Mehr als Blümchenkosmetik

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In Sachen Naturkosmetik ist der Purpose (also die Absicht, der Sinn und Zweck) für die Verbraucher ziemlich klar und lässt sich grob auf die Formel „Gut für mich und gut für die Umwelt“ verdichten. Ersteres mussten die Pionier-Marken erst beweisen, zweiteres die großen Markenunternehmen, die jetzt verstärkt in das wachsende Segment einsteigen.

Für dieses Special haben wir uns mit Mirja Eckert, GF von The New, eine Branchenexpertin ins Boot geholt, die sich im Rahmen ihrer Berater-Tätigkeit und bei der Erstellung des Naturkosmetik Branchenmonitors intensiv mit dem Naturkosmetik-Markt auseinandersetzt. Valides Zahlenmaterial ist in diesem Bereich immer noch Mangelware und das beginnt schon damit, dass die Abgrenzung der unterschiedlichen Segmente keine einfache Sache ist. Naturkosmetik muss schließlich nicht immer ein Siegel tragen, entscheidend sind die Rezepturen, die auf gewisse Zutaten (etwa mineralölbasierte Rohstoffe, Konservierungsmittel wie Parabene oder auch künstliche Duftstoffe) verzichten. Eckert spricht daher auch lieber von „Naturkosmetik“ und „naturnaher Kosmetik“ in Abgrenzung zu konventionellen Produkten. Der Markt dafür ist jedenfalls wachsend. Eckert: „Der Umsatz von naturnaher und Naturkosmetik ist in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum kontinuierlich angestiegen. Die DACH-Region zusammen repräsentiert ein Volumen von über 1,5 Mrd. € und hat sich etwa im Pandemiezeitraum auch stärker als der Gesamtkosmetikmarkt entwickelt.“ Aktuell gehen Eckert und ihr Kooperationspartner GfK Austria davon aus, dass 85% des Marktes der konventionellen und etwa 15% dem Bereich naturnahe und Naturkosmetik zugerechnet werden können. 

MOTIVE.

Kosmetik, die auf natürliche Inhaltsstoffe setzt, ist ja keine Neuheit, im Gegenteil. Weleda, eine Pionierin der Branche, begeht heuer etwa ihr 100-jähriges Jubiläum und auch die dänische Marke „Urtekram“ hat sich bereits vor über 50 Jahren für diesen Weg entschieden. Dennoch erlebt das Segment seit einigen Jahren einen deutlichen Aufschwung, was – angesichts der Megatrends „Gesundheit“ und „Nachhaltigkeit“ – allerdings auch nicht verwunderlich ist. Eckert: „Die wichtigsten Kaufmotive der Verbraucher sind eng an deren Bedürfnisse und Werteportfolio geknüpft, die von s.g. Megatrends beeinflusst werden. Unsere Lebenseinstellungen und Lebensweisen verändern sich gerade. Die Verbraucher werden immer sensibler, welche Produkte sie an ihre Haut lassen und welche Auswirkungen diese für die eigene Gesundheit, aber auch für die Umwelt haben.“ Der achtsame Umgang mit der eigenen Gesundheit und der Wunsch nach einer intakten Natur führen daher geradewegs zu Produkten, die natürlich, einfach und ökologisch anmuten – hoch technologisierten und komplexen Fortschritt, der durchaus auch als bedrohlich wahrgenommen wird, hat man ohnehin reichlich im Alltag. Eckert: „Die Verbraucher fühlen sich zu jenen Marken hingezogen, die auf ihr persönliches Weltbild und ihren Lebensstil einzahlen. Das Nischensegment Naturkosmetik bedient hier zahlreiche Trends, wie Zero Waste oder Conscious Beauty, und wird so auch ein Teil von Lebensweisen.“ 

FÜR MICH.

Die eine Seite des Purpose, nämlich die Forderung „Gut für mich“ bezieht sich insbesondere auf das gute Gefühl, das man hat, wenn möglichst wenig „Künstliches“ auf die Haut gelangt. Die Angst vor Allergien oder hormonellen Einwirkungen, die einigen Inhaltsstoffen konventioneller Kosmetik zugeschrieben werden, schürt dieses Empfinden natürlich. Geht es um die Produktleistung, muss man allerdings feststellen, dass etwa konventionelle Deos oder Antitranspirantien einfach besser wirken, herkömmliche Cremen im Nu einziehen und Haltbarkeiten bei klassischen Produkten quasi nie ein Thema sind. Anders sieht bzw. sah das bei Naturkosmetik aus. Aber: Die Hersteller haben hier riesige Fortschritte gemacht. Ludger Schalkamp, Chief Marketing Officer Lavera Naturkosmetik, meint jedenfalls: „Naturkosmetik steht der konventionellen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit um nichts nach. Hochwirksame Inhaltsstoffe, wie natürliches Q10, Collagen oder natürliche Hyaluronsäure haben längst Einzug gehalten. Naturkosmetik wird auch genauso professionell hergestellt und abgefüllt und die Produktleistungen werden durch genormte Testnachweise bestätigt, die auch in der klassischen Kosmetik verwendet werden.“ Jaqueline Elbracht, Brand Manager Urtekram Deutschland & Österreich, bringt es auf den Punkt: „Naturkosmetik wird schon lange nicht mehr ihrem früheren Ruf der unwirksamen Blümchen-Kosmetik gerecht.“ Allerdings sind die Kosten andere. Friderike Orbea, Marketing Manager Austria Henkel Beauty Care: „Es ist weniger das Problem leistungsstarke Naturkosmetik anzubieten, es ist vielmehr eine Herausforderung, diese auch für eine breite Käuferschicht zu vergleichbaren Preisen wie herkömmliche Kosmetik zu produzieren. Naturbasierte oder gar biologisch angebaute Inhaltsstoffe sind meistens teurer als herkömmliche, das betrifft insbesondere Parfums, aber umfasst auch z.B. nachhaltige Verpackungen.“ 

