Je mehr(weg), desto besser

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Mehrweg-Gebinde gelten als einer der wichtigsten Lösungsansätze zur Müllvermeidung und somit Ressourcenschonung. Wir haben uns angesehen, wie rund das System derzeit in Österreich läuft und an welchen Schrauben noch gedreht werden muss.

Dass es prinzipiell vernünftig ist, Behältnisse mehrfach zu verwenden, statt sie nach einmaligem Gebrauch zu entsorgen, liegt auf der Hand. Die zweifellos in großer Zahl vorhandenen Vorteile von Einweg-PET haben es den bis vor wenigen Jahrzehnten gängigen Mehrweg-Glasflaschen aber schwer gemacht und sie in vielen Kategorien teilweise oder gänzlich vom Markt verdrängt. Lediglich am Biermarkt blieb Mehrweg immer ein richtig großes Thema. Dass die Angebotsvielfalt bei Mehrweg-Konzepten zuletzt im LEH wieder gewachsen ist, ist darauf zurückzuführen, dass zusätzlich zu jenen Unternehmen, die den Mehrweg nie verlassen haben, einige Markenartikler in den vergangenen Jahren kräftig investiert haben, um ihre Anlagen auf den neuesten Stand zu bringen oder um überhaupt (wieder) in der Wiederbefüllung aktiv sein zu können. Wie etwa Egger Getränke, wo man „Limö“, „Granny´s“ und „Unkraut“ in Mehrweg-Formaten anbietet: „Im März 2020 hat Egger die modernste Glasabfüllanlage Österreichs in Betrieb genommen und nach mittlerweile zwei Jahren sind wir mit der Bilanz mehr als zufrieden“, berichtet GF Frank van der Heijden und ergänzt: „Wir sehen, dass das Angebot immer mehr nachgefragt und angenommen wird und gestalten aktiv das Comeback der Mehrweg-Glasflasche in der Getränkebranche mit.“

Auch gut in PET.

Vöslauer ist das Thema ebenfalls ein großes Anliegen: Nach der Wiedereinführung der 1L-Glas-Mehrwegflasche im Handel im Jahr 2014 hat man 2019 ein weiteres starkes Mehrweg-Bekenntnis abgegeben und 9 Mio. € in die Erneuerung der Produktionsanlage für Glasflaschen gesteckt, mit der auch 0,5L-Mehrweg-Glasflaschen möglich sind. Dieser Tage folgen aber bereits die nächsten spannenden News aus dem Hause Vöslauer. Das Unternehmen bringt nämlich eine Mehrwegflasche aus PET auf den Markt – ein Format, das bis in die 90er-Jahre gängig war. Die Flasche punktet mit 90% weniger Gewicht als ein entsprechendes Glas-Gebinde und hat derzeit einen Rezyklat-Anteil von 30%, der kontinuierlich ausgebaut werden soll.

Milky way.

Auch bei Milchprodukten wird der Mehrweg-Gedanke nun wieder aktiv umgesetzt. Die Berglandmilch hat 2019 in eine entsprechende Abfüll- und Reinigungsanlage investiert und brachte Anfang 2020 Milch in Mehrweg-Glasflaschen in den Handel. Wenig später folgte die Einführung der 0,5L-Flasche und Ende 2021 schickte man schließlich auch Joghurts im 450g-Mehrweg-Glas an den Start.

Wächst.

Neben den bereits genannten (und jenen, die ohnehin immer auf wiederbefüllbare Gebinde gesetzt haben) wurden speziell während der letzten beiden Jahre aber noch einige weitere Marken in Mehrweg-Gebinden für den LEH lanciert, wie etwa „Coca-Cola“ in der Konturflasche, „Römerquelle“-Mineralwasser sowie zum Teil auch „Römerquelle Emotion“, „Almdudler“ und „Spezi“, um nur einige Beispiele zu nennen. Dieser Tage startet außerdem „Pago“ in der Mehrwegflasche (abgefüllt bei Egger) durch, und zwar in drei Sorten in einer transparenten 1L-Einheit (siehe Produktvorstellung auf Seite 22).

Machbar?

Ganz so easy wie das Thema hier angesichts der hohen Beteiligung anmutet, ist die praktische Umsetzung aber freilich nicht. „Die Herausforderungen bei Mehrweg-Systemen sind vielfältig“, schildert Berglandmilch-GF Josef Braunshofer. „Sie beginnen bei der hohen Investitionssumme, dem hohen logistischen Aufwand, der aktuell begrenzten Glasverfügbarkeit und enden bei dem Thema Abschriften. Das alles führt dazu, dass kritische Absatzmengen erreicht werden müssen, um ein solches Projekt betriebswirtschaftlich sinnvoll umsetzen zu können.“ Für kleinere Unternehmen ist die Umsetzung deshalb in der Praxis nochmal schwieriger, wobei hier die Möglichkeit für Lohnfüllungen, wie sie etwa Egger anbietet, besteht. „Damit ist es auch kleineren Produzenten möglich, ihre Produkte in Mehrweg-Glasflaschen abzufüllen, ohne dass sie selbst ihren Betrieb umstellen müssen“, erläutert Sebastian Stieger, Leiter Verkauf und Marketing bei Egger Getränke.

