Nicht nur Schokoladenseiten

© Lindt & Sprüngli

Eine Tafel Schokolade: aufgegessen schon mal innerhalb von Minuten. Bedeutung für den Süßwaren-Markt: enorm. Aber was wissen die Österreicher eigentlich über die Herstellung und insbesondere über die Bedingungen in den Ursprungsländern des Kakaos? Nicht genug, befanden wir und laden Sie deshalb nun ein auf eine gedankliche Reise in die Welt des Kakaos.

Puh, es ist ganz schön heiß. Wir befinden uns irgendwo in der Zone zwischen dem 20. Breitengrad nördlich und dem 20. südlich des Äquators, denn nur hier gedeiht der Kakao. Das kann beispielsweise Westafrika sein, wo 70% der Welternte herkommen. Aber auch in Asien sowie Mittel- und Südamerika, wo oftmals die Edelkakao-Sorten angebaut werden, hat Schokolade häufig ihren Ursprung. Die Luftfeuchtigkeit ist jedenfalls hoch – das mag der Kakao. Es können untertags schon mal 100% sein. Uff, insbesondere mit Mund-Nasen-Schutz, den Sie hoffentlich im Reisegepäck haben, sind das Bedingungen, an die wir uns erst mal gewöhnen müssen. Wir befinden uns in einem Dorf, bestehend aus einfachen Lehmhütten. Kinder spielen auf der Straße, auch einige Frauen erledigen hier ihre Arbeiten. Etwas außerhalb des Dorfes beginnt die Plantage, wo im Abstand von etwa 3 bis 5 Metern Kakaobäume wachsen. Nachdem diese es gerne schattig mögen, stehen sie üblicherweise unter größeren Bäumen, wie etwa Bananen. Am Boden liegt das welke Laub und die Menschen, die unterwegs sind, tragen trotz der Hitze Gummistiefel, um sich etwa vor Schlangenbissen zu schützen. Zu tun gibt es in der Plantage immer etwas, so muss etwa regelmäßig das Unkraut beseitigt werden, außerdem gilt es, Kakaofrüchte abzuschneiden, die am Stamm faulig werden. Die Pflanzen müssen gedüngt werden und schließlich sind auch alte Kakaobäume, die nur noch wenig Ertrag bringen, gegen junge Pflanzen auszutauschen. Prinzipiell kann das ganze Jahr hindurch auch geerntet werden, die Haupternte findet von Oktober bis Februar statt.

Handwerk.

Die Ernte der reifen Früchte oder Schoten wird in Handarbeit erledigt, denn es ist wichtig, die Samenkissen, die die Blüten und Früchte der nächsten Ernte produzieren, nicht zu beschädigen – das wäre maschinell nicht machbar. Die Landwirte benutzen deshalb zumeist Macheten. Sind die Früchte geerntet, werden sie geöffnet. Um die von uns so geschätzten Aromen zu entwickeln, bedarf es danach eines Fermentationsprozesses. Damit dieser in Gang gebracht wird, werden die Bohnen mit Bananenblättern zugedeckt und bleiben dort einige Tage, während derer sich Geschmack und Farbe verändern. Anschließend müssen sie noch an der Sonne trocknen und währenddessen immer wieder gut durchgemischt werden. Danach werden die Bohnen in Säcke abgefüllt und Richtung Hafen gebracht, wo noch eine Qualitätskontrolle erfolgt. 

Rösten oder rasten.

Teilweise werden die Bohnen noch im Ursprungsland zu Kakaobutter und -pulver verarbeitet und in dieser Form nach Europa gebracht. Einige Hersteller präferieren es aber, die ganzen Bohnen zu importieren, selbst zu rösten und weiterzuverarbeiten. Nach dem Rösten und dem Entfernen der Schalen werden die Bohnen zermahlen. Das Ergebnis ist die sog. Kakaomasse, die anschließend mit Zutaten wie Kakaobutter, Zucker und ggf. Milchpulver vermischt wird. Ihre im Idealfall geschmeidige Konsistenz erhält die Schokolade durch das Conchieren, also das lange und konstante Rühren, bevor sie schließlich in ihre endgültige Form gebracht wird.

Top 3.

Jeder Österreicher isst im Schnitt rund 8kg Schokolade pro Jahr. Nur die Deutschen und die Schweizer essen mehr. Tafelschokolade und Pralinen machen zusammen fast ein Drittel des Süßwaren-Marktes aus (Nielsen, LEH gesamt, Wert, MAT KW28/2020). Heuer – offenbar beeinflusst durch die Coronakrise – konnte das Segment Tafelschokolade nochmal stark zulegen und wuchs bis Juni um 10% (AT GfK Consumer Panel Total MAT 06/2020).

Probleme.