Für die Umwelt.

Neben der tatsächlichen Produktleistung und dem individuell guten Gefühl kaufen Naturkosmetik-Konsumenten aber auch ganz bewusst das gute Gewissen, der Umwelt mit ihrem Konsum nicht zu schaden, sondern mit ihr im Einklang zu stehen. Das haben die Pioniere des Segments bereits vor vielen Jahrzehnten in ihrer DNA angelegt. So etwa Weleda mit dem ganzheitlichen Ansatz Rudolf Steiners und dem Brand Purpose „Entfalten von Gesundheit und Schönheit im Einklang von Mensch und Natur“. Die Zielrichtung von Weleda geht sogar deutlich darüber hinaus dem Planeten nicht zu schaden, das Unternehmen strebt dezidiert einen positiven Input für die Umwelt an. Gisela Supa, Vertriebsleitung Weleda Österreich: „Wir sind davon überzeugt, dass wir mit der Art, wie wir wirtschaften, die Welt besser machen können.“ Ähnliches findet man bei Lavera, wo man sich im letzten Jahr noch einmal intensiv um das Thema nachhaltige Verpackungen gekümmert hat und mit Klimaneutralität sowie vielen Nachhaltigkeitsprojekten glaubhaft bei den Verbrauchern punktet. Die Pioniere sind hier also schon von Grund auf glaubwürdig für die Verbraucher. Dieses Vertrauen müssen sich die Big Player der Kosmetik-Welt zum Teil noch aufbauen, auch wenn vielerorts Nachhaltigkeit bereits längst in der Unternehmensmission verankert ist. Mirja Eckert, The New: „Gerade konventionelle Marken müssen sich ihre Glaubwürdigkeit in diesem Segment erarbeiten. Sie müssen glaubhaft darstellen, dass sie sich den Nachhaltigkeitsthemen ernsthaft und transparent annehmen und in einen größeren Kontext setzen. Die Pioniere genießen in diesem Zusammenhang bereits eine hohe Glaubwürdigkeit.“ Ein guter und gangbarer Weg ist daher jener über neue Marken, ob selbst entwickelt oder zugekaufte, denn die großen konventionellen und gut gepflegten Hausmarken wie etwa „Nivea“ von Beiersdorf oder „Glem vital“ von Henkel lassen sich in ihrer Positionierung (und auch hinsichtlich Preisgestaltung) vermutlich nicht unendlich dehnen. 

Aktiv.

Mit „Florena Fermented Skincare“ präsentiert Beiersdorf seine Antwort auf den Wunsch nach Naturkosmetik (siehe Produktvorstellung Seite 63), die ausgezeichnet mit dem Cosmos Natural EcoCert-Siegel, nachhaltig in ressourcenschonenden Tiegeln verpackt und, dank Fermentations-Prozess sowie dem geballten Beiersdorf-Wissen, alle Stückerl spielt. Ernest Widek, Sales Manager Beiersdorf: „Grundsätzlich haben wir das Prinzip von ‚Florena Fermented Skincare‘ auf drei Säulen aufgebaut: Natürlichkeit, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit.“ Und auch sonst tut sich in den Regalen viel: Henkel Beauty Care erweitert die „Nature Box“-Range um umweltfreundliche Nachfüllpackungen und ergänzt die „N.A.E.“-Range um die Lifting-Linie „Graziosità“. L´Orèal tüftelt an spannenden kartonbasierten Tuben für die Naturkosmetik-Linie „Garnier Bio“. Und auch bei Weleda („Aroma-Duschen“, S. 66), Lavera (neue Deodorants und Deo-Cremen sowie feste Shampoos) und Urtekram (S.63) gibt es laufend Neuheiten. Ganz abgesehen von all den kleineren oder neuen Playern, die dieses Segment extrem bunt und innovativ machen. Und auch das zeichnet den Naturkosmetik-Markt aktuell aus, „denn“, so Mirja Eckert, „letztendlich kommt der verstärkte Wettbewerb dem gesamten Naturkosmetik-Angebot zugute. Am Markt ist das an der steigenden Produkt-Vielfalt zu erkennen. Naturkosmetik wird so zum Innovationstreiber für den Gesamtmarkt.“