grundnahrungsmittel aus der Ernährung der Österreicher:innen nicht wegzudenken. Durchschnittlich € 43,70 gibt ein Haushalt hierzulande pro Monat für entsprechende Produkte aus (Roll­AMA). Und doch kann man den Eindruck gewinnen, dass es die Milch in Zeiten wie diesen nicht immer leicht hat, kratzt doch ihre tierische Herkunft am Image. Nun, beginnen wir ausnahmsweise, weil dies doch die Besonderheit der Kategorie darstellt, ganz hinten, also am Ende der Kuh: Hier entweicht nämlich Methan. Dieses entsteht unweigerlich bei der Verdauung von Gras und ähnlichem Grünfutter und gilt als klimaschädlich. Jedoch, das Furzen wird man den Milchkühen nicht abgewöhnen können. Spannendes zu diesem Thema weiß aber Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer zu berichten: „In einem Praxistest wird aktuell versucht herauszufinden, in welchem Ausmaß die Treibhausgasemissionen der Milchkühe mit ätherischen Ölen in der Fütterung reduziert werden können.“ Erste Ergebnisse sind vielversprechend.

Gebunden.

Doch in Wahrheit ist die Frage der Nachhaltigkeit von Milch viel, viel weiter zu denken. Denn, so gibt Doris Ploner, Geschäftsführerin der Käsemacher, zu bedenken: „Das von der Kuh genutzte Grünland bindet schließlich auch große Mengen CO2.“ Denn zum Glück ist es hierzulande Sitte, dass viele Milchkühe sich einen guten Teil ihres Futters in Selbstbedienung von der Weide oder Alm holen. Bei Heumilchkühen besteht die Nahrung überhaupt nur aus Kräutern, Gräsern und Heu sowie einer begrenzten Menge an Getreideschrot. Und dies beeinflusst den CO2-Abdruck sehr positiv, wie Christof Abbrederis, Bereichsleiter bei Alma, ausführt: „Die Verwendung von Heumilch ist an den Erhalt von Dauergrünlandböden gebunden, welche wiederum sehr viel CO2 bzw. Kohlenstoff im Humus einlagern und daher wie der Wald zu den wertvollen CO2-Senken zählen.“ Auch Gerrit Woerle, GF von Heumilch-Pionier Woerle, bestätigt: „Die Klimabilanz der Milch verbessert sich, wenn Kühe vor allem frisches Gras und Heu fressen und keinen Sojaschrot aus Übersee.“ Diesbzgl. ist die kleinstrukturierte, heimische Milchwirtschaft klar im Vorteil gegenüber der zumeist hinsichtlich ihrer Größe in anderen Ligen spielenden internationalen Konkurrenz, wie auch Harald Steinlechner, GF der Ennstal Milch, ausführt: „Gerade, was die Fütterung bei uns im Ennstal als Region, in der die Grünlandbewirtschaftung überwiegt, betrifft, ist der ökologische Fußabdruck um ein Vielfaches geringer, als wenn Futter größtenteils zugekauft werden muss. Die Weidehaltung und Almwirtschaft ist in unserem Einzugsbereich gang und gäbe.“

Mehrwert.

Eine Win-win-Situation entsteht dann, wenn Nachhaltigkeits-Vorzüge auch als Mehrwert für die Konsument:innen vermarktet werden können, wie dies etwa die ARGE Heumilch für entsprechende Produkte tut (siehe auch Kasten auf Seite 45). Gleiches gilt für Bio-Produkte, wie etwa die „Bio Wiesenmilch“ der Kärntnermilch. „Die ‚Bio Wiesenmilch‘ kommt von Kühen, denen die Haltung auf der Weide während der Vegetationsperiode garantiert wird und deren Futter in erster Linie aus hofeigenem Wiesenfutter sowie klar beschränkten Gaben von Kraftfutter besteht“, erläutert Kärntnermilch-GF Helmut Petschar.

In der Produktion.

