Land in Sicht?

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Wir möchten das Thema positiv beginnen: In kaum einem anderen Land ist die Sensibilität in Sachen nachhaltigem Fischkonsum so groß wie in Österreich – und das Angebot im LEH spiegelt das wider. Nicht zuletzt, weil die strengen Anforderungen, die der Handel an seine Lieferanten schon vor Jahren gestellt hat, gegriffen haben. Baustellen gibt es dennoch.

Einer, der sich mit diesen Baustellen nicht nur auskennt, sondern aktiv vermittelt und berät, ist Axel Hein vom WWF Österreich und auch er ist überzeugt: „In Österreich ist man weit voraus, was das verfügbare nachhaltige Angebot betrifft. Bei den Händlern, mit denen wir eng kooperieren, merken wir, dass mit Ernst an die Sache herangegangen wird.“

Die Lage.

Was aber ist das Problem? Global gesehen: 33% der kommerziell genutzten Meeresfischbestände sind überfischt, d.h. es wird mehr entnommen als nachkommen kann. Weitere 60% sind maximal befischt, was bedeutet, dass aktuell noch gleich viel nachwächst wie gefischt wird. Mit dem zunehmenden Bedarf (steigende Weltbevölkerung) sind aber auch diese Bestände langfristig nicht gesichert. Die österreichische Lage: Fisch ist ein wertvolles und im Binnenland Österreich rares Lebensmittel. Die Selbstversorgungsquote beträgt nur 6%, der Rest der insgesamt konsumierten Menge von über 68.000 Tonnen wird importiert. Die zunächst naheliegendste Lösung, auf Fisch aus Österreich zu setzen, ist also nicht möglich. Bedienen wir uns aber der globalen Fischvorkommen, sollten wir achtsam damit umgehen. Das ist freilich keine neue Erkenntnis, wie einem der schon erwähnte Blick in die Regale des Handels bestätigt: Das blaue MSC-Siegel, biozertifizierte und ASC-zertifizierte Zuchtware ist, insbesondere in den Bereichen TK und Konserve, gut vertreten. Und auch Produkte, die kein Nachhaltigkeits-Siegel tragen, sind nicht per se „böse“, denn oft gibt es in der Detailbetrachtung Gründe, warum eine Listung trotzdem in Ordnung ist. Hier liegt die Entscheidung letztlich in der Hand des Handels. 

Geschafft.

Die 100%-Nachhaltig-Marke bereits erreicht hat übrigens Iglo: Das gesamte Meeres-Fisch-Portfolio des TK-Marktführers, der gemeinsam mit dem WWF 1997 den Marine Stewardship Council (MSC) aus der Taufe gehoben hat, ist bereits seit 2013 MSC-zertifiziert. Seit kurzem darf man zudem auf 100% kontrollierte Nachhaltigkeit auch bei Zuchtfisch stolz sein: Mit dem neuen ASC-zertifizierten „iglo Atlantiklachs“ ist auch dieses Segment zur Gänze besiegelt. Felix Fröhner, GF Iglo Austria: „Iglo war die erste Marke mit einem MSC-zertifizierten Meeresfisch im Jahr 2003 und kann bereits seit 2013 mit Stolz auf ein zur Gänze zertifiziertes Meeresfisch-Sortiment zurückblicken. Diesen Weg werden wir garantiert weiter gehen.“ Diesen Weg weiterzugehen bedeutet auch die kommenden Herausforderungen zu meistern. So sieht man etwa bei Iglo, dass die Nachfrage nach zertifizierter Ware weltweit steigt, was zwar vom Nachhaltigkeitsgedanken her zu begrüßen ist, jedoch auch die Preisentwicklung nach oben beeinflussen wird. Wichtig ist, dass die Verbraucher entsprechend mitziehen. Fröhner: „Die Konsumenten müssen beim Einkauf vermehrt darauf achten und zu Fisch mit Siegel greifen. Eine klare und weitreichende Kommunikation kann hier positiv beeinflussen.“

Kulturgut.