Kurz halten.

Immer im Fokus behalten muss man außerdem die Frage nach dem nötigen Transportweg. Wenn die Flaschen allzu weit hin und her geführt werden müssen, wird die ökologische Sinnhaftigkeit fragwürdig. Berglandmilch-GF Josef Braunshofer: „Die umweltrelevanten Vorteile sind bei kurzen Transportwegen deutlich höher. Aus diesem Grund wird das Mehrwegsystem bei der Berglandmilch regional ausgebaut. Mitte 2022 werden (Anm.: ergänzend zu den Werken in Aschbach-Markt und Wörgl) die ersten Glasflaschen im Werk in Voitsberg gereinigt und befüllt. Wir können dann alle Partner auf Transportstrecken unter 200km regional beliefern.“ Dass dies relevant ist, bestätigt man etwa auch bei Stiegl (Mehrweg-Quote im Unternehmen: über 60%): „Je kürzer die Transportwege sind, desto umweltfreundlicher“, so Chefbraumeister Christian Pöpperl.

Drehzahl.

Neben der möglichst geringen Distanz zwischen Abfüller und PoS spielt aber auch die Anzahl der Umläufe, die eine Flasche schafft, bevor sie aussortiert werden muss, eine maßgebliche Rolle in der Ökobilanz. „Glasflaschen können bis zu 50-mal wiederbefüllt werden“, schildert Egger-GF Frank van der Heijden. „Das liegt u.a. an der inerten Eigenschaft von Glas. Es nimmt nichts auf, gibt nichts ab und kann dank seiner glatten Oberfläche vergleichsweise einfach und mit deutlich weniger Reinigungsmitteleinsatz gesäubert werden.“ Wie oft der Kreislauf in der Realität von einer Flasche bewältigt wird, hängt aber u.a. vom Inhalt ab. „Durchschnittlich werden unsere Glasflaschen bis zu 40-mal wiederbefüllt“, schildert etwa Christoph Till, Sales Director Coca-Cola HBC Österreich. „Bei uns werden Mehrweg-Flaschen mindestens 20-mal wiederverwendet“, berichtet hingegen Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl. Und bei Milch sieht die Sache folgendermaßen aus: „Eine Mehrwegflasche schafft rund 15 Umläufe“, so Berglandmilch-GF Josef Braunshofer. Spannend ist, was uns Almdudler-GF Gerhard Schilling geschildert hat: „Viele der ‚Almdudler‘-0,35L-Glas-Mehrweg-Formflaschen, die im Umlauf sind, sind schon älter als 40 Jahre.“ Die Lebensdauer lässt sich dabei durch bestimmte Maßnahmen verlängern. Christian Pöpperl, Stiegl: „Durch eine schonende Behandlung sowohl bei der Reinigung als auch beim Transport kann die Zahl der Umläufe erhöht werden.“ Christoph Till, Coca-Cola HBC, geht ins Detail: „Für die bestmögliche Effizienz in Bezug auf die Umlaufzahl sind zweierlei Faktoren essenziell: zum einen das bedarfsgerechte Handling und zum anderen Lagerbedingungen, welche die Flasche vor hohen Wärme- bzw. Kälteeinflüssen schützen.“

Aufklären.

Damit das Mehrwegsystem also so effizient und reibungslos wie möglich läuft, ist das Engagement mehrerer Seiten nötig. Die grundlegende Voraussetzung ist aber, dass die Gebinde überhaupt in den Handel zurückgebracht werden. Egger-GF Frank van der Heijden: „Die Konsument:innen müssen auf diesem Weg mitgenommen und über die Möglichkeiten der Wiederverwertung und die Sammelsysteme aufgeklärt werden.“ Ähnlich sieht das Christoph Till, Coca-Cola HBC: „Um den Kreislauf schließen zu können, ist es wichtig, alle beteiligten Stakeholder – von der Abfüllung über den Handel bis zu den Konsument:innen – in diesen Prozess zu involvieren und entsprechend zu informieren.“

Angenommen.

Dass die Markenartikler den Mehrweg wieder verstärkt beschreiten, wird durchwegs begrüßt. Im Handel betont man die Wichtigkeit des Themas und bestätigt, dass die Konsument:innen die entsprechenden Angebote gut annehmen (siehe unsere Rubrik „PRODUKT fragt den Handel“ auf Seite 8). Nicht zuletzt die Tatsache, dass nun auch Hofer Milch in Mehrweg-Flaschen anbietet und zurücknimmt, darf als Zeichen betrachtet werden, dass hier ein großer Umschwung im Gange ist.