Zusammengefasst stehen heimische Milchprodukte hinsichtlich des Faktors Fütterung, was ihre Nachhaltigkeit angeht, im internationalen Vergleich gut da. Doch natürlich hat auch die weitere Verarbeitung der Milch einen großen Einfluss auf die CO2-Bilanz des Endproduktes. Hier hat sich die NÖM als erste klimaneutrale Molkerei Österreichs im Jahr 2016 hervorgetan. Seit damals wird jährlich der CO2-Fußabdruck berechnet und die verbleibenden Emissionen werden ausgeglichen. Wobei auch dieser Wert bereits stark gesunken ist: Statt 13.148 Tonnen CO2 im Jahr 2016 sind 2020 nur mehr 5.789 Tonnen angefallen. Die in der Produktion verursachten Emissionen haben freilich alle Hersteller genau im Blick und setzen beständig Maßnahmen, um diese zu verringern. So hat etwa die SalzburgMilch auf der mittlerweile ebenfalls klimaneutralen Käserei Lamprechtshausen kürzlich Salzburgs größte Aufdach-Photovoltaikanlage installiert. Die Kraft der Sonne nutzt man auch bei Alma zur Energiegewinnung und die Ennstal Milch hat ebenfalls PV im Einsatz, ebenso wie eine Hochtemperaturwärmepumpe, die zuvor ungenutzte Abwärme nutzbar macht. Und auch bei der Berglandmilch investiert man regelmäßig kräftig für mehr Nachhaltigkeit, wie GF Josef Braunshofer berichtet: „In unseren Werken wird ausschließlich Ökostrom verwendet. Auf vielen Dächern unserer Werke befinden sich Photovoltaikanlagen, die bereits eine Fläche von fünf Fußballfeldern einnehmen. Unser Tiroler Standort Wörgl wird schon seit mehr als 15 Jahren mit Biomasse betrieben.“ Zwei weitere Biomasse-Kraftwerke sind bereits geplant und somit will man bis 2025 zu 95% unabhängig von fossilen Energieträgern sein. Denn, so ehrlich muss man sein: Um den Einsatz großer Mengen Energie kommt man in der Milchverarbeitung (ebenso wie in zahlreichen anderen lebensmittelverarbeitenden Betrieben) nicht herum. Dazu NÖM-Vorstand Alfred Berger: „Primär ist das Thema Wärmeenergie zu behandeln, da die Verarbeitung von Milch auch in der nächsten Zukunft nur mit thermischer Energie funktionieren wird, und die steigenden Produktanforderungen ebenso mit dadurch notwendigem höherem Energieeinsatz einhergehen.“

Gut verpackt.

Dass den Molkereien Ressourcenschonung am Herzen liegt, wurde aber auch durch unterschiedlichste Packaging-Neuheiten bereits mehrfach bewiesen. So war etwa das Comeback von Milch in Mehrwegflaschen, das die Berglandmilch vor rund zwei Jahren ermöglicht hat, ein großer Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Ab sofort ist übrigens auch „nöm Vollmilch“ wieder in Glas-Mehrwegflaschen erhältlich, aber natürlich ist auch die 2019 lancierte Milchflasche aus 100% Recycling-Kunststoff bei der NÖM weiterhin im Einsatz. Was Joghurt und Käse angeht, ist die Branche in Zusammenarbeit mit den Verpackungsprofis ebenfalls sehr aktiv und verkündet laufend weitere Optimierungen, wie etwa bei der SalzburgMilch. GF Andreas Gasteiger: „Seit 2017 wurden durch Umstellung der ‚SalzburgMilch Premium‘-Produkte auf innovative Verpackungen bereits 130 Tonnen an Plastik eingespart. Beispielhaft sind hier die selbst mitentwickelten Kartonschalen für Käsescheiben.“ Auch dies sind nur einige von zahllosen Beispielen, mit denen die Hersteller ihre Klimabilanz in den letzten Monaten und Jahren weiter verbessert haben, deren komplette Aufzählung unseren Rahmen sprengen würde.

Wege.

