Trotz aller Widrigkeiten

© Lana_M/shutterstock

Die Krise hat natürlich auch die Kaffeelieferanten entsprechend getroffen, allerdings konnte die angespannte Situation über den LEH etwas entschärft werden. Weiterhin stark im Aufwind sind bei den Verbrauchern: Einfache Zubereitung, Qualität und Nachhaltigkeit bzw. Ethik.

Aber zunächst ein Blick auf die Kaffee-Welt vor Corona: Der etwa 377 Mio. € schwere Markt (Nielsen, inkl. H/L, Kaffee inkl. Löskaffee, 2018 vs. 2019) zeigt sich in der Gesamtentwicklung stabil. Wachstum gibt es insbes. im Segment Einzelportionen (+ 6,3%), die mittlerweile für rund 105 Mio. € Umsatz stehen. Im aktuellen Jahr, resp. in der ersten Hälfte 2020, legte der Markt aufgrund der bekannten Umstände zu. Das stärkste Wachstum verzeichneten wiederum die Einzelportionen mit einem Plus von 14,9% (Nielsen, LEH inkl. H/L, YTD KW 28/20) getrieben von „Nespresso“-kompatiblen Kapseln, die mit 29% wuchsen. Aber auch das Segment Ganze Bohne zog, so die Hersteller, deutlich an. Harald J. Mayer, GF Tchibo/Eduscho: „Der Kaffeegenuss verlagerte sich aufgrund von Covid-19 in die eigenen vier Wände. Trotzdem behielt Kaffee den Stellenwert als Lieblingsgetränk der Österreicher. Die eindeutige Präferenz lag und liegt weiterhin auf der frisch zubereiteten Tasse Kaffee, ob mit dem Vollautomaten oder per Knopfdruck bei Einzelportionsmaschinen.“ Das zeigt sich auch in der Ausstattung der Haushalte mit den entsprechenden Maschinen: Lt. GfK findet man mittlerweile in rund 46% der Haushalte Vollautomaten oder elektrische Espressomaschinen und in 44% Einzelportionsmaschinen. 

QUALITÄT. Der Trend zur tassenweisen Zubereitung ist zudem eng verbunden mit einem steigenden Qualitäts-Bewusstsein der Verbraucher. Mayer: „Wir beobachten folgende Trends: Qualität, Geschmack und Nachhaltigkeit.“ Mit dem „Tchibo Esperto Caffè“-Vollautomaten, der seit kurzem mit neuen technischen Features punktet und in einer weiteren Design-Variante erhältlich ist, sowie mit der Premium-Linie „Tchibo Barista“ geht man auf diese Wünsche gezielt ein.


POPULÄRER PRÄSIDENT. Ähnliches hört man auch von Julius Meinl. Catherine Luckner, Marketingleitung Julius Meinl Austria: „Bei den Verbrauchern sind immer häufiger Vollautomaten und Kapselmaschinen im Einsatz. Das ist mit ein Grund, warum die Qualitätsansprüche laufend steigen. Neben guter Qualität wünschen sich mehr und mehr Menschen auch nachhaltig produzierte Produkte. Mit unserer ‚Nespresso‘-kompatiblen ‚Inspresso-Linie‘ verfügen wir hier über die richtige Antwort.“ Die Linie ist kürzlich vollständig auf kompostierbare Kapseln umgestellt worden und bietet neben Bio-Kaffee jetzt mit der Limited Edition „Julius Meinl Präsident“ auch den Klassiker des Hauses im praktischen Kapsel-Format. Das trifft ebenfalls den Nerv der Zeit, „denn“, so Luckner, „immer mehr Menschen sind auch auf der Suche nach lokalen und regionalen Marken und Produkten. Das Bewusstsein dafür, dass man mit seinen Kaufentscheidungen einen Unterschied machen kann, wächst.“


