Kein Alleingang

Katharina Koßdorff, GF des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie

Beim Heftthema dieser Ausgabe – „Österreich“ – kommt man natürlich am Thema „Verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Produkten“ nicht vorbei. Wir haben Katharina Koßdorff, GF des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie, gebeten, hierzu mit uns Bilanz zu ziehen und auch einen Ausblick zu geben, was in näherer Zukunft zu erwarten ist.

PRODUKT: Bitte geben Sie unseren Leser:innen einen kurzen Überblick, was bzgl. Herkunftskennzeichnung der Stand der Dinge ist.

Koßdorff: Die Angabe der Herkunft ist bei Lebensmitteln bereits umfassend geregelt und wird laufend von der EU erweitert, demnächst in wenigen Monaten. Schon jetzt ist bei Fleisch (verpacktes frisches Fleisch von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel), Eiern, Honig, Obst, Gemüse, Olivenöl, Fisch und Bio-Lebensmitteln die Angabe der Herkunft EU-weit verpflichtend vorgeschrieben. Irreführung bei der Herkunft von Lebensmitteln ist verboten. Seit 2020 ist EU-weit auch die Herkunft der sogenannten Primärzutat eines Lebensmittels anzugeben. Hier gilt: Wer mit der Herkunft eines verarbeiteten Lebensmittels wirbt, etwa mit einer „rot-weiß-roten Fahne“, muss die Herkunft der Primärzutaten des Produktes auf dem Etikett deklarieren, wenn diese eine andere Herkunft haben.

Österreich wollte eine darüberhinausgehende, rein nationale verpflichtende Regelung einführen. Sie hätte nur in Österreich und nur für heimische Hersteller, nicht für Importware und ausländische Hersteller gegolten. Unsere Hersteller wären damit gegenüber anderen Herstellern aus der EU stark benachteiligt, da nur sie den Zusatzaufwand und die Kosten zu tragen hätten, aber mit importierten Produkten im Regal preislich konkurrieren. Diese Gefahr ist nun abgewendet, da Österreich seine nach Brüssel notifizierte Regelung zurückgezogen hat. 

Ausschlaggebend dafür war auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) „Lactalis“. Darin hat der EuGH klargestellt, dass einzelstaatliche Regelungen zur Herkunftskennzeichnung nur zulässig sind, wenn der Mitgliedstaat objektiv nachweist, dass eine eindeutige Verbindung zwischen der Qualität eines Lebensmittels und seiner Herkunft besteht. Mit anderen Worten: Österreich musste nachweisen, dass österreichische(s) Milch, Eier und Fleisch „besser“ sind, nur weil sie aus Österreich stammen. Diesen Nachweis konnte Österreich nicht erbringen, was alleine aus praktischer Sicht nachvollziehbar ist. Folglich musste der Regelungsentwurf zurückgezogen werden.

PRODUKT: Was bedeutet das in der Praxis? In wieweit werden die Inhalte der demnächt erweiterten Verordnung von den Herstellern schon umgesetzt? 

Koßdorff: Die geltenden EU-Vorschriften zur Herkunftskennzeichnung werden freilich bereits umgesetzt und sind auf den Produkten vermerkt. Wer sich darüber hinaus für die Herkunft von Lebensmitteln interessiert, findet bereits heute ein riesiges Angebot an Lebensmitteln mit regionalen und nationalen Herkunftsangaben vor. Auch gibt es spezielle Gütesiegel, die den Konsument:innen neben Qualität auch die Herkunft eines Lebensmittels vermitteln, etwa das AMA-Gütesiegel. Allein bei Milch und Milchprodukten sowie Frischeiern sind etwa 80% der Produkte mit dem österreichischen AMA-Gütesiegel ausgezeichnet, bei frischem Obst und Gemüse sind es je nach Saison 20 - 80%, bei Fleischerzeugnissen circa 20%. Auf EU-Ebene gibt es mit g.g.A. (geschützte geografische Angabe) und g.U. (geschützte Ursprungsbezeichnung) bereits eingeführte Nachweise der Herkunft. 

PRODUKT: Und welche konkreten Probleme hätte eine rein nationale Regelung für die unterschiedlichen Player mit sich gebracht?

Koßdorff: Unsere Hersteller stehen im harten globalen Wettbewerb. Eine Regelung, die nur in Österreich und nur für unsere heimischen Betriebe gilt, schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller. Wir begrüßen daher sehr, dass davon Abstand genommen wurde. Damit wurden Rechtsunsicherheit, Zusatzaufwand und vor allem enorme Kosten für die heimischen Betriebe vermieden. Mhehrkosten entstehen, weil Rohstoffe getrennt nach Herkunft gelagert, transportiert, verarbeitet und deklariert werden müssen. Etiketten müssen jedes Mal geändert werden, wenn ein Rohstoff aus einem anderen Land kommt, was durch Ausfälle von Lieferanten oder Ernten jederzeit passieren kann. Das ist unverständlich. Es kann doch keiner wollen, dass importierte Produkte günstiger sind als heimische. Daher waren wir strikt gegen den österreichischen Alleingang, weil er nur unsere Betriebe belastet und unsere Lebensmittel verteuert hätte – und das mitten in der höchsten Teuerungswelle seit 40 Jahren. 

Hinzu kommt, dass eine österreichische Herkunftskennzeichnung von den heimischen Betrieben umgesetzt und sogleich wieder abgeschafft hätte werden müssen, da die europäischen Regelungen schließlich vor der Tür stehen. Im Ergebnis: Eine Verschwendung von Ressourcen auf Seiten der Betriebe und Verwirrung auf Seiten der Verbraucher:innen. 

PRODUKT: Aus Ihrer Sicht: Was sind die wichtigsten Argumente für eine Ausdehnung der Herkunftskennzeichnung?

Koßdorff: Eine Erweiterung der bestehenden EU-Regelungen zur Herkunftskennzeichnung gibt jenen Konsument:innen, die Interesse an Angaben dieser Art haben, weitere Informationen – zusätzlich zu den vielen bereits auf den Verpackungen verfügbaren verpflichtenden und freiwilligen Angaben (z.B. das AMA-Gütesiegel). 

PRODUKT: Vielen Dank für das Gespräch!