Dass Transportwege so kurz wie möglich gehalten werden, darin ist man sich ebenfalls einig. „Durch Tourenoptimierungen konnten in den letzten Jahren die Transportwege reduziert werden“, bestätigt etwa Käsemacher-GF Doris Ploner. „Zudem sind die Sammelwägen auf dem neuesten Stand der Technik, wodurch weniger Energie verbraucht wird.“

Alternativen?

Was den Vergleich mit pflanzlichen Alternativen angeht, regt man in den Molkereien übrigens dazu an, auch hier über den Rand der Packung hinauszudenken. NÖM-Vorstand Alfred Berger meint etwa: „Wir verarbeiten die Milch unserer 2.500 Bauernbetriebe aus der Region. Soweit wie möglich ist der Bezug der Rohstoffe regional angesiedelt. 90% des Einkaufsvolumens werden bei österreichischen Lieferanten gedeckt, wobei sich 71% von ihnen weniger als 200km von der Molkerei entfernt befinden. Wenige pflanzliche Alternativen können diese regionale Wertschöpfung und -schätzung bieten.“ Auch Berglandmilch-GF Josef Braunshofer gibt zu bedenken: „Ein direkter Vergleich ist nur begrenzt möglich. So hat ein Haferdrink zum Beispiel in Bezug auf 1L einen geringeren ökologischen Fußabdruck als die Milch. In Bezug auf die Nährstoffdichte – Pflanzendrinks haben häufig einen signifikant niedrigeren Eiweißgehalt – hat die Milch dagegen einen viel geringeren ökologischen Fußabdruck.“ Und Käserebellen-GF Andreas Geisler meint: „Nachhaltigkeit ist so zu verstehen, dass Ressourcen so eingesetzt werden, dass diese auch für die nächsten Generationen zur Verfügung stehen. Die Milchwirtschaft, wie sie seit Jahrhunderten in der Alpenregion betrieben wird, ist extensiv und macht die Alpen in Bezug auf Tourismus außerdem noch lebenswert. Für die Erzeugung von 1kg veganem Lebensmittel fallen im Durchschnitt 4kg nicht essbare Biomasse an, welche durch Wiederkäuer verwertet werden kann.“ Christof Abbrederis von Alma sieht die Sache folgendermaßen: „Im Vergleich mit Pflanzenmilch-Alternativen stoßen Kühe zwar mehr CO2 aus, dafür ist die Milch in unserem Fall aus der Region, von kleinen Bauernhöfen und durch die nachhaltige Bodenpflege wieder eine attraktive Option.“

Fazit.

Eine letztgültige Beurteilung der Nachhaltigkeit von Milch maßen wir uns freilich nicht an. Eindeutig ist jedoch zu beobachten, dass die Branche bemüht ist, ihren ökologischen Fußabdruck durch unterschiedlichste Maßnahmen weiter zu verkleinern. Das Nachhaltigkeits-Fazit von Ennstal Milch-GF Harald Steinlechner, das sicher viele seiner Branchenkolleg:innen unterschreiben würden, lautet: „Wir produzieren heute so umweltschonend wie noch nie.“

Produkte mit Zukunft

Milch
HERAUSFORDERUNGEN:

• Methanausstoß durch Milchkühe
• Verpackungsaufkommen
• hoher Energieverbrauch in der Produktion

Zwar steht die Milchwirtschaft aufgrund des Methanausstoßes der Kühe in der Kritik, jedoch ist zu bedenken, dass im genutzten Grünland zugleich auch CO2 gebunden wird, was für das Klima natürlich förderlich ist. Hinsichtlich Packagings setzt man vermehrt auf nachhaltige Varianten wie Mehrwegflaschen, Gebinde mit Recyclingkunststoff bzw. Getränkekartons mit hohem Anteil an nachwachsenden Rohstoffen. In den Molkereien treibt man den Einsatz nachhaltiger Energieformen voran, etwa durch Biomasse-Kraftwerke. Es gibt Betriebe, die sogar schon CO2-neutral agieren.