In der Theorie geht vieles

In Sachen Recyclingfähigkeit liegen Theorie und Praxis oft weit auseinander, meint Roland Pomberger, Leiter des Lehrstuhls für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft an der Montanuniversitöt Leoben.

Theoretisch lässt sich so einiges recyceln – in der Praxis sieht es aber oft ganz anders aus. Wir haben mit Roland Pomberger, Leiter des Lehrstuhls für Abfallverwertungs­technik und Abfallwirtschaft an der Montanuniversität Leoben, über die Hürden auf dem Weg zu einem funktionierenden Recycling-Kreislauf gesprochen.

 

PRODUKT: Können Sie uns einen Überblick geben, was der EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft für die FMCG-Branche bedeutet?
Pomberger: Der Aktionsplan ist Teil des „Green Deals“ – Recycling und Kreislaufführung sind ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Dabei liegt der Schwerpunkt bei nachhaltigeren Produkten. So sollen die Recyclingfähigkeit erhöht werden, weniger Einwegprodukte in den Umlauf kommen und neue Anforderungen an Verpackungen gestellt werden. Eines der zentralen Instrumente sind stark angehobene Recyclingquoten für Siedlungsabfälle und Verpackungen insbesondere Kunststoffverpackungen. Auch die Single Use Plastic-Richtlinie ist von großer Bedeutung.

PRODUKT: Generell wären ja viele Verpackungen bereits jetzt recyclingfähig, recycelt wird aber nur ein Bruchteil davon – warum?
Pomberger: Die Recyclingfähigkeit wird derzeit oft nur auf der Ebene des Materials untersucht und bewertet. Ich nenne das die „theoretische Recyclingfähigkeit“. Sehr oft können solche Produkte aber in Sortiermaschinen nicht erkannt oder aussortiert werden. Und wenn die Abfälle nicht getrennt gesammelt werden oder die Finanzierung nicht sichergestellt ist, dann erfolgt in der Realität oftmals kein Recycling. Wir müssen also prüfen, ob die Produkte wirklich gesammelt, wirklich sortiert und tatsächlich recycelt werden. Erst dann ist die „reale Recyclingfähigkeit“ gegeben.

PRODUKT: Was wären aus Ihrer Sicht die nächsten wichtigen Schritte, um einen wirklich funktionierenden Kreislauf sicherzustellen?
Pomberger: Was uns wirklich fehlt, ist eine wirksame „Ökomodulation“. Das bedeutet, dass die Lizenzgebühren für Inverkehrsetzer von Verpackungen die Recyclingfähigkeit berücksichtigen müssen. Wenn für eine nicht recyclingfähige Verpackung der doppelte Beitrag zu leisten ist wie für eine recyclingfähige, dann wird innerhalb relativ kurzer Zeit das Potential des Recyclingfähigen massiv ansteigen. Wir haben dann in unseren Kunststoffabfällen mehr Verwertbares drin als heute und können mehr ins Recycling lenken.

PRODUKT: Was kann die FMCG-Branche derzeit tun, um in Sachen Verpackung möglichst nachhaltig zu agieren?
Pomberger: Ich sehe hier zwei Ansätze: 1. Verpackung aus möglichst einer Kunststoffart gestalten. 2. Prüfen, ob die Verpackung in einer Sortieranlage tatsächlich erkannt und erfasst werden kann. Die Inverkehrsetzer müssen sich mehr damit beschäftigen, was wirklich in der Abfallwirtschaft mit ihren Produkten passiert.

PRODUKT: Derzeit werden Recycling-Wertstoffe v.a. im Kunststoffbereich von den Verbrauchern relativ grob vorsortiert. Macht das aus abfallwirtschaftlicher Sicht Sinn und warum bzw. warum nicht?
Pomberger: Ja, die getrennte Sammlung macht Sinn. Die Reduktion der Sammlung auf reine Hohlkörper („Flaschensammlung“) hat sich als nicht erfolgreich herausgestellt. Keinen Sinn macht es, die „Gelbe Tonne“ noch weiter zu differenzieren. Im Bereich der Abfallwirtschaftszentren könnten aber mehr Möglichkeiten für bereits vom Bürger vorsortierte Kunststoffarten geschaffen werden. Eines ist aber auch klar: Wir werden noch näher zum Bürger gehen müssen, um mehr und bessere Qualitäten zu sammeln. Die notwendige Verdopplung der Kunststoffverwertungsquote auf 50% bis 2025 wird eine große Herausforderung!

PRODUKT: Danke  für das Gespräch!