Unter Druck

Kleinbauern auf der einen, große global tätige Konzerne auf der anderen Seite – dazu addiere man Klimawandel, unsichere Weltmarktpreise und Konsumenten, die gerne in Aktionszeiträumen kaufen. Eine Situation, die Konfliktpotential birgt. Die Kaffeeröster sind sich der Situation soweit bewusst – Projekte, im Großen wie im Kleinen, sind bei allen am Start.

Die wenigsten Verbraucher wissen vermutlich, dass der Löwenanteil des Rohkaffees immer noch in klein- und kleinststrukturierten Farmen angebaut wird. Rund 80% der weltweiten Kaffeemenge, so ist bei Fairtrade Österreich nachzulesen, werden von etwa 25 Mio. Kleinbauernfamilien produziert. Das liegt auch im Wesen der Pflanze begründet, die am allerbesten zwischen schattenspendenden Bäumen und auf einem humusreichen Boden gedeiht. Allerdings ist der Kaffee-Anbau für immer weniger Bauern interessant, denn Klimawandel und niedrige Preise machen den Anbau wenig rentabel. Auf der anderen Seite – also in jenen Ländern, in denen der veredelte Kaffee getrunken wird, scheint das Geschäft vergleichsweise gut zu laufen. Der weltweite Kaffeekonsum wächst jedenfalls (lt. ICO in „Kaffee in Zahlen 2018“, weltweit von 105,5 Mio. Sack im Jahr 2010 auf 157,4 Mio. Sack 2017) und auch die Pro Kopf-Ausgaben der Österreicher für Kaffee sind im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen (2010: € 21,1, 2017: € 62,9 lt. Statista Consumer Market Outlook in „Kaffee in Zahlen 2018“). Was aber so nicht – oder zu selten – bei den Produzenten ankommt. 

Ganzheitlich.

Andrea Reitinger, EZA Fairer Handel: „Im herkömmlichen Handel erhalten Kaffeeproduzenten mehrheitlich zu geringe Preise und können so weder nachhaltig noch kostendeckend produzieren. Die zu niedrigen Einkommen wirken zudem ganz direkt auf Schulbildung, Ernährungssicherheit und Gesundheit, die verstärkt in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Erschwerend kommen die Auswirkungen des Klimawandels hinzu: Veränderte Wetterbedingungen fördern Pflanzenkrankheiten und schließlich zu geringe Erträge. EZA Fairer Handel setzt daher auf Fairness in den Handelsbeziehungen, was bedeutet, dass alle Kaffees unter der Marke fair gehandelt und biologisch produziert werden. Reitinger: „Wir definieren Qualität ganzheitlich: Wir bieten hohe Bohnenqualität, die wir direkt bei den Kleinbauerngenossenschaften einkaufen und importieren. Mit diesen verbinden uns langjährige, verlässliche Handelsbeziehungen. Und das stärkt deren Position als wichtige Akteure in der Lieferkette.“ Neben den im Fairtrade System festgelegten Mindestpreisen und weiteren Bio- und Sozialprämien bezahlt EZA zudem Qualitäts-Aufschläge für die besonderen Hochlandqualitäten. Damit liegt der EZA-Einkaufspreis derzeit rund 70 bis 80% über Weltmarktniveau. Reitinger: „Wesentlich erscheint mir in der gesamten Diskussion um Nachhaltigkeit die Verknüpfung von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Zukunftsfähigkeit. Das eine ohne das andere zu denken oder gestalten zu wollen wird zu kurz greifen.“ 

Hat einen Plan.

Gehen wir zu den Großen im globalen Kaffee-Business, Nestlé Nescafé etwa. Und merken an, dass Größe – in Bezug auf die Durchschlagskraft – durchaus positive Aspekte hat, denn wenn globale Unternehmen etwas ändern, hat das auch entsprechend große, globale Auswirkungen. Und nichts Geringeres hat Nestlé aktuell vor bzw. eigentlich bereits seit 2010, als der Nescafé Plan präsentiert wurde, der für Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette steht. Jetzt wird das neue Label „Grown Respectfully“ lanciert, mit dem der Kaffee-Experte einen weiteren Schritt geht und die Verbraucher aktiv über die Erfolge und Ziele des weltweit größten privaten Nachhaltigkeitsprogramms informiert. Christiane Fellner, Nescafé Business Managerin: „Die Motivation zur Gründung im Jahr 2010 sowie treibende Kraft hinter dem Engagement für nachhaltigen Kaffeeanbau ist unser Respekt für die Kaffeebauern, für ihre Gemeinschaften sowie für die Umwelt. Daher hat sich Nescafé verpflichtet, zwischen 2010 und 2020 rund 300 Mio. € in Nachhaltigkeitsprojekte entlang der Kaffee-Lieferkette zu investieren.“ Mit dieser gewaltigen Summe werden Kaffeebauern in 17 Ländern aktiv unterstützt, u.a. mit resistenteren und ertragreicheren Kaffeepflanzen, Schulungen für über 100.000 Farmer, Installierung von Hilfsprogrammen und Anlagen, aber auch Frauenförderungs- und Bildungs-Initiativen.

Und Ziele.

Bereits 2017 wurden für „Nescafé“ 457.000 Tonnen Kaffee, also über 50% des weltweiten „Nescafé“-Volumens, aus verantwortungsvollem Einkauf verarbeitet, für „Nescafé Dolce Gusto“ war der Anteil gar 78%. Das erklärte Ziel des konzerneigenen Nachhaltigkeitsprogramms ist es, in Zukunft das gesamte Kaffee-Volumen so abzudecken. Bereits erreicht hat man zudem deutliche Einsparungen bei direkt entnommenem Wasser. Und in Sachen Treibhausgasemissionen, die bei der Produktion von löslichem Kaffee anfallen, sollen bis 2020 die gesetzten Ziele (35% weniger) geschafft werden. Null Abfall heißt ein weiteres Ziel, was für die Löskaffee-Werke bedeutet, dass Abfälle komplett vermieden werden sollen und bei den Verpackungen möchte man bis 2015 zu 100% wiederverwert- oder wiederverwendbar sein.

Mehrgleisig.

Bei JDE steht das Thema Nachhaltigkeit freilich auch auf der Agenda. Felix Regehr, JDE Geschäftsführer Retail Österreich: „Wir glauben, dass Nachhaltigkeitsinitiativen eine umfassende Zusammenarbeit zwischen der Kaffeebranche sowie Regierungen und NGOs erfordern. Deshalb haben wir uns vorgenommen, durch eben diese Partnerschaften eine führende Rolle in Nachhaltigkeitsfragen zu übernehmen.“ Die Kaffees aus dem JDE-Portfolio sind, so der Konzern, entweder nachhaltig zertifiziert, verifiziert oder stammen aus Anbaugebieten, in denen JDE gemeinsam mit den Lieferanten und Bauern und in Kooperation mit den Regierungen und NGOs soziale und ökologische Herausforderungen angeht. Im Fokus der hauseigenen Nachhaltigkeits-Projekte in den Ursprungsländern stehen Themen wie u.a. gute landwirtschaftliche Praktiken, klimaschonende Landwirtschaft oder auch der Zugang zu Finanzmitteln. Regehr: „Im November 2018 haben wir unsere Beteiligung am IDH FarmFit-Fonds bekannt gegeben. In den nächsten fünf Jahren werden wir 10 Mio. € investieren, um Kleinbauern einen besseren Zugang zu zinsgünstigen Darlehen zu ermöglichen.“

Besiegelt.

In Österreich ist übrigens das gesamte NCC-Kapsel-Sortiment unter den Marken „L´Or“ und „Jacobs“ mit dem UTZ-Label ausgestattet und Anfang Mai wird mit der „Jacobs Barista Edition“ ein neues UTZ-zertifiziertes Angebot im Ganze Bohnen-Segment lanciert. Über die konkreten Ziele in Sachen Nachhaltigkeit verrät Regehr zudem: „Um die wichtigsten Themen in unserer Lieferkette anzugehen, haben wir uns global zwei neue Ziele gesetzt: Wir arbeiten daran, unseren Kaffee bis 2025 zu 100% aus nachhaltigen Quellen einzukaufen. Und um unseren ökologischen Fußabdruck weiter zu reduzieren, sollen alle unsere Verpackungen bis 2025 entweder recyclebar oder kompostierbar sein.“ 

Forschend.