Wir bleiben noch in der Tiefkühlung, wechseln aber von Fisch zu Meeresfrüchten und von Wildfang zur Zucht. Auf den ersten Blick scheint die Zucht ein guter Ausweg aus dem Überfischungsdilemma zu sein. Wahr ist das allerdings nur dann, wenn konsequent nach strengen Vorgaben gearbeitet wird.  Yuu´n Mee GF, Robert Herman: „Dass Aquakultur auch nachhaltig funktionieren kann, zeigen wir seit mittlerweile 14 Jahren.“ Eines der Vorzeigeprojekte ist etwa die Zero-Input Aquakultur mit Bio-Garnelen aus dem Mangrovenwald, bei der die Garnelen in ihrer natürlichen Umgebung, ohne Einsatz von Medikamenten und ohne Zufüttern aufwachsen. Aber auch alle anderen Produkte der Marke müssen höchsten Nachhaltigkeits- und Umweltkriterien entsprechen. „Denn“, so Herman, „weltweit werden mengenmäßig nur ca. 5% der Fische und Meeresfrüchte nach nachhaltigen Kriterien produziert. Langfristig ist es ganz wesentlich, dass der Anteil der nachhaltigen Aufzucht steigt.“ Damit dieser steigt, ist allerdings eine ordentliche Portion Kooperation der Akteure gefragt. Es reicht nicht, sich den hohen Standard – etwa ASC – bei den Lieferanten „zu bestellen“. „Es braucht“, so Herman, „neben realistischen Vorstellungen seitens des Handels (etwa in Bezug auf Standardvorgaben und Mengen) auch einen Schulterschluss von nachhaltig produzierenden Unternehmen zum Aufbau einer positiven Außenkommunikation.“

Konservierend.

Soweit die Lage im tiefgekühlten Bereich – wir gehen einen Gang weiter zu den Fischkonserven: Hier ist insbesondere Thunfisch gefragt und dieser ist immer noch bei vielen Verbrauchern mit einem „Huch, den darf man doch nicht mehr essen“ belegt. Was aber auf den, den wir in der Dose finden, natürlich nicht zutrifft, denn Skipjack – auch der Karnickel der Meere  genannt –, ist jene Thunfischart, deren Bestände generell recht gut dastehen. Bolton ist der größte Fisch-Vermarkter Europas und in Österreich unter der Marke „Rio mare“ präsent. Jörg Grossauer, GF Bolton Austria: „Für ‚Rio mare‘ wird seit 2009 nur noch Skipjack verwendet, der seit 2012 sukzessive auf Angelfang umgestellt wurde.“ Dass man die benötigten Mengen tatsächlich mit der Angel fangen kann, sorgt bei vielen Verbrauchern allerdings für Verwunderung – nicht selten gehen daher Fragen ein, die die Glaubwürdigkeit der Methode betreffen. Grossauer: „Pole & Line hat den Vorteil, dass man so gut wie keinen Beifang mehr hat. Bei Skipjack funktioniert Angelfang tatsächlich sehr gut, da es mittlerweile Methoden gibt, die es ermöglichen, auch mit der Angel große Mengen zu fangen. Es ist daher sicher die sauberste Methode. Zwar benötigt man dafür mehr Personal, aber auch das ist letztlich ja wieder positiv zu sehen. Es laufen daher auch Ausbildungsprojekte und Sozialprojekte vor Ort, so etwa auf den Salomonen-Inseln.“ Eine Vielzahl des Angebots ist zudem MSC-zertifiziert, so auch die beiden Neuheiten „Natura“-Thunfisch und „Makrelen in Sauce Siciliana“. Wobei Makrelen aus dem Nordostatlantik ab April generell, also nicht nur jene von Bolton, kein MSC-Siegel mehr erhalten. Grossauer: „Wir haben derzeit noch MSC-Makrelen auf Lager, aber ja, die Makrelen-Fischerei ist herausfordernd, man muss schauen, wie sich das entwickelt.“ 

Umfassend.

