Nascht noch jemand?

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Naschen – sich einfach, weil´s so gut schmeckt, etwas Süßes gönnen, darf man das überhaupt noch? Oder muss die Süßigkeit von heute zuckerfrei und voll mit Superfoods sein, um von den Konsumenten akzeptiert zu werden? Wir haben versucht, uns in der Branche ein Stimmungsbild zu machen.

Immer wieder ist vom gestiegenen Ernährungsbewusstsein der Konsumenten zu hören, in vielen Medien findet ein regelrechtes Zucker-Bashing statt und „frei von xy“ ist auf Neuprodukten fast schon eine Standardphrase. Tatsächlich haben sich die Ernährungsgewohnheiten in vielen Bereichen in den letzten Jahren geändert. Es hat jedoch nicht den Anschein, als ob das Süßwaren-Regal im Handel dabei verkümmert wäre. Ganz im Gegenteil: Der Gesamtmarkt entwickelt sich gut und viele Hersteller freuen sich über satte Zuwächse, wie man etwa im Hause Storck berichtet: „Während der Süßwarenmarkt gesamt +1,0% zeigt, wächst Storck mit 12,1%“, so Storck-GF Ronald Münster (Nielsen, Süßwarenmarkt YTD KW 36 exkl. H/L). Besonders gut läuft es dabei für jene Segmente, in denen kürzlich Neuheiten lanciert wurden.

Sonderstellung?

Welche Berechtigung hat aber das Naschen heutzutage und wird heute anders genascht als früher? „Es ist richtig, dass sich die Bedürfnisse und das Ernährungsbewusstsein der Österreicher in einem deutlichen Wandel befinden. So beobachten wir beispielsweise eine steigende Nachfrage nach so genannten ‚Free from‘-Erzeugnissen, die bewusst auf die Reduktion von bzw. den Verzicht auf gewisse Inhaltsstoffe (wie beispielswiese Aromen und Gluten) setzen“, stellt Jutta Mittermair, Marketingleiterin bei Spitz, fest, meint aber weiter: „Süßigkeiten sind jedoch Genussprodukte – heißt: Hier steht der Genuss und das ‚sich etwas Gönnen‘ nach wie vor im Vordergrund. Der Großteil der Verbraucher nascht auch weiterhin wie gewohnt, allerdings tut das ein guter Anteil viel bewusster als zuvor.“ Keine großen Verhaltens-Veränderungen hat Hannes Winkelbauer bemerkt, in dessen Vertrieb sich Produkte wie „Pepperidge Farm Cookies“ oder „Daim“ finden: „Beim Naschen heißt es auch heute ‚ganz oder gar nicht‘.“ Niemetz Schwedenbomben-GF Gerhard Schaller betrachtet süßen Genuss ebenfalls nicht als Auslaufmodell – im Gegenteil: „Es wächst das Bedürfnis, sich etwas Besonderes zu gönnen – allen Ernährungsdebatten zum Trotz.“ In der Ansicht, dass der Griff zu Schokolade & Co. einen kleinen Ausnahme-Moment darstellt, den sich die meisten Konsumenten auch unabhängig ihres möglicherweise geänderten Ernährungsverhaltens erlauben, sind sich also viele Hersteller einig.

Angepasst.

Zugleich hat man die Diskussionen um „gute“ oder „schlechte“ Inhaltsstoffe vielerorts zum Anlass genommen, um die Rezeptur der Produkte zu hinterfragen und ggf. an die Bedürfnisse der Konsumenten von heute anzupassen. Etwa hinsichtlich des Zuckergehalts: „Die Geschmacksvorlieben der Konsumenten haben sich in Richtung ‚weniger süß‘ verschoben“, berichtet Walter Heindl, Geschäftsführer der Confiserie Heindl, und meint weiter: „Noch in den 70er- und 80er-Jahren konnte es nicht süß genug sein.“ Auch Ulf Schöttl, Marketingleiter der Josef Manner & Comp. AG, bestätigt: „Natürlich befassen wir uns mit dem Thema Gesundheit und der Trend der Zucker-Reduktion findet auch in der Manner-Produktentwicklung Berücksichtigung. Dennoch sind wir immer noch ein Süßwarenproduzent, bei dem der Genuss im Vordergrund steht.“ Bei Mars betont man sehr deutlich, die ernährungsphysiologischen Eigenschaften seiner Produkte im Fokus zu haben und sie entsprechend an aktuelle Konsumentenbedürfnisse anzupassen: „Es ist unser Bestreben, es Konsumenten durch innovative Packformate und kontinuierliche Rezeptverbesserungen einfach zu machen, Produkte aus unserem Portfolio ohne schlechtes Gewissen als Teil eines gesunden Lebensstils zu genießen“, heißt es etwa in der Health & Wellbeing Agenda des Unternehmens. Konkret umgesetzt wurde dies heuer beispielsweise durch die Lancierung von „Snickers“, „Twix“ und „Mars“ im kleineren „Sticks“-Format, um eine Alternative zu klassischen Riegeln mit nur rund 100 Kalorien pro Portion anzubieten. Und auch Süßwarenprofi Mondelez hat die Rezeptur seiner Produkte genau im Blick, wie Managing Director Daniel Bsteh schildert: „Selbstverständlich greifen wir die aktuellen Trends im Ernährungsbereich auf und haben es uns mit unserer Well-Being-Strategie zur Aufgabe gemacht, auf diese Konsumentenbedürfnisse entsprechend zu reagieren. So konnten wir bis Ende 2016 das Nährwertprofil unserer Produktpalette weiter optimieren und den Anteil an gesättigten Fettsäuren um 6% sowie Natrium um 5% reduzieren.“

Herkunft.

Neben ernährungsphysiologischen Eigenschaften spielt natürlich auch im Süßwarenbereich die Herkunft der Zutaten eine verstärkte Rolle. Insbesondere was den Kakao angeht, machen die Hersteller mit unterschiedlichen Initiativen von sich reden, wie dieser Tage etwa Mondelez: Das Unternehmen gab kürzlich bekannt, dass nun auch die Marke „Milka“ am Nachhaltigkeitsprogramm Cocoa Life teilnimmt. Denn, so Managing Director Daniel Bsteh: „Unsere Konsumenten achten heutzutage mehr denn je darauf, was sie essen. Sie möchten sichergehen, dass die Lebensmittel, die sie konsumieren, nachhaltig sind.“ „Der österreichische Konsument ist sehr daran interessiert, woher die Produkte kommen und wo sie produziert werden“, bestätigt auch Manner-Marketingleiter Ulf Schöttl. Die Auslobung, dass die Rohstoffe aus fairem Handel, nachhaltigem Anbau bzw. aus der Region kommen oder dass in Österreich produziert wird, sind also offensichtlich auch im Süßwarenbereich Attribute, die zwar (noch) nicht vorausgesetzt werden, aber die Kaufentscheidung doch zu einem gewissen Grad beeinflussen können.

Der Moment.

Und wann schlägt die Naschkatze von heute eigentlich zu? In Zeiten, wo man häufig im Stress und Freizeit rar ist, ist das Naschen für viele zur kleinen Auszeit oder auch zur Belohnung zwischendurch geworden. Manner greift dies etwa im Rahmen seiner Werbeoffensive im Herbst auf und thematisiert mit eigens kreierten Sujets den „Belohnmoment“. Aktivitäten wie diese machen die Rolle von Süßigkeiten in der heutigen Zeit nochmal sehr deutlich – als etwas, was sein darf und sein soll. Nicht in Massen, aber wenn, dann sehr bewusst und mit dem guten Gefühl: „Das gönn ich mir.“