Heiße Kartoffel

Roman Postl, Director Sales Ö/Osteuropa

Ein Ausbau der Bepfandung von Mehrweg-Getränkeflaschen sowie eine Einführung auch bei Einweg-Gebinden ist bereits in vielen europäischen Ländern gang und gäbe. Doch wie sieht dies in Österreich aus? Der Director Sales Österreich & Osteuropa von Tomra Leergutsysteme, Roman Postl, spricht über Möglichkeiten sowie Stolpersteine.

PRODUKT: Wird ein Pfandsystem in Österreich kommen?
Postl: Ein Einweg-Pfandsystem ist wie eine heiße Kartoffel. Keiner traut sich diese anzufassen, dabei ist diese gewusst wie und mit dem richtigen Werkzeug äußerst bekömmlich. Ein Einwegpfandsystem hat sehr viele Vorteile, wenn es um Umwelt- und Ressourcenschutz in Bezug auf Getränkeverpackungen geht. Es ist ein sehr effizientes Instrument zur Stärkung des Mehrwegsektors, zur Vermeidung von Littering und nicht zuletzt lassen sich in kürzester Zeit sehr hohe Sammelquoten erreichen. Wegen der neuen EU-Sammelquotenvorgaben, dem immer lauter werdenden Rufen unserer umweltbewussten Gesellschaft und einer nachhaltigen Wirtschaft mit Blick auf den Stress, unter dem unsere Mutter Erde steht, ist es der einzig logische Schritt.

PRODUKT: Wie effektiv sind Einweg-Pfandsysteme und mit welchen Ergebnissen kann man rechnen?
Postl: Litauen ist hier ein sehr gutes Beispiel, da das System, das 2016 etabliert wurde, innerhalb von zwei Jahren die Sammelquote von PET-Flaschen von 34% auf 92% steigern konnte. Schaut man sich einmal die Sammelquoten aller zehn existierenden Einwegpfandsysteme in Europa an, so kommt man auf einen Durchschnittswert von über 90%. Das ist auch die magische Marke, die alle EU-Mitgliedsstaaten bis 2029 bei Plastikflaschen erreichen müssen, und bis 2025 77%. Vorteile gibt es zudem für die Recyclingindustrie. Durch die hohen Sammelquoten und die Reinheit des gesammelten Materials wird ein stabiles Angebot an Sekundärrohstoffen generiert, die für die Produktion gleichwertiger Produkte geeignet sind. So kann z.B. eine alte PET-Flasche zu einer neuen PET-Flasche verarbeitet werden. Denn es gibt von Seiten der EU die klare Verpflichtung für Mitgliedsstaaten und Getränkehersteller, die Nutzung von Primärrohstoffen graduell durch Sekundärrohstoffe zu ersetzen. So sollen Plastikflaschen bis 2025 zu 25% und bis 2030 zu 30% aus Rezyklat bestehen.

PRODUKT: Deutsche Konsumenten beklagen, sie hätten den Überblick verloren, welche Pfandflaschen zu Einweg und welche zu Mehrweg zählen. Das deutsche System ist verwirrend, Mehrweg-Lösungen haben Marktanteile verloren.
Postl: In Deutschland fehlte über viele Jahre die Kennzeichnungspflicht beim Handel, die vor einigen Jahren korrigiert wurde. So muss heute klar und sichtbar für den Konsumenten erkenntlich gemacht werden, ob es sich um ein Einweg- oder Mehrweggetränk handelt. Aus diesem Fehler sollten zukünftige Systeme definitiv lernen. Mehrweg ist generell dem Einweg vorzuziehen, es vermeidet Abfall. Komplementär zum Einwegpfandsystem benötigt es hier klare gesetzliche Rahmenbedingungen, um den Mehrwegsektor zu stärken und auszubauen. Die Grundvoraussetzung ist eine ambitionierte verpflichtende Mehrwegquote für Getränkeverpackungen.

PRODUKT: Wie könnte ein erfolgreiches Pfandsystem hierzulande aussehen? Welche Lösungen gelten als vorbildlich?
Postl: Hier muss das Rad nicht neu erfunden werden. Schauen wir nach Skandinavien und ins Baltikum, ähneln dort sehr viele Bausteine einander. Die Systeme funktionieren erfolgreich und sind in der Regel in der Hand von Handel und Industrie, die zusammen einen zentralen Systembetreiber stellen. Der ist verantwortlich für den transparenten Fluss von Pfand-, Material- und Datenströmen. Operiert wird auf einer Not-For-Profit Basis, das System finanziert sich über den Verkauf des gesammelten Materials (der Systembetreiber ist Eigentümer), den Pfandschlupf der nicht zurückgebrachten Verpackungen und eine Produzentengebühr, die Getränkehersteller und Importeure pro Gebinde an das System zahlen. Für Österreich ist es ratsam, sich auch am litauischen Pfandsystem zu orientieren.

PRODUKT: Wie sieht es mit dem enormen Mehraufwand für den Handel aus?
Postl: Ja, es bedarf an Platz und ja, es ist ein Mehraufwand. Jedoch das Wort „enorm“ ist mit flexibel planbarer Rücknahmetechnik und dem Verdichten der leeren Flaschen relativ! Alle vorangegangenen Pfandsysteme haben dafür Lösungen geschaffen, sei es im Bereich der Technologie oder dem dahinterstehenden Finanzmodell. In existierenden Pfandsystemen ist es die Norm, dass der Handel pro zurückgenommener Verpackung mit einer „Handling Fee“ vergütet wird. Sprich, je mehr der Handel zurücknimmt, desto schneller amortisiert sich die Investition in die Rücknahmetechnologie und der Aufwand. Ein interessantes Beispiel ist auch hier das litauische Geschäftsmodell. Hier musste der Handel nicht in die Automatentechnologie investieren und hat diese kostenfrei gestellt bekommen. Sowohl der Handel als auch der Automatenhersteller werden über eine Handling Fee pro zurückgenommenem Gebinde kompensiert. Es gibt also viele flexible Lösungen, um den Handel hier zu unterstützen.

PRODUKT: Danke für das Gespräch.

Tomra Leergutsysteme, empfiehlt im Pfandsystembereich bspw. einen Blick nach Litauen