Partnerschaftlich

Rudolf Stückler, Marketing Manager für Geflügel, Fleisch und Fleischwaren, brachte so manch wichtiges Projekt auf den Weg. Im PRODUKT-Jubiläumsinterview schildert er, was Innovationen sowie der PRODUKT Champion für die Branche bedeuten und gibt einen Rück- und Ausblick über entscheidende Veränderungen für die Fleischbranche.

PRODUKT: Wie lange sind Sie schon bei der AMA-Marketing? Was hat sich seither bewegt?
Rudolf Stückler: Ich bin schon nahezu seit der Geburtsstunde dabei, seit dem 2. Mai 1995. Also 24 Jahre. Ich bin damit ein Urgestein. Wir waren eine kleine Gruppe aus Idealisten, die konsequent eine Vision verfolgten. Eigentlich wollte ich nur ein paar Jahre bleiben, geworden ist es nun ein Viertel Jahrhundert. Die ersten 15 Jahre waren die wichtigsten, intensivsten, interessantesten und produktivsten. Da haben wir die AMA zu dem gemacht, was sie jetzt ist. Ich habe in dieser Zeit mit dazu beigetragen, sie als die Institution aufzubauen, die sie heute ist.

PRODUKT: Was waren die wichtigsten Projekte dieser Zeit?
Rudolf Stückler: Alle Projekte der letzten Jahrzehnte aufzuzählen würde Stunden dauern. Kernpunkt war auf der einen Seite das Image von Fleisch zu verbessern und als Teil einer ausgewogenen Ernährung zu platzieren. Eine der erfolgreichsten Kampagnen der AMA-Marketing war die „Fleisch bringt´s“-Kampagne. Auf die werde ich noch heute, acht Jahre nach auslaufen, oftmals angesprochen. Wir wollten vor allem den jungen Konsumenten vermitteln, dass Fleisch nicht nur gut schmeckt, sondern auch Kraft und Energie gibt. Wir haben viele Spots gemacht, die Geschichten erzählt und Emotionen geweckt haben. Der andere, sehr wichtige Bereich ist natürlich das AMA-Gütesiegel. Ich war von den Anfängen weg und bin bis heute in dessen Entwicklung und Kommunikation involviert. Eine dafür realisierte Kampagne namens „Is doch a guats G‘fühl“ wurde sogar mit dem Staatspreis Werbung ausgezeichnet, den ich als Leiter entgegengenommen habe.
Erwähnen möchte ich auch den „AMA-Grillclub“. Mit unseren Aktivitäten hier haben wir den Grillboom in Österreich wesentlich mitgeprägt. Und es gibt Ausbildungsprojekte, wie z.B. den Diplom-Fleischsommelier, der uns auch international hohes Ansehen verschaffte. In rund einem Jahrzehnt haben über 500 Experten diese hochkarätige Ausbildung zum Botschafter in Sachen Fleisch erfolgreich abgeschlossen. 

PRODUKT: Wie sieht es am Event-Sektor aus?
Rudolf Stückler: Hier ist das „AMA-Fleischforum“ eines der wichtigsten Projekte. Die Veranstaltung wurde innerhalb der AMA-Marketing sogar von anderen Branchen übernommen und ist ins heutige „AMA Forum“ gemündet. Dazu kommt natürlich die „Austrian Meat Award Gala“, wo die wichtigsten Auszeichnungen der Branche, die „Lukulli“ und „PRODUKT Champions“, vergeben werden.

PRODUKT: Kommen wir zu unserem Jubiläum. PRODUKT wird heuer 20 Jahre, den „PRODUKT Champion“, der gemeinsam von der AMA und PRODUKT und mit viel persönlichem Einsatz Ihrerseits ins Leben gerufen wurde, gibt es fast genauso lang. Was war dessen primäre Idee?
Rudolf Stückler: Unser Auftrag ist, die Qualität unserer Lebensmittel abzusichern und zu verbessern sowie Trends aufzugreifen und den Innovationsgeist in unserer Branche zu forcieren. Ich habe damals gerade den PoS-Lukullus, also den Wettbewerb für die besten Verkaufsgeschäfte für Fleisch und Fleischwaren, ins Leben gerufen – heute ein wesentlicher Impulsgeber, um die Kompetenz am PoS zu steigern. Aber das hat nicht genügt. Darum haben die AMA und PRODUKT den „PRODUKT Champion“ entwickelt, um die besten Produkte und die besten Produktinnovationen auszuzeichnen. Intention ist, den Innovationsgeist der heimischen Fleischwarenhersteller zu fördern. Und das funktioniert eben nur dann, wenn etwas ausgeschrieben ist und wenn ein entsprechender Preis dazu vergeben wird.
Das war von Beginn an eine Win-Win-Geschichte. Wir haben einen professionellen Kommunikator für unsere Wettbewerbe gebraucht und PRODUKT wiederum eine Plattform für die Preisverleihung. Auch bei den Jurysitzungen, an der die führenden Experten und Einkaufsentscheider des Landes zusammenkommen, kann man Synergien nutzen. Darüber hinaus ist es eine Budget- und Ressourcenfrage. Hätte die AMA das allein machen müssen, hätten wir die Ausschreibung finanzieren müssen und wären bald an unsere Budgetgrenzen gestoßen. Mit PRODUKT haben wir hingegen einen kongenialen Partner gefunden.