Sowohl die sinkende Produktqualität als auch die Reduktion von für den Kaffeeanbau geeigneten Flächen sind für die Branche schwerwiegende Problemfelder. Daher sind u.a. Investitionen in resistentere Pflanzen oder auch in Anbaumethoden ganz besonders gefragt. Seit 2010 unterstützt daher Lavazza als Gründungsmitglied von Coffee & Climate Kleinbauern mit technischen Hilfsmitteln, die sie benötigen, um diesen Herausforderungen effektiv zu begegnen. Die 2004 gegründete Giuseppe e Pericle Lavazza Onlus Stiftung fördert – in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Einrichtungen, internationalen Organisationen und NGOs – zusätzlich wirtschaftliche, soziale und ökologische Projekte, um kaffeeproduzierende Gemeinden auf der ganzen Welt zu unterstützen. Wenn all diese Bemühungen, die dann z.B. in Produkte wie „Lavazza Tierra!“ einfließen, bei den Verbrauchern nicht nur wohlwollend aufgenommen werden, sondern auch Kaufakte folgen, macht das natürlich nicht nur Sinn, sondern auch Freude. Oliver Knop, GF Lavazza Deutschland und Österreich: „Wir freuen uns sehr über die erfolgreiche Einführung von ‚Tierra‘ (mit UTZ- und Bio-Siegel) Ende 2018 und über die anhaltend positive Entwicklung und Akzeptanz bei den Verbrauchern.“ Eine weitere Neuheit, die in diese Kerbe schlägt, steht bereits kurz vor dem Roll-Out. 

Viel zu erzählen.

Wir könnten jetzt noch eine ganze Weile über die zahlreichen Nachhaltigkeits-Projekte der Kaffee-Unternehmen berichten – denn alle haben uns mit umfangreichen Informationen dazu versorgt. Tchibo/ Eduscho etwa mit der Initiative Tchibo Joint Forces und einem Sortiment, das bereits zu einem Drittel aus Kaffee aus nachhaltigem Anbau besteht mit dem Ziel mittelfristig ausschließlich Kaffees anzubieten, deren Anbau gleichermaßen ökologische, soziale und ökonomische Anforderungen erfüllt. Oder J.Hornig, der mit seiner Spezialitäten-Linie, aber auch Bio- und Fairtrade-Kaffees entsprechende Produkte  bietet. Julius Meinl, der insbesondere die Gastronomie mit passenden Angeboten versorgt und Dallmayr mit konkreten Aktivitäten z.B. in Äthiopien. Nicht zu vergessen Segafredo mit der „Selezione Organica“-Linie und kompostierbaren Kaffee-Kapseln. Ganz am Ende der Lieferkette steht aber schließlich der Konsument, der am PoS meist weder Umwelt- noch Sozialprobleme und schon gar nicht die umfassenden Projekte der Röster am Schirm hat, sondern schlicht nach Preis und vertrauter Marke entscheidet. 

Zugreifen.

Etwa 13% des Kaffeeangebotes sind lt. Nielsen Bio- und/oder Fairtrade-zertifiziert. Andere Stellen beziffern den Anteil auf unter 10%. Einig ist man sich jedoch darüber, dass sowohl das Angebot als auch das Interesse der Verbraucher steigen. Allerdings gibt es noch viel Potential. Harald J. Mayer, GF Tchibo Österreich: „Neben einem sehr hohen Qualitätsanspruch des österreichischen Kaffeetrinkers wächst der Wunsch nach Transparenz und Nachhaltigkeit an. Eine Entwicklung, die wir begrüßen. Der erweiterten Erwartungshaltung des Verbrauchers steht allerdings die nahezu gleichbleibende Preis-Sensibilität entgegen.“ So ergab auch unsere mit Marketagent.com durchgeführte Studie, dass 57% der Verbraucher es persönlich für wichtig erachten, dass Kaffee fair gehandelt wird und 23%, dass er ein Bio-Siegel trägt – geht es aber ans Bezahlen, zeigt sich: Mehr als 10% Aufpreis ist einem Nachhaltigkeit nicht wert. Eine Zahl, die erschreckend – aber auch ein Auftrag ist.

Wie entscheiden?

Da auch ganz viele der Maßnahmen und Projekte ohne für die Verbraucher sichtbare Labels laufen, stellt sich zudem die Frage, woran sollen sich Konsumenten orientieren? Harald J. Mayer, GF Tchibo/ Eduscho meint dazu: „An der Marke, dem Unternehmen und dessen nachhaltigen Engagement. An der Frage, wie ehrlich und transparent wird kommuniziert?“ All das sind Themen, die aktiv kommuniziert werden müssen. Nicht zuletzt werblich, denn das Vertrauen in eine Marke und die Bereitschaft tiefer ins Geldbörserl zu greifen, entsteht zumeist nicht von alleine.