LOKALE GRÖSSEN. Eine weitere, traditionsreiche Marke, nämlich „Alvorada“ gibt jetzt ebenfalls starke Lebenszeichen von sich. Nach dem Launch innovativer Kapseln, die nach dem Gebrauch gar im Heimkompost entsorgt werden können, nimmt man in Kürze die Marke generell ins Visier. Markus Hawelka, Vertriebsleiter für Österreich: „Mir liegt es am Herzen, die traditionsreiche Wiener Kaffeemarke ‚Alvorada‘ mit neuen innovativen Produkten und Rezepturen weiter auszubauen. ‚Alvorada‘ wird sich inhaltlich und optisch neu präsentieren mit den Schwerpunkten auf Nachhaltigkeit, Bio und Transparenz.“ Das Bedürfnis nach bekannten und heimischen Marken nimmt auch Johannes Hornig, GF J. Hornig, wahr: „Wir haben bemerkt, dass es einen verstärkten Fokus auf Regionalität und Nachhaltigkeit gibt.“ Dieser Fokus dürfte für den aktuellen Launch des Grazer Rösters genau richtig kommen, präsentiert J. Hornig doch aktuell ebenfalls NC-Kapseln, die aus einem industriell kompostierbaren Material gefertigt sind. Johannes Hornig schränkt jedoch ein wenig ein und bemerkt: „Auch die Preissensibilität ist gestiegen. Diese Entwicklungen sind auch in anderen Warengruppen sichtbar.“ 


DIVERS. Dass die Krise den Preis von Produkten – trotz höchster Ansprüche an die Qualität – wieder vermehrt in den Fokus rücken könnte, ist angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen leider möglich. Felix Regehr, GF JDE: „Der Qualitäts-Anspruch und der Wunsch nach Nachhaltigkeit wird immer weiter steigen. Allerdings ist der Konsument aus unserer Sicht auch stark auf der Suche nach dem besten Angebot. Daher versuchen wir, mit unseren Marken in allen relevanten Preis-Segmenten vertreten zu sein.“ Dennoch nimmt auch JDE deutlich wahr, dass sich gerade in der Krise das Wachstum der Einzelportionen, die definitiv nicht im unteren Preis-Segment spielen, noch einmal beschleunigt hat. 


BELIEBTE SINGLES. Nestlé ist auf dem Markt der Einzelportionen nicht nur Spezialist, sondern auch mit unterschiedlichen Konzepten unterwegs. Das neueste, nämlich die „Starbucks“-Range, die sowohl als Ganze Bohne als auch in den Single-Portions-Formaten „Dolce Gusto“ und „Nespresso“ erhältlich ist, hat sich im ersten Jahr des Bestehens bereits bestens bewährt. Insbesondere die NC-Kapseln scheinen ein Shooting Star zu sein und sind, so das Unternehmen, seit KW 36 bereits Marktführer im Segment (Nielsen, LEH inkl. H/L, Wert, YTD KW 36).


DYNAMISCH. Lavazza, besonders stark im Ganze Bohne-Segment, sieht ebenfalls Qualität, aber auch Nachhaltigkeit als wichtigste Treiber des Marktes, was sich vor allem in einer gestiegenen Auswahl an Premium-Angeboten in den Regalen des Handels äußert. Das kommt dem italienischen Kaffee-Röster natürlich entsprechend entgegen, denn gerade die letzten Neueinführungen, „iTierra!“ (UTZ- und Bio-zertifiziert) und „Espresso Barista“ (in Profi-Qualität) schlagen in diese Kerbe.


GRÜNER WEG. Den Wunsch nach Kaffee, bei dem neben dem Qualitäts-Anspruch das gute Gewissen nicht zu kurz kommt, hat auch Dallmayr mit einer neuen Linie im Visier: „Dallmayr Gran Verde“ wird Ende des Jahres bzw. Anfang 2021 gelauncht und ist die erste Range des Rösters für den LEH, die zu 100% aus fair gehandeltem und organisch-biologisch angebautem Kaffee besteht. Ein guter Weg, denn die Situation in den Ursprungsländern ist in der Krise alles andere als besser geworden – mehr dazu erzählt Fairtrade Österreich GF Hartwig Kirner auf der Folgeseite im Interview.