Am Beispiel Makrelen lässt sich auch sehr gut die Arbeit des MSC zeigen. Der Makrelenbestand im Nordostatlantik ist unter die nachhaltige Mindestbestandsgröße gefallen, gleichzeitig haben die Makrelenfischer – so der MSC – weder ihre Fangmengen auf das empfohlene Maß gesenkt, noch sich auf gemeinsame Bewirtschaftungsregeln geeinigt. Da damit die Auflagen nicht im vorgesehenen Zeitraum erfüllt wurden, wurden sie nun vom MSC suspendiert. Das ist konsequent und entspricht dem, was man sich von einem glaubwürdigen Nachhaltigkeitssiegel erwartet. Gerade aber die Glaubwürdigkeit des MSC wurde zuletzt in Frage gestellt. Kritik kommt etwa von Greenpeace. Nunu Kaller, Konsumentensprecherin von Greenpeace: „MSC wirbt ja oft mit dem Slogan ‚Aus nachhaltigem Fischfang‘. Das ist schlicht falsch, der MSC kann das auf Basis seiner schwachen Standards schlicht nicht garantieren.“ Das Siegel ist also ins mediale Kreuzfeuer geraten, was der Sache an sich – so ist sich die Branche einig – wenig dienlich ist. Lars Braker, Vertriebsleiter von Followfood: „Grundsätzlich sehen wir mehr denn je, dass der MSC die einzig seriöse Zertifizierung ist, die es derzeit gibt! Anders gesagt: Ohne den MSC hätten alle Verbraucher, Umweltverbände und Unternehmen, die sich für nachhaltigen Fischfang einsetzen, überhaupt keine Grundlage, außer einem kompletten Verzicht auf Fischprodukte. Der MSC hat ein schlüssiges Gesamtkonzept, ein Teil davon ist, dass er sich als lernend versteht und Kritikpunkte konstruktiv in den Entwicklungsprozess einbezieht. Die Gefahr einer solchen Kritik ist, dass Verbraucher am Ende Siegeln nicht mehr trauen und weiter nicht zertifizierte Ware kaufen. Das wäre fatal.“ 

Menschen mitdenken.

Bei Fisch geht es letztlich nicht nur um die Tiere und das Meer, sondern auch um die Menschen, die direkt oder indirekt davon abhängig sind. Ein dringliches Thema ist etwa Zwangs- und Kinderarbeit, die in vielen Ländern immer noch gang und gäbe ist. Ab sofort gibt es daher auch dazu vom MSC verpflichtende Auflagen. Auch bei Vier Diamanten steht das Thema „Ethik“ auf der Nachhaltigkeits-Agenda. Marketing Manager, Norman de Zeeuw: „Es funktioniert nun mal nur gemeinsam.“ Und da gehören auch Richtlinien dazu, die zum einen ein ethisches, faires Handeln aller Akteure fordern und zum anderen auch ganz konkret etwa die Fischerei-Mitarbeiter schützen. Vier Diamanten ist daher auch Mitglied der Ethical Trading Initiative. Darüber hinaus fokussiert man aktuell auf das Thema Plastik-Vermeidung und lanciert die Thunfisch-Salate-Range in neuen plastikfreien Verpackungen. 

Geht´s auch ohne?

Nach wie vor sind viele Produkte im LEH ohne Siegel erhältlich. Das hat unterschiedlichste Gründe und muss nicht zwangsweise bedeuten, dass die angebotenen Produkte eine Gefahr für das maritime Ökosystem sind, wie sich vielleicht am Beispiel der Kultsardine„Nuri“ zeigen lässt. Die Sardinen-Fischerei aus Portugal ist berühmt für ihre hohe Qualität und ihren Manufaktur-Charakter. Allerdings sind die Bestände in diesem Gebiet überfischt, „Nuri“ hat daher auch kein MSC-Siegel. Der springende Punkt ist aber: „Nuri“ ist ein Manufaktur-Produkt, für das lediglich ca. 700 Tonnen Sardinen pro Jahr verarbeitet werden. Im Vergleich dazu fischen große Verarbeiter weit über 10.000 Tonnen. Jakob Glatz, GF Glatz: „Wir sind nicht die, die sagen ‚raus mit den Fischen in rauen Mengen‘. Wir kaufen bei den Fischern vor Ort und nehmen dabei ausschließlich die beste Qualität, wofür der Fischer von uns auch einen entsprechend guten Preis erhält.“ Verarbeitet wird zudem in der im Ort ansässigen historischen Fabrik mit 100 Mitarbeitern. Alles in allem ist die Produktion von „Nuri“ demnach recht kleinteilig angelegt und v.a. durch das strenge Fischerei-Management und umfassende Qualitätskontrollen sehr gut abgesichert. Glatz: „Wir rechnen auch weiterhin mit gleichbleibend niedrigen Fangquoten, sind aber der Meinung, dass sich die Situation langfristig – nicht kurzfristig – entspannen kann.“ 

Langfristig.

Aktuell sind etwa 15% der global gehandelten Meeresfische MSC-zertifiziert. Das Ziel ist es, diesen Anteil langfristig zu erhöhen. Das geht freilich nur, wenn alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. So eine Zusammenarbeit funktioniert allerdings nur, wenn sie auf Langfristigkeit aufgebaut ist und die Menschen mitdenken – andernfalls verliert man das eine oder andere Rädchen des Getriebes und kommt schlicht nicht von der Stelle.