PRODUKT: Welchen Stellenwert hat der „PRODUKT Champion“ heute für Hersteller und Handel?
Rudolf Stückler: Das Konzept ist voll aufgegangen. Das sieht man an der Zahl der jährlichen Einreichungen, alle großen Firmen sind hier mit dabei. Und er heizt den Innovationsgeist der Branche an. Sein tolles Image sieht man daran, dass er in sämtlichen Chefetagen renommierter Firmen hängt. Einen „PRODUKT Champion“ zu gewinnen ist ja auch ein triftiges Argument für Listungen im Handel, weil diese Produkte bereits die führenden Experten überzeugt haben. Ein weiterer Punkt ist der Konsument. Der kann sich sicher sein, dass ein Produkt, das von Fachleuten schon als Champion eingestuft wird, eine entsprechend hohe Qualität hat. In der Kategorie Klassik geht es darum, den Wettbewerbstrieb unter den Firmen anzuheizen, was ja wiederum die Qualität fördert. Wer rühmt sich denn nicht gerne, die besten Produktklassiker herzustellen? 

PRODUKT: Welchen Stellenwert haben Innovationen generell in der Fleischbranche?
Rudolf Stückler: Für mich ist ganz entscheidend, von der Preistreiberei wegzukommen. Denn man darf nicht vergessen: Wir haben einen gesättigten Markt, es ist ein Verdrängungswettbewerb, vieles wird über den Preis bestimmt. Mit Marken und Produktinnovationen kann man den Markt trotz allem noch entscheidend ankurbeln. Denn die Konsumenten sind neugierig und probierfreudig. Aber sie wollen auch nicht überfordert werden. 

PRODUKT: 2018 haben wir erstmals den „PRODUKT Champion AMA-Gütesiegel“ verliehen. Was war hier der Hintergrund?
Rudolf Stückler: Beim klassischen „PRODUKT Champion“ wird aus Expertensicht das beste Produkt gewählt. Mit dem „PRODUKT Champion AMA-Gütesiegel“ soll noch ein Schritt weiter gegangen werden, um die wichtigste Rohstoffkomponente, das Fleisch, separat hervorzuheben. Deren Herkunft fließt zwar seit Beginn als wesentliche Komponente in die „PRODUKT Champion“-Beurteilung ein. Nun werden die besten Produkte mit AMA-Gütesiegel aber noch einmal zusätzlich durch diesen Sonderpreis ausgezeichnet – und damit der Qualität und der Herkunft des Rohstoffes Fleisch zusätzliches Gewicht verliehen. Wir wollen damit unserem gesetzlichen Auftrag entsprechend die Landwirtschaft stärken.

PRODUKT: Wie wichtig ist für den Konsumenten das AMA-Gütesiegel?
Rudolf Stückler: Beim Frischfleisch sind die heimischen Konsumenten sehr sensibel was die Herkunft betrifft. Bei Schinken, Speck und Wurst ist das anders, hier ist in erster Linie Geschmack, Frische und Preis entscheidend. Aber immer mehr Konsumenten hinterfragen auch hier die Fleischherkunft, die mit dem AMA-Gütesiegel sichergestellt ist. AMA-Gütesiegel-Produkte haben in Österreich einen Marktanteil von etwa 40% mitsamt Eigenmarken. Rund 40.000 Tonnen Schinken, Speck und Wurst werden mit AMA-Gütesiegel pro Jahr erzeugt.
Unser Gütesiegel ist von einem kleinen Nischenprogramm zu einem auch international gesehen erfolgreichen Herkunfts- und Qualitätsprogramm für Fleisch geworden. Eine tolle Entwicklung für konventionelle Produkte auf einer so breiten Basis, um die man uns im Ausland beneidet. 

PRODUKT: Und das AMA-Gütesiegel ist in all der Zeit das gleiche geblieben?
Rudolf Stückler: Die Richtlinien werden sukzessive weiterentwickelt, auch aktuell. Bisher war es bei Wurstwaren laut AMA-Gütesiegel-Kriterien lediglich wichtig, dass heimisches Fleisch verwendet wird. Die Qualität wird hierzulande ohnehin über die laut Codex vorgeschriebenen Richtwerte sichergestellt.
Das ist an und für sich ein guter Ansatz, nun geht man einen Schritt weiter. Es genügt nicht mehr, österreichisches Fleisch zu verarbeiten, sondern Fleisch, das das AMA-Gütesiegel trägt. Der Grund: Die Anliegen des Konsumenten entwickeln sich ständig weiter. Damit wird es notwendig, weitere Schritte zu machen. Dies geschieht im Interesse der Landwirtschaft, aber auch im Interesse der Verarbeitungsbetriebe und der Konsumenten. Es gibt nun einen schrittweisen Übergang zur Umstellung. Unser Marktanteil wird dadurch gleichbleiben, denn das ist einfach nur ein weiterer Qualitätsschub. 

PRODUKT: Was waren die wichtigsten Entwicklungen der letzten 20 Jahre?
Rudolf Stückler: Ich habe hier einiges miterlebt. Das beste Beispiel ist der Rindfleischmarkt. Zu Beginn meiner Berufslaufbahn ist Rindfleisch einfach nur als Rindfleisch verkauft worden. Es war ein Sammelbegriff, etwa wie Rotwein. Die beste Qualität wurde zumeist exportiert, was übrigblieb, kam bei uns ohne weitere Bezeichnung auf den Markt. Beim Konsumenten geriet es daher in Kritik. Das war vor über 20 Jahren, schauen Sie, wo wir heute stehen. Krisen bergen immer eine Chance. Dank BSE-Skandal gibt es mit dem „BOS“-System eine lückenlose Nachvollziehbarkeit der Herkunft, die in Österreich beispielhaft funktioniert. Auf freiwilliger Basis wurde so etwas parallel dazu auch bei Schweinefleisch aufgezogen.
Mit Hilfe der AMA wurde damals eine neue Rindfleischkultur eingeläutet, etwa über eine Differenzierung des Angebots. Heute wird sehr wohl unterschieden. Man kauft zum Beispiel Almochsen-, Mastochsen- oder gar Kalbinnenfleisch. Zum Thema wurden dann Marmorierung und Reifung. Heute gibt es bei uns an die 20 Reifemethoden. Die Konsumenten wissen nun auch, dass sie gereiftes Fleisch kaufen sollen. Ihnen ist etwa „dry aging“ ein Begriff, wie auch verschiedene Steak-Cuts. So wurde nicht nur die Wertschätzung, sondern auch die Wertschöpfung erhöht. 

PRODUKT: Man hört, es gibt heuer eine neue Veranstaltung der AMA für die Branche?
Rudolf Stückler: Da das erfolgreiche Format des AMA-Fleischforums im AMA-Forum aufgegangen ist, wurden immer mehr Stimmen von führenden Köpfen der Branche laut, dass man wieder eine Kommunikationsplattform für die Stakeholderschaft auf die Beine stellt. Es ist unsere Intention, Trends und Entwicklungen zu thematisieren. Das hat uns dazu veranlasst, das „Fleisch-Symposium“ ins Leben zu rufen. Dieses findet erstmals heuer am 5. Juni in Wien statt. Wir werden einen Blick über den Tellerrand werfen und uns mit Eiweißalternativen auseinandersetzen. Stichworte sind Veggie-Produkte, Insekten oder Clean Meat. Dazu werden hochkarätige Experten zu Wort kommen. 

PRODUKT: Welche Themen werden uns in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen?
Rudolf Stückler: Fleisch wird in absehbarer Zukunft wieder ein rares und wertvolles Lebensmittel werden. Explodierende Weltbevölkerung, Klimawandel, immer weniger Ressourcen. So gesehen wird Fleisch eine knappe Qualitätsnahrung werden, schon in der nächsten Generation. 

PRODUKT: Was kommt sonst noch auf uns zu?
Rudolf Stückler: Der Schweinefleischbereich kommt in die Bredouille. Dessen Image ist von Haus aus kritisch, weil es im Handel vorwiegend über den Preis definiert wird. Vorbehalte dagegen gibt es außerdem mittlerweile aus religiösen und gesundheitlichen Gründen, aus der urbanen Ecke kommen welche hinsichtlich Tierhaltung und -schutz. Es gilt hier in den nächsten Jahren dasselbe wie beim Rindfleisch zu schaffen. Das ist zwar ungleich schwieriger, das gebe ich zu, aber Veränderungen werden nur über eine Differenzierung möglich sein.
Weitere wichtige Themen sind Tierwohl und Regionalität, die für mich die konkretesten Formen der Nachhaltigkeit darstellen. Auch der Fleischkonsum wird bei uns weiter zurück gehen. Man kann das nur über Qualitätsinitiativen und eine Differenzierung im Angebot auffangen. 

PRODUKT: Vielen Dank für das Gespräch! 

Rudolf Stückler überreicht 2018 Bettina Rabitsch (Frierss) den PRODUKT Champion Theke in Gold