Tut man das noch?

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Es heißt, der kritische Konsument von heute richtet seinen Speiseplan zunehmends an den Inhaltsstoffen der Produkte, aber auch an den Bedingungen, unter denen diese erzeugt werden aus. Wir haben nachgefragt, inwieweit sich dieser Trend auch auf den Süßwarenmarkt auswirkt. Wie nascht Österreich heute?

Von einer totalen Zuckerverweigerung kann in Österreich keineswegs die Rede sein: Der Süßwarenmarkt ist letztes Jahr im Wert um 2% gewachsen (Nielsen, LEH inkl. Hofer/Lidl, MAT KW 52/2019). Die umsatzstärksten Kategorien sind dabei Kekse/Waffeln/Biskotten/Schnitten, die ein zartes Plus von 0,6% verzeichnen konnten. Das zweitstärkste Segment waren letztes Jahr die Riegel, die derzeit ein echtes Hoch erfahren und um 6,5% zugelegt haben. Auch das drittstärkste Segment – Pralinen – konnten mit +4,3% recht deutlich wachsen und haben dadurch sogar die Tafelschokoladen aus den Top 3 des Süßwarenmarktes verdrängt. Aus diesen Zahlen darf wohl geschlossen werden, dass die Konsumenten durchaus auch in Zeiten, in denen Zucker medial ganz schön in die Mangel genommen wird, gewillt sind, sich Süßes zu gönnen. „Jeder weiß, dass in Schokolade Zucker drin ist“, betont Ritter Sport-GF Wolfgang Stöhr und hält fest: „Wir sehen bei der Zuckerdiskussion keinen Effekt für den Bereich Tafelschokolade.“ Auch Storck-GF Ronald Münster meint: „Zucker prägt den Geschmack und die Konsistenz maßgeblich. Anders als in anderen Lebensmittel-Kategorien ist Zucker für Süßwaren selbstverständlich und den Konsumenten als Zutat bewusst. Von daher gönnen sich die Verbraucher weiterhin etwas Süßes und Marktforschungs-Studien zeigen keine relevanten anderslautenden Entwicklungen.“ Und auch mit Rezeptur-Relaunches in Richtung einer Zuckerreduktion ist man zumindest bei bestehenden Produkten, deren Geschmack seit Jahrzehnten gelernt ist, zurückhaltend. „Insbesondere bei echten Klassikern wie etwa den ‚Niemetz Schwedenbomben‘ sind Veränderungen absolut unerwünscht“, merkt Gerhard Schaller, GF Heidi Chocolat, an.

Portioniert.

Während also der Süßwaren-Markt gesamt betrachtet zuckerbedingt offensichtlich keine Einbußen hinzunehmen hat, lassen sich dennoch einige Trends feststellen, die mit dem imagetechnisch angeschlagenen Zucker in Verbindung stehen dürften. Beobachtet man die Aktivitäten der Markenartikler quer über alle Kategorien, dann ist beispielsweise recht deutlich spürbar, dass verstärkt kleinere Formate nachgefragt werden. „Der Health und Wellness Trend bringt eine gesteigerte Nachfrage nach kleineren Packungsgrößen sowie das Bedürfnis, die Menge selbst gut dosieren zu können, hervor“, erläutert Katja Schulze, Marketing Director Mars Austria. Bei Mondelez sieht man dies ähnlich: „Wir haben bereits eine Reihe von Produkten entwickelt, die in Einzelportionen mit nicht mehr als 200 Kalorien erhältlich sind“, so Livia Kolmitz, Pressesprecherin Mondelez Österreich.

Kakao.

Neben dem Zucker ist freilich auch Kakao eines jener Themen, die die Branche beschäftigen. „Von Seiten der Konsumenten wird zunehmend Schokolade aus fairem Handel und/oder biologischer Produktion nachgefragt“, schildert Nina Filip, Marketing Managerin bei Landgarten, und fügt hinzu: „Entsprechende Siegel werden als Orientierung immer wichtiger.“ „Nachhaltigkeit spielt bei der Beschaffung von Rohstoffen eine immer größer werdende Rolle“, ist man bei Lindt überzeugt. Dies bestätigt man auch bei Manner, wo ab sofort nur mehr 100% nachhaltig zertifizierter Kakao zum Einsatz kommt. Und Werner Gunz, dessen Unternehmen ja vor geraumer Zeit komplett auf Fairtrade-Kakao umgestellt hat, meint: „Ich sehe es als unternehmerische Verpflichtung, dass die Themen fairer Handel, Ethik und Menschenwürde in unserem täglichen Tun und Handeln an Bedeutung und Wichtigkeit gewinnen.“ Darin ist sich die Branche erfreulicherweise recht einig: Immer mehr Marken benutzen entsprechende Siegel zum Thema fairer Handel oder stellen mit eigenen Programmen sicher, dass die Kakaobauern durch entsprechende Bezahlung in ihrem Beruf noch eine Zukunft sehen. Dies ist nicht nur aus sozialer, sondern auch wirtschaftlicher Sicht wichtig – ist die Branche doch davon abhängig, dass die Plantagen – Stichwort Klimawandel – zukunftsfit gemacht werden. Die Verwendung nachhaltigen Kakaos und die Auslobung dessen auf der Packung ist außerdem heutzutage auch aus Marketingsicht mehr als sinnvoll und kann die Kaufentscheidung nur positiv beeinflussen. 

Nicht hüllenlos.

„Nachhaltigkeit spielt aber auch beim Thema Verpackung eine immer größere Rolle“, ergänzt Gerhard Schaller, GF Heidi Chocolat einen weiteren für die Verbraucher relevanten Aspekt. Produkte, deren Ökobilanz in Sachen Verpackung verbessert wurde, stoßen derzeit jedenfalls auf reges Interesse. Und diesbzgl. sind die Markenartikler wirklich umtriebig: Bei den 6er-Blistern der „Niemetz Schwedenbomben“ soll etwa künftig rPET zum Einsatz kommen. Und Ritter Sport präsentierte kürzlich den Prototyp seiner Schokolade „in Papier“, die man in einem ersten Schritt 500 Konsumenten als Testpaket angeboten hat, um Erfahrungen zu sammeln. Wie in allen anderen Warengruppen dürften jedenfalls auch am Süßwarenmarkt in den nächsten Monaten und Jahren zahlreiche Packaging-Innovationen zu erwarten sein.

Unterwegs.

Zu erwarten ist wohl auch ein weiteres Wachstum des Riegel-Marktes. Wie zu Beginn bereits erwähnt, konnte dieses Segment zuletzt deutlich zulegen, was wohl v.a. auf den Snacking-Trend sowie den verstärkten Wunsch nach Produkten mit On-the-go-Tauglichkeit zurückzuführen ist. „In den letzten Jahren wird das On-the-Go-Snacking und auch der Impulskauf deutlich mehr“, bestätigt Gerd Trimmal, Managing Director Conaxess Trade Austria. Auch Mars Marketing Director Katja Schulze ist überzeugt: „Bewegung in die Kategorie bringen vor allem Innovationen, die unterwegs konsumiert werden können.“ Denn während die klassischen drei Hauptmahlzeiten an Bedeutung verlieren, suchen die Konsumenten zunehmend Möglichkeiten, ihren Hunger ganz unkompliziert zwischendurch mit einer Kleinigkeit zu stillen. Riegel passen da natürlich optimal ins Beuteschema. Und so sind sowohl klassische Naschereien im To-go-Format als auch im gesunden Eck positionierte Snackriegel derzeit kräftig am Wachsen, vorangetrieben v.a. durch zahlreiche entsprechende Neuheiten. Nestlé etwa lancierte unter der Marke „Yes!“ kürzlich ein fünf Sorten umfassendes Riegel-Sortiment, das sich durch seine hochwertigen natürlichen Zutaten auszeichnen soll und außerdem in einer Papierverpackung angeboten wird. Conaxess Trade etablierte letztes Jahr ebenfalls eine Superfood-Riegelmarke, nämlich „nakd!“ Bei dieser Brand kommen als Zutaten ausschließlich Früchte und Nüsse zum Einsatz. Ebenfalls im Portfolio von Conaxess Trade ist die Marke „N!cks“, deren Riegel mit Süßfasern aus Mais, Steviaextrakten, Birkenzucker u.Ä. gesüßt werden. Aber auch auf der Schokoladenseite sind Riegel gefragter denn je. Mars bedient diesen Trend etwa mit der Innovation „Snickers Crisp“, bei der Erdnüsse auf Crispy-Reis treffen. Und Storck stellt dem „Knoppers NussRiegel“, der sich als erfolgreichste Süßwaren-Neueinführung der letzten Jahre erwiesen hat (Nielsen, LH inkl. H/L, Launches Süßwaren exkl. Saisonartikel & Kaugummi, seit 2011, Umsatz in Mio. €, jeweils 12 Monate nach Launch), nun den „Knoppers ErdnussRiegel“ sowie „KokosRiegel“ an die Seite. 

Neues.

Selbstverständlich gibt es aber auch abseits der Riegelprodukte jede Menge süße News, wie etwa die Linie „Milka dark milk“, bei der Mondelez die Vorzüge von Milch- und dunkler Schokolade vereinen möchte. Lindt sorgt mit der Tafel-Innovation „Lindt Excellence 100% Cacao“ für Aufsehen. Gunz präsentiert u.a. die neuen „Maitre Truffout Hazelnut Pralines“, um nur einige kurze Beispiele zu nennen. 

Schmeckt.

Neben den Verkaufszahlen macht also die schiere Menge an Neuheiten, die hier aktuell auf den Markt drängt, deutlich: Es wird weiterhin genascht, wenn auch möglicherweise etwas bewusster als früher, wovon insbesondere hochwertig positionierte Brands und all jene, die auf Transparenz und nachhaltige Rohstoffe setzen, profitieren dürften. „Am wichtigsten ist aber gerade in diesem Bereich nach wie vor, dass das Produkt schmeckt“, bringt es Livia Kolmitz, Mondelez Österreich, auf den Punkt.