Unter Druck

Katharina Koßdorff, GF des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie

Anlässlich unseres Heftthemas „Qualität – das beste Argument“ haben wir uns mit Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie, über das Spannungsfeld zwischen bester Güte und einem günstigen Preis unterhalten.

PRODUKT: Das Heftthema unserer aktuellen Ausgabe lautet „Qualität – das beste Argument“ – was ist denn aus Ihrer Sicht in Österreich wichtiger: Qualität oder Preis?
Koßdorff: Die Unternehmen der österreichischen Lebensmittelindustrie stehen im internationalen Wettbewerb. Zwei von drei Erzeugnissen gehen in rund 180 Länder der Welt. Diese Exporterfolge beruhen auf verlässlicher Qualität, die unsere Betriebe mit ihren 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch in Österreich liefern. Aufgrund der hohen Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel hierzulande spielt der Preisdruck eine große Rolle. Und auch die Menschen sind nicht alle gleich und entscheiden sich nicht jeden Tag nur nach einem Kriterium. Daher ist es auch gut, dass es eine so große Vielfalt an Angeboten von sicheren und hochwertigen Lebensmitteln gibt, aus denen jeder nach seinen persönlichen Vorlieben seine Wahl treffen kann.

PRODUKT: Qualität hat ihren Preis, doch eine Einigung zwischen Herstellern und Handel ist oft schwierig – welche Argumente prallen hier aufeinander?
Koßdorff: Da gibt es freilich ein natürliches Spannungsfeld zwischen Lieferanten und Händlern. Am Ende des Tages legt der Handel die Preise für die Produkte in seinen Regalen fest. Im Idealfall werden dabei von allen Partnern die Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten sowie in den Vorstufen der Lebensmittelkette und auch die Qualität und Eigenschaften der Produkte berücksichtigt. Aktionen und Promotions dienen dazu, den Absatz im Handel zu fördern. In der Realität bringen jedoch Dauerrabattschlachten und eine ungebremste Eigenmarkenpolitik der Händler viele heimische Lebensmittelhersteller in große Bedrängnis. Beste Qualität zum billigsten Preis – das hält niemand lange durch und führt auch zu einer unwiederbringlichen Vernichtung von Wertschöpfung im eigenen Land.

PRODUKT: Und wie beurteilen Sie das Qualitätsbewusstsein der Konsumenten? Wie wichtig ist die Qualität beim täglichen Einkauf?
Koßdorff: Umfragen zeigen, dass den österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten bei ihrem Einkauf die Qualität, insbesondere die Frische und der Geschmack, noch vor dem Preis am wichtigsten sind. Aus der Marktforschung wissen wir aber auch, dass sich solche Umfrageergebnisse nicht immer 1:1 im tatsächlichen Einkauf widerspiegeln. Die Lebensmittelindustrie reagiert darauf mit einer großen Bandbreite an Produkten für jeden Bedarf: von traditioneller Rezeptur bis „free from“, von vitaminangereichert bis kalorienreduziert beziehungsweise kalorienfrei, von der Single- bis zur Familienpackung. Da ist für jede und jeden etwas dabei, egal welche Geschmacksrichtung, welcher Ernährungstyp oder welches Budget. Gleichzeitig sind die Lebensmittel so sicher und qualitativ wie noch nie zuvor.

PRODUKT: Was sind derzeit die größten Herausforderungen für die Lebensmittelindustrie?
Koßdorff: Aktuell sind die weltweiten enormen Preissteigerungen bei Rohstoffen, Verpackungen und Logistik sehr große Herausforderungen. Bei manchen Produkten wie Beerenfrüchten wurde heuer europaweit nur die Hälfte geerntet und sind praktisch „ausverkauft“. Die Verwerfungen in den internationalen Logistikketten führen zu Preissteigerungen bei Seefracht (bis zu + 300%) und Engpässen. Auch die Energiekosten etwa für Gas oder Strom haben in den vergangenen Wochen extrem angezogen. Diese Kostenlawine auf so vielen Ebenen gleichzeitig ist ungewöhnlich und belastet die Betriebe sehr. Als Exportbranche brauchen wir auch in Europa einen starken EU-Binnenmarkt und gleiche Spielregeln für alle Marktteilnehmer, sonst kommen wir unter die Räder. Wir sehen daher die Tendenzen – auch bei uns in Österreich – zu einer Re-Nationalisierung im Lebensmittelrecht mit großer Sorge. Das ist ein Bumerang, der uns noch auf den Kopf fallen wird.

PRODUKT: Danke  für das Gespräch!