Hochspannung

Günter Thumser, GF des österreichischen Markenartikelverbandes und Rainer Will, CEO des Handelsverbandes

Auslistungen, Flugblätter, die plakativ Preise von Markenartikeln und Eigenmarken vergleichen und der Start einer Untersuchung der BWB – aktuell ist von einer guten Partnerschaft zwischen Handel und Herstellern nicht viel zu sehen. Wir haben stellvertretend für die beiden Seiten mit Günter Thumser, GF des österreichischen Markenartikelverbandes, und Rainer Will, CEO des Handelsverbandes, gesprochen – und beiden dieselben Fragen gestellt.

PRODUKT: Bitte erläutern Sie uns die HINTERGRÜNDE zu den aktuellen Unstimmigkeiten in der Branche!

THUMSER: Die Markenartikel sind in den letzten Jahren generell gesehen preisdämpfend gewesen. So weist GfK die entsprechende FMCG-Inflationsrate für den Zeitraum April 21 bis Februar 22 um etwa 2,5 Prozentpunkte niedriger aus als die Landesinflation. Die Hersteller hatten in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Kostensteigerungen in drei Wellen zum größten Teil selbst übernommen: das Streben nach nachhaltigeren Lösungen (Rohstoffe, Prozesse, Verpackungen, Logistik) verbunden mit dann auch erheblichen neuen gesetzlichen Anforderungen, die Lieferkettenprobleme und Mehrkosten während Covid, wie auch die ersten Energiekostensteigerungen. Die enormen neuerlichen Kostensteigerungen lassen den Herstellern keine andere Wahl, als diese Kosten in verantwortungsvollem Rahmen an den Handel und damit auch an die Endkonsument:innen weiterzugeben. Die Konsument:innen erwarten zu Recht die Garantie einer gleichbleibend hohen Qualität! Dies verbietet Kompromisse in der Herstellung nur des Preises wegen. Man zahlt den doppelten Treibstoffpreis, beansprucht deutlich höhere Löhne und Gehälter – Lebensmittel sollten aber möglichst unverändert bleiben – eine „Rechnung“, die nicht aufgehen kann.

WILL: Im Kern geht es darum, dass unsere Lebensmittelhändler in den letzten Monaten verstärkt wahrgenommen haben, wie manche internationale Lebensmittelproduzenten die Inflation anheizen. Die Preiserhöhungen dieser Produzenten sind teilweise stark übertrieben und liegen weit über der tatsächlichen Teuerungsrate. Die heimischen Lebensmittelhändler sehen sich aber als Anwälte der Kund:innen. Daher lassen wir uns die teils maßlos überzogenen Preisforderungen nicht einfach gefallen.


RODUKT: Mittlerweile hat der Konflikt das Interesse der BUNDESWETTBEWERBSBEHÖRDE geweckt – ist das zielführend?

THUMSER: Die zunehmend aufgeheizt in die Öffentlichkeit getragene Diskussion ist nur schädlich: Sie trifft auf durch die multiplen Krisen ohnedies schon massiv verunsicherte Konsument:innen und führt durch die Anschuldigungen einzelner Handelsrepräsentanten verstärkt zu weiterer Verunsicherung. Die Konsequenz ist zunächst einmal Konsumzurückhaltung durch Unsicherheit. Dagegen wäre es wesentlich zielführender, wenn der LEH gerade jetzt souverän die Lebensmittelsicherheit in Österreich ausspielt, das Bekenntnis zu nachhaltigeren Verfahren und Produkten wie auch der nachverfolgbaren heimischen Herkunft – alles Themen, die in den letzten Jahren sehr deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Die Refokussierung auf den Preis allein ist ein Rückfall in „alte Zeiten“ – eine Abkehr von der Wert-Schätzung der Güter des täglichen Bedarfs.

WILL: Wir haben die Branchenuntersuchung der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette – insbesondere auch der nationalen und internationalen FMCG-Player – zur Kenntnis genommen. Untersuchungsgegenstand wird ja u.a. sein, wie sich die wettbewerblichen Faktoren in den letzten Jahren in der Lebensmittelbranche verändert haben, aber auch wie sich die Konzentration innerhalb der Produktkategorien entwickelt hat. Der Handelsverband begrüßt insbesondere die Untersuchung darüber, wohin die Preissteigerungen im Jahr 2022 tatsächlich geflossen sind. Denn der österreichische Lebensmittelhandel verzeichnet in der Regel Margen im Bereich von 1 bis 3%, internationale Lebensmittelkonzerne hingegen 10 bis 15% des Umsatzes.


