Zeigen Wirkung

Sigrid Göttlich, Commercial Director, Nielsen Alpine

Was Megatrends von kleineren Moden unterscheidet, ist ihre unübersehbare Wirkung: Megatrends haben konkrete und langfristige Auswirkungen auf mehrere, manchmal alle, Warengruppen und das zeigt sich auch in den Umsätzen. Wir haben mit zwei Experten, die es wissen müssen, geredet: Sigrid Göttlich, Commercial Director, Nielsen Alpine und Jochen Hartl, Shopper Insights-Spezialist GfK Austria.

PRODUKT: Mit einem Blick auf Ihren Zahlenschatz: Bei welchen Themen sehen Sie so deutliche Steigerungen, dass man sie als Megatrend bezeichnen kann?
Göttlich: Der Begriff „Megatrend“ impliziert, dass es um langfristige und grundlegende Veränderungen im Konsumentenverhalten geht, die von Handel und Industrie erkannt werden. Das können Trends sein, die mit den Herstellungsbedingungen zu tun haben wie Bio oder Tierwohl. Unübersehbar ist auch der Trend zu mehr Nachhaltigkeit, der vor allem die Verpackungsfrage betrifft mit der Absicht Müll zu vermeiden und Ressourcen zu sparen. Beides Themen, die so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden werden und darum getrost auch als Megatrend bezeichnet werden können. Fast noch weitreichender und diverser ist der Megatrend zu gesunder bzw. bewusster Ernährung. Die anhaltend hohen Wachstumsraten pflanzlicher Alternativen, Super­fruits, Low Carb, Protein oder auch ein wachsendes Angebot an alkoholfreien Spirits bzw. Bier tragen dem Rechnung.

PRODUKT: Können Sie uns anhand eines konkreten Beispiels schildern, wie ein Megatrend eine ganze Warengruppe verändern kann?
Göttlich: Trends führen aus Warengruppen-Sicht im Regelfall zu Verschiebungen oder Zuwächsen. Das Mengenminus von Mineral- und Sodawasser wird von den Mengenzuwächsen von Wassersprudler-Zylindern abgefangen. Das ist ein klassisches Beispiel, wo ein Trend zur Verschiebung einer Warengruppe hin zu einer anderen führt. Bei Trends wiederum, die mit Premiumisierung einhergehen, kommt es zu Umsatzzuwächsen. Dies kann man aktuell bei Mopro-Warengruppen wie der Bunten Palette beobachten. Mengenmäßig stagniert diese Warengruppe, trotzdem legt der Umsatz aufgrund eines höheren Durchschnittspreises von Protein-Linien zu. Dieser liegt bis zu 107% über dem Warengruppen-Durchschnittspreis.

PRODUKT: Und wie kommt eine solche Entwicklung zustande – wer macht die Trends?
Göttlich: Trends entstehen durch Veränderungen in der Gesellschaft, wenn es zu Werte-Neuordnungen kommt und Bedürfnisse bei den Konsumenten geweckt und verstärkt werden. Vieles, was später zu einem großen Trend wird, gibt es schon davor als Nischenangebot. Oft werden Marken, Produkte oder ganze Warengruppen durch einen Trend von den Kunden wiederentdeckt. Man denke an den Gin-Trend bei den Spirituosen in den letzten Jahren. Unter den Verbrauchern wie auch unter den Herstellern und Händlern gibt es jene, die einen Trend erkennen, sehr früh darauf setzen und ihn dadurch mitgestalten. Daneben gibt es auch jene, die abwarten und erst später auf Trends aufspringen, wenn eine bestimmte Dynamik erreicht ist. Dabei sind Trends gerade im FMCG-Bereich für Hersteller und Händler gleichermaßen wichtig. Wer einen Trend früh erkennt und erfolgreich bespielt, unterstreicht damit seine Relevanz am Markt und kann im Idealfall neue Kunden gewinnen oder bestehende an sich binden.

PRODUKT: Muss man als Hersteller auf jeden Trend reagieren?
Göttlich: Es braucht Erfahrung und ein Gespür, um sich verändernde Kundenbedürfnisse zu erkennen und abzuschätzen. Auf Mega­trends nicht zu reagