Viele unter einem Dach

Gerald Hackl ist Vorstandvorsitzender der Vivatis Holding AG, eines der größten rein österreichischen Unternehmen der Nahrungs- und Genussmittelbranche.

Gerald Hackl ist Vorstandsvorsitzender der Vivatis Holding AG und damit maßgeblich mitverantwortlich für 3.400 heimische Arbeitsplätze und österreichische Marken wie „Inzersdorfer“, „Toni Kaiser“ oder auch „Wojnar’s“. Wir haben mit ihm über Österreich als Standort und Herkunft gesprochen.

PRODUKT: Herr Hackl, Vivatis ist eines der größten Lebensmittelunternehmen Österreichs – geben Sie uns doch bitte ein paar Kennzahlen, die das verdeutlichen!

Hackl: Die Vivatis Holding AG ist ein Dach österreichischer Klein- und Mittelbetriebe im Nahrungs- und Genussmittelbereich sowie spezieller Produktions- und Dienstleistungsunternehmen. Jährlich verarbeiten und veredeln wir mehr als 100.000 Tonnen österreichische Rohstoffe zu den über die Grenzen hinaus bekannten Produkten. Mit unseren Konzerngesellschaften haben wir rund 95 Eigen- und Fremdmarken im Portfolio und beschäftigen 3.400 Mitarbeiter. 

PRODUKT: Und für wie viel Umsatz steht das Unternehmen?

Hackl: 2021 haben wir einen Umsatz in Höhe von 968 Mio. € erwirtschaftet. 2022 werden wir deutlich über einer Milliarde liegen. Mitverantwortlich dafür sind die im Jahr 2021 getätigten Akquisitionen. 

PRODUKT: Die Zeit ist keine einfache – dennoch ist es eines Ihrer wichtigsten Vorhaben, so viele heimische Rohstoffe in Ihren Produkten und Gerichten zu verarbeiten, wie es nur möglich ist – warum?

Hackl: Regionalität spielt bei uns eine übergeordnete Rolle – und das in vielerlei Hinsicht. Ich stehe hinter österreichischen Lebensmittelherstellern und ihren Qualitätsprodukten. Mit den hier ansässigen Standorten und Produktionen sowie rekrutierten Arbeitskräften leisten wir einen bedeutenden Beitrag zur österreichischen Wertschöpfung. Wir sind ein verlässlicher Partner – und das schätzen unsere Kund:innen – genauso wie unsere hochwertigen Produkte „Made in Austria“. Die krisenbedingte Rückbesinnung der Österreicher:innen auf heimische Produkte sowie die aktuell schwierige Versorgungslage mit Rohstoffen aus dem Ausland bestärken uns zusätzlich in unserer Ausrichtung.  

PRODUKT: Und was bedeutet das in der Praxis – etwa hinsichtlich Kostenunterschieden?

Hackl: Dass Qualität ihren Preis hat, zeigt sich z.B. bei Hühnerfleisch aus Österreich, das dem Unternehmen pro Jahr rund € 600.000,- kostet. Und diese werden zur Aufrechterhaltung der hohen Qualität gerne investiert. 

PRODUKT: Auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?

Hackl: Ich bin auf die Arbeit und Entwicklung all unserer Konzerngesellschaften sehr stolz. Sie machen einen tollen Job und entwickeln sich im Sinne der gemeinsam definierten Strategie weiter. Der Regionalitäts-Aspekt ist für mich auch ganz stark mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz verbunden. Und auch da gibt es zahlreiche, langfristig angelegte Initiativen, auf die wir zurecht stolz sein können. Gourmet z.B. misst als Erster in der Branche den CO2- Fußabdruck der Speisen, sorgt damit für mehr Bewusstsein und kann sich auf Basis von Fakten kontinuierlich verbessern. 

PRODUKT: Und wo wird oder war es zuletzt schwierig?

Hackl: Schwierig ist es aktuell vor allem im Hinblick auf den Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und enormen Preissteigerungen von Rohstoffen. Daran kommt niemand vorbei – auch die Vivatis-Gruppe nicht. Dank unserer langjährigen, treuen österreichischen Lieferanten sind wir aber die regionalen Rohstoffe betreffend gut aufgestellt. Das erleichtert uns momentan vieles. 

PRODUKT: Angesichts der herausfordernden Zeit – welche Ziele setzt sich die Vivatis und welche Strategien sind Ihrer Meinung nach zielführend, um möglichst gut durch die nächsten Monate zu kommen?

Hackl: Die Krise(n) sind zweifelsohne mühsam, aber wir lassen uns dadurch nicht von unserem Weg abbringen. Dass sind wir unseren Top-Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und auch allen anderen Partnern schuldig. Unser vorrangiges Ziel ist es daher, die Versorgung und Belieferung unserer Kunden trotz erschwerter Bedingungen sicherzustellen. Dafür beurteilen wir die Lage von Tag zu Tag. Wir halten aber auch nach wie vor an unserer Wachstumsstrategie fest, die für alle verbundenen Unternehmen klar definiert ist. Denn Kontinuität und Stabilität sind in volatilen Zeiten, so wie wir sie gerade erleben, besonders wichtig. Nichtsdestotrotz freuen wir uns auf eine „krisenfreie Zeit“, die es uns ermöglicht, uns wieder zu 100% auf unsere Zukunftsprojekte zu fokussieren.

PRODUKT: Die Vivatis hat zuletzt Marken bzw. Familienunternehmen wie Ackerl oder auch Wojnar übernommen – was ist die Strategie/der Gedanke dahinter?

Hackl: Wachstum ist Teil unserer strategischen Ausrichtung – sowohl organisch als auch akquisitorisch. Aber nicht um jeden Preis. Akquisitorisches Wachstum ist denkbar, wenn es zu unseren strategischen Geschäftsfeldern passt. Und das war bei Ackerl und Wojnar’s der Fall. Mit Wojnar’s haben wir ein großartiges österreichisches Traditionsunternehmen, das ideal zu unserer Produktvielfalt passt, übernommen. Einerseits können wir dadurch unsere Expertise im Geschäftsbereich Frische- und Kühl-Convenience erweitern, andererseits bietet der Zusammenschluss für beide Unternehmen die Möglichkeit langfristig und nachhaltig sowie gesund und qualitativ wachsen zu können. Auch in Zukunft sind damit Standorte, Arbeitsplätze und Wertschöpfungskraft in Österreich gesichert. Ähnliches gilt für die Übernahme von Ackerl.

PRODUKT: Vivatis bzw. die dazugehörigen Unternehmen sind auch im Export tätig – wie wichtig sind die internationalen Märkte für die Gruppe?

Hackl: Unser Exportgeschäft macht rund 20% aus. Es ist somit nicht unerheblich für unseren Erfolg. Das unterstreichen auch unsere Expansionspläne in diese Richtung. Bei Maresi liegt der Fokus auf den CEE-Ländern, Gourmet möchte seine Erfolgsstrategie im Segment Gemeinschaftsverpflegung auch auf Deutschland ausweiten. Die Kernwerte der Vivatis gelten gleichermaßen für alle Märkte. Wir stehen für Qualitätsprodukte aus Österreich, beste regionale Rohstoffe und gute Produktionsbedingungen. 

PRODUKT: Wenn Sie an die aktuelle Situation mit alle ihren Problemen und Krisen denken – was bereitet Ihnen am meisten Gedanken – und wie gehen Sie damit um? Privat und/oder in Ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzender von Vivatis?

Hackl: Die größten Sorgen bereitet mir der Gedanke, dass ein Weltkrieg entstehen könnte, aber auch die Spaltung der Gesellschaft, die sich bereits seit Ausbruch der Corona-Pandemie abzeichnet und die sich mit steigender Inflation zunehmend verstärkt. Wir waren es bis dato nicht gewohnt auf etwas verzichten zu müssen. Die neue Realität zwingt uns damit umzugehen. 

PRODUKT: Vielen Dank für das Gespräch!