Eitel Wonne ist aber in Sachen Schokolade bzw. Kakao trotzdem nicht alles. Der Klimawandel macht die Situation in den Ursprungsländern nicht einfacher. Die Bäume reagieren sehr empfindlich auf Wassermangel im Boden. Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Lage in den Kakaoländern generell schwierig ist, die Einkommen der Kakaobauern sind oft gering. Die namhaften Hersteller sind sich einig, dass Handlungsbedarf besteht – auch weil der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit hier mit wirtschaftlichen Interessen Hand in Hand geht. „Der Kakaoanbau muss für die Menschen in den Ursprungsländern wirtschaftlich attraktiv werden, sonst werden junge Generationen den Anbau aufgeben“, bringt es Wolfgang Stöhr, GF Ritter Sport Österreich, auf den Punkt. Die Hersteller versuchen auf unterschiedliche Weise, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kakaobauern zu verbessern. Mondelez etwa hat dafür im Jahr 2012 sein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm namens Cocoa Life ins Leben gerufen, um so direkten Einfluss auf die Bedingungen vor Ort nehmen zu können. Konkret will man sich um die Probleme wenig ertragreicher Kakaopflanzen, Armut in den Anbaugemeinden und das fehlende Interesse der nächsten Generation am Kakaoanbau kümmern. „Vor allem geht es  aber um lokale Hilfsmaßnahmen entsprechend den Bedürfnissen vor Ort, auch in Bezug auf das Coronavirus“, erläutert Livia Kolmitz, Pressesprecherin DACH Mondelez International.

Konkret.

Auch Lindt setzt auf ein eigenes Beschaffungsmodell, nämlich das Lindt & Sprüngli Farming Program, das es ermöglicht soll, die Kakaobohnen bis zum Ursprungsort zurückzuverfolgen und die Bauern sowie deren Gemeinden ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechend zu unterstützen. Dies kann etwa auch heißen, dass man konkrete Hilfestellungen zur langfristigen Nutzung der Böden gibt oder den Zugang zu Anbauzubehör fördert.

Anders.

Ritter Sport wiederum forciert nachhaltigen Kakaoanbau in Nicaragua seit 30 Jahren mit dem Cacao-Nica-Programm. Seit 2012 baut man dort außerdem eine eigene Plantage auf, allerdings läuft hier ganz bewusst vieles anders als anderswo. Die Plantage ist stolze 2.500 Hektar groß, wovon rund die Hälfte für den Kakaoanbau genutzt wird und die andere Hälfte aus Wald- und Feuchtgebieten besteht. Viele Arbeitsschritte wurden hier mechanisiert, was qualifizierte – und damit besser bezahlte – Arbeitskräfte erfordert.

Partner.

Andernorts setzt man auf prominente Partner und offizielle Zertifizierungen: Manner etwa hat seinen Bedarf heuer komplett auf zertifizierten Kakao (entweder UTZ oder Fairtrade) umgestellt. Auch Niemetz kooperiert mit Fairtrade und bezieht ausschließlich entsprechend zertifizierten Kakao. Dass Fairtrade den Mindestpreis für Kakao letztes Jahr um 20% erhöht hat, ist für Gerhard Schaller, Geschäftsführer Niemetz Schwedenbomben/Heidi Chocolat, mehr als nachvollziehbar: „Ein wichtiger Schritt, auf den aber weitere folgen müssen“, hält er fest. Das wurde auch uns auf unserer Gedankenreise klar. Die Welt der Schokolade ist faszinierend, doch es gibt hier in den nächsten Jahren noch viel zu tun – gut, dass die großen Marken sich dessen bewusst sind. Auf Konsumentenseite dürfte hier allerdings noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig sein – um über den wahren Wert einer Tafel Schokolade keinen Zweifel aufkommen zu lassen. 

Ernesto Larios Machado

Rund 4.000 Bauern zählen zu den Partnern von Ritter Sports Cacao-Nica-Programm. Ernesto Larios Machado ist einer von ihnen. Der 48-Jährige lebt mit seiner Frau und seinen sechs Kindern in der Nähe des Ortes Rancho Grande in Nicaragua. Er bewirtschaftet 9 Hektar Land, wobei er auf einem Drittel davon Kakaobäume kultiviert, auf der restlichen Fläche baut er Bohnen sowie für den Eigenbedarf Mais und Kaffee an. Ernesto Larios Machado hat den Kakaoanbau nicht professionell gelernt, die Plantage hat er von seinem Vater geerbt und sich lange nicht ausreichend darum gekümmert, etwa den nötigen Baumschnitt vernachlässigt. Die Mitgliedschaft bei Cacao-Nica hat ihm fachliche Unterstützung beschert, etwa auch in Sachen Baumpflege, was seinen Ertrag langfristig steigern wird. Wir bedanken uns bei unseren „Reiseführern“ von Mondelez, Lindt, Ritter Sport, Storck, Niemetz und Manner, die uns mit ihrem Expertenwissen bei der Recherche unterstützt haben.