Klare Sicht

Harald Doucha, GF Differentum Neuro Branding

Gerade jetzt befinden sich viele Unternehmen – aufgrund der Herausforderungen, die die letzten Monate gebracht haben – in einem Change-Prozess, der natürlich auch Auswirkungen auf die Markenarbeit hat. Harald Doucha, GF Differentum Neuro Branding begleitet diese Prozesse erfolgreich. Wir haben mit dem Neuromarketing-Experten gesprochen.

PRODUKT: PRODUKT beschäftigt sich eingehend mit Marken und Unternehmen – Sie auch, was genau bieten Sie an?
Doucha: Im Neuromarketing dreht sich alles um die Sicht von Konsumenten auf Marken. Spannend ist es diese Sicht klar zu erkennen und dadurch eine Marke weiter zu entwickeln. Oftmals gibt es auch einen Anstoß von innen. Etwa, wenn sich eine Unternehmensstrategie ändert und anpassen muss, tut das in Folge auch ganz viel mit der Marke. Die Sicht des Konsumenten bleibt in dieser Veränderung aber oft dieselbe und das ist nicht immer gut. Da kommen dann wir ins Spiel. Veränderung bringt Herausforderungen, aber auch große Chancen für Marken mit sich. Wir bewegen Marken, deren Unternehmen sich im Change befinden.

PRODUKT: Neuromarketing arbeitet mit dem Begriff „Belohnung“, wobei dieser Begriff ganz unterschiedliche Aspekte beinhaltet. Welche zum Beispiel?
Doucha: Diese emotionalen Belohnungen nennen wir im Englischen „Rewards“. Die Frage ist: Welches Gefühl hat der Konsument, wenn er meine Marke kauft? Was für Geschichten erzählt er und passen die zu meiner Ausrichtung? Das Gefühl von Sicherheit z.B. prägt uns Konsumenten weit stärker als etwa Risiko und Mut. Wir sind Gewohnheitstiere und bleiben lieber auf den ausgetretenen Pfaden der angebotenen Marken. Heißt: Wenn wir eine Lieblingsmarke haben, dann wird es schwer für andere Marken, diese zu besiegen.

PRODUKT: Können Sie das an einem konkreten Beispiel festmachen – zwei ganz unterschiedlich positionierte Marken etwa?
Doucha: Da gibt es eine ganze Reihe an gleichen Marken-Kategorien, in der sich einzelne Marken völlig unterschiedlich positionieren. Ich will da aber niemandem zu nahe treten, das ist nicht mein Stil, denn oftmals kenne ich die genauen Hintergründe dafür nicht. Wir schauen uns in unseren Prozessen aber ganz genau den Mitbewerb und das Umfeld an. Da erleben wir und unsere Kunden oftmals blaue Wunder...

PRODUKT: Was passiert, wenn eine Marke ihr „Belohnungsmuster“, also ihre Kernwerte o.ä., verlässt? Wie dehnbar ist eine Marke?
Doucha: Im FMCG-Bereich wird sehr viel probiert und Regalplätze wollen für neue Produkte und Nischenkäufer gewonnen werden. Vieles, wie wir wissen, verschwindet oftmals nach nur wenigen Wochen wieder. Eine Marke ist dehnbar. Im überschaubaren Ausmaß. Wir nennen das die „Standbein-Spielbein-Taktik“: Wenn eine Marke ihr Standbein nicht verlässt, also weiterhin auf die Belohnungen setzt, die sie ganz stark ausmachen und mit dem Spielbein neue Zielgruppen belohnt, dann kann sie zum echten Goal-Getter werden.

PRODUKT: Gibt es Tricks, mit denen Marketeers einfach und unkompliziert überprüfen können, ob sie mit aktuellen Aktionen, Kampagnen oder einem Relaunch ihrer Marke treu geblieben sind – nichts ist ja schlimmer, als mit Begeisterung einen neuen Weg einzuschlagen und dann festzustellen, dass man die Zielgruppe verloren hat.
Doucha: Ja, das frustriert und kostet Geld. Der einfachste Weg ist, sich davor die Gedanken zu machen. Eh klar. Im Neuromarketing lieben wir die qualitative Marktforschung, da wir hier tief in die Situationen der Konsumenten schauen können. Wir begleiten über mehrere Tage die Zielgruppe und lernen sie zu verstehen. Damit hat man dann in der Neupositionierung eine tolle Basis, die Sicherheit für die richtige Richtung gibt. Hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings so gut wie nie, wenn Marken innovieren und kreieren.

PRODUKT: Gibt es aus Ihrer Sicht generelle Positionierungs-Unterschiede zwischen Eigen- und Hersteller-Marken? Was wäre zum Beispiel ein Belohnungsfeld, das eine Hersteller-Marke unbedingt immer besetzen sollte?
Doucha: Sind Eigenmarken überhaupt Marken? Ketzerisch gesagt bedienen Eigenmarken sich der Erfinder- und Innovationskraft von Herstellermarken und verkaufen Produkte einfach günstiger. Oftmals mit einem qualitativen Abstrich. Es ist sicher effizient, funktionell und sparsam. Aber es ist auf längere Sicht auch der Tod von Herstellermarken. Also mich haben sie nicht gewonnen.

PRODUKT: In den letzten Wochen war oft die Rede davon, dass Marken gerade jetzt an Relevanz gewinnen, da sie für Sicherheit und Verlässlichkeit stehen – könnte eine Krise, wie die, die wir gerade durchleben, tatsächlich (langfristige) Folgen auf die individuellen Belohnungs-Muster der Konsumenten haben? Bzw. wie könnte man aus Sicht des Neuromarketings diese Aussage erklären?
Doucha: Da gibt es viele sehr viel gescheitere Wissenschaftler, die sich dem Thema der neuen Corona-Trends annehmen. Ich glaube, dass Marken, die auf Qualität und Kontinuität setzen, immer Klarheit geben. Der Qualitäts-Trend im Foodbereich ist nicht aufzuhalten und wird durch Corona sicher unterstützt. Ob aus dem Trend ein neues gesellschaftliches Denken wird, gilt es weiter zu beobachten.

PRODUKT: Noch eine Frage zu Change-Prozessen in Unternehmen: Erwarten Sie durch die aktuelle Situation einen steigenden Bedarf an Veränderungen in Unternehmen? Und wobei/wie können Sie hier unterstützen?
Doucha: Aber ja doch. Unternehmen müssen sich überdenken und neu orientieren. Die Marken, die sie nach außen präsentieren, sind der erste Indikator, an dem sie messen können, wie sich die Situation geändert hat und wo Anpassungen vorzunehmen sind. Zunehmend öfters werden wir in laufende Prozesse mit eingebunden. Einer der Treiber ist die Dissatisfaktion: Was passiert, wenn nichts passiert? Stellen sich Unternehmen diese Frage und bekommen dann komplexe und beängstigende Antworten, ist es Zeit für einen Change.

PRODUKT: Auf den Punkt gebracht: Ein Workshop bei Ihnen „belohnt“ wie?
Doucha: Das ist ganz einfach: Ich inspiriere, fordere und bewege Markenarbeiter. Mit Sicherheit ein Abenteuer, das mehr Praxis als Theorie beinhaltet.

PRODUKT: Danke für das Gespräch!