Zeigen Wirkung

Jochen Hartl, Shopper Insights-Spezialist GfK Austria

Was Megatrends von kleineren Moden unterscheidet, ist ihre unübersehbare Wirkung: Megatrends haben konkrete und langfristige Auswirkungen auf mehrere, manchmal alle, Warengruppen und das zeigt sich auch in den Umsätzen. Wir haben mit zwei Experten, die es wissen müssen, geredet: Sigrid Göttlich, Commercial Director, Nielsen Alpine und Jochen Hartl, Shopper Insights-Spezialist GfK Austria.

PRODUKT: Lieber Herr Hartl, mit einem Blick auf Ihren Zahlenschatz der Österreicher im FMCG-Bereich: Bei welchen Themen sehen Sie so deutliche Steigerungen, dass man sie als Megatrend bezeichnen kann?
Hartl: Wir sehen einige langfristige Trends, die durch Corona sogar noch an Bedeutung gewonnen haben. Daneben sind durch die Krise selbst neue Verhaltensmuster und Trends entstanden, die zum Teil das Verhalten der Österreicher dauerhaft verändern werden. Bei den übergeordneten Entwicklungen sehen wir, dass der Trend zu mehr Nachhaltigkeit ungebrochen ist. Das äußert sich in Subtrends wie dem stärker werdenden Bio-Markt oder dem Fokus auf weniger Plastik und mehr Papier/Karton bzw. Glas/Mehrweg bei den Verpackungen. Bei Near Food sehen wir beispielsweise eine zunehmende Anzahl an Öko-Produkten bei Wasch- und Reinigungsmitteln oder zunehmend Re-Fill Stationen im Handel. Eng verbunden damit ist der Trend zu mehr Gesundheitsbewusstsein. Viele Österreicher achten zunehmend auf das Labelling zu Inhaltstoffen, Herkunft und Herstellung. Auch der Markt für vermeintlich gesündere Produkte wächst, wie alkoholfreies Bier, zuckerreduzierte Produkte, Protein, gesunde Snacks, Superfood usw. Einen Boom sehen wir auch bei Veggie und veganen Produkten. Trotz der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ist das Qualitätsbewusstsein der Österreicher weiter gestiegen. Im Lockdown wächst die Sehnsucht, sich selbst etwas Gutes zu tun. Wir sehen daher einen Anstieg bei den Premiummarken, Spezialitäten, Lifestyle-Getränken usw., während Budgetmarken langfristig verlieren.

PRODUKT: Können Sie uns anhand eines konkreten Beispiels schildern, wie ein Megatrend eine ganze Warengruppe verändern kann?
Hartl: Gekühlte Direktsäfte sind sicher ein Beispiel, die den Wunsch der Verbraucher nach hochwertigem Saft mit Frischeanmutung aufgegriffen haben. Die Säfte haben ein eigenes Subsegment geschaffen. Auch bei den Milch- und Fleischalternativen sehen wir immer breiter werdende Sortimente im Handel, die mittlerweile eine eigene Warengruppe bilden, sogar inkl. Produkten von etablierten Molkereien und Fleischverarbeitern.

PRODUKT: Und wie kommt die Entwicklung eigentlich zustande – wer macht die Trends?
Hartl: Bei der Entwicklung von Trends spielen viele gesellschaftliche Entwicklungen auf demographischer, ökonomischer, ökologischer und technologischer Ebene eine Rolle, von der Altersstruktur, dem Klimawandel & Plastikmüll bis hin zur Digitalisierung.  Die Umsetzung von Trends wird in der Regel von Verbrauchern, Herstellern und Handel gleichermaßen getrieben. Letztlich spiegeln sich in Trends immer die Bedürfnisse der Shopper wider, die dann von Herstellern und Handel aufgegriffen werden. 

PRODUKT: Muss man als Hersteller auf jeden Trend reagieren?
Hartl: Als Hersteller ist es absolut relevant, seine Zielgruppen und deren Bedürfnisse genau zu kennen. Es macht sicher keinen Sinn, jedem Trend blind zu folgen. Die Trenderweiterung muss glaubhaft sein und zu dem Image und Profil der Marke passen. Oftmals bieten Trends aber die Chance, neue Zielgruppen zu erreichen und sich zu verjüngen. Viele Hersteller wählen dabei eine eigene Submarken-Strategie und Kommunikation, die sich bewusst absetzt vom Rest der Marke. Die Submarke „iglo Green Cuisine“ wäre so ein Beispiel, wo das Vertrauen in die Marke „iglo“ genutzt und gleichzeitig ein Angebot für neue Zielgruppen gesetzt wird.

PRODUKT: Inwieweit hat Corona die Entwicklung aktueller Trends beeinflusst?
Hartl: Corona hat die Entwicklung vieler „Vor-Covid“-Trends wie Nachhaltigkeit, Gesundheits- und Qualitätsbewusstsein nochmal verstärkt. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Menschen durch die Krise stärker als früher ihr Konsumverhalten überdenken. Dazu gehört auch, dass die Menschen dem Nahen wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Gerade der Trend zu mehr Globalisierung scheint durch die Krise endgültig gebrochen zu sein. Hersteller und Händler können mit Initiativen, die regionale Produkte und Erzeuger fördern, bei den Konsumenten punkten.Die Krise hat auch eine neue Häuslichkeit geschaffen. Dadurch dass die Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen, kochen und backen deutlich mehr Menschen zuhause selbst. Wir sehen auch, dass die erste Tageshälfte bei den Mahlzeiten an Bedeutung gewonnen hat. Gleichzeitig ist das Bedürfnis gestiegen, sich ganzheitlich gesund zu halten, aber auch sich zu Hause etwas zu gönnen, sich selbst zu verwöhnen. Wellnessprodukte für daheim sind dementsprechend hoch im Kurs.

PRODUKT: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview mit Sigrid Göttlich, Commercial Director, Nielsen Alpine