PRODUKT: Die Hersteller sind mit massiven KOSTENSTEIGERUNGEN konfrontiert – wie kann damit vernünftig umgegangen werden?

THUMSER: Wir dürfen davon ausgehen, dass die Produzenten verantwortungsbewusst nur jenen Teil der Kosten weitergeben, den sie selbst nicht mehr tragen können. Schließlich ist allen gemein: Sie wollen die Produkte, die sie herstellen, auch verkaufen! Insofern ist es völlig unverständlich, wenn einzelne sehr große Handelsorganisationen nachweislich die Preise ihrer Eigenmarken stärker erhöhen als die der Markenartikel – in zahlreichen Kategorien der Fall – und dennoch in der Öffentlichkeit Lieferanten vehement attackieren und sich als Schützer der Konsument:innen darstellen.

WILL: Einige heimische Lebensmittelhändler haben durch ihre hauseigene Produktionstätigkeit – Stichwort Eigenmarken – einen guten Überblick, wie die Preise für Rohstoffe und Verpackungen in den letzten Monaten tatsächlich gestiegen sind. Und keine Frage: Auch viele Produzenten sind massiv von den gestiegenen Rohstoffkosten betroffen. Daher haben wir auch Verständnis, wenn die Einkaufspreise für bestimmte Produkte moderat angepasst werden müssen. Kein Verständnis haben wir aber dann, wenn sich manche Konsument:innen Grundnahrungsmittel wie Mehl oder Nudeln nicht mehr leisten können, während internationale Lebensmittelkonzerne enorme Gewinne verkünden. Das ist nichts anderes als „Greedflation“ – Inflation getrieben durch Gier. Hier zieht der heimische Handel eine klare rote Linie für die Kund:innen: Werden Produkte im Einkauf zu teuer, nehmen wir sie aus dem Sortiment und bieten Alternativen von anderen Herstellern oder von unseren Eigenmarken an.


PRODUKT: National/International – warum stehen die globalen KONZERNE so sehr im Fokus bei dieser Diskussion?

THUMSER: Im österreichischen LEH decken nur drei große Handelskonzerne gut 85% des Marktes ab, das führt zu einer enorm konzentrierten Nachfragemacht. Hier tun sich rein nationale Hersteller naturgemäß schwerer, ihre dringend notwendigen Anforderungen den Einkäufer:innen gegenüber durchzusetzen. Im Übrigen haben auch internationale Hersteller große und wichtige Produktionsstätten in Österreich, wie beispielsweise Mondelez in Bludenz, Mars in Bruck/Leitha oder Henkel in Wien Erdberg.

WILL: Ganz einfach, weil wir von den heimischen Produzenten nicht mit derart ungerechtfertigten Preiserhöhungen konfrontiert wurden. Das Problem betrifft einige wenige, global agierende Nahrungsmittelkonzerne. Gleichzeitig ist der Druck ebendieser Multis, den Preiserhöhungen zuzustimmen, so groß wie nie zuvor. Denn je kleiner die Verhandlungsstärke des Händlers, desto größer sind die Auswirkungen. 


PRODUKT: Welche Umstände müssen eintreten, damit sich der Konflikt generell ENTSPANNEN kann? 

THUMSER: Gerade, weil allen Prognosen zufolge die Inflation auch 2023 weiter herausfordernd sein wird, wäre ein konstruktives Zugehen auf die Konsument:innen im Sinne einer Deeskalierung nur förderlich. Argumente über die Leistungen sowohl der Hersteller wie auch des Handels – wohlgemerkt abseits des billigsten Preises! – gibt es genug. Schaffen wir doch gemeinsam wieder einen Raum für den täglichen Qualitäts-Einkauf – die Konsument:innen werden es mit neuer Kauffreude belohnen.

WILL: Wir hoffen, dass die Inflation mit aktuell 11% und insbes. die Energiepreise ihren Peak erreicht haben und sich die Preise in den kommenden Monaten wieder in eine gesunde Richtung entwickeln werden. Generell plädieren wir dafür, die regionale Wertschöpfung zu unterstützen – und damit verstärkt hochwertige Produkte „Made in Austria“ zu kaufen. Einer der Gründe, warum bspw. die Preise von heimischen Bio-Produkten im Vergleich zu anderen weniger stark angestiegen sind, ist übrigens, dass sie in der Produktion ohne Pestizide und Kunstdünger auskommen müssen. Daher das Plädoyer an alle: Regional kaufen heißt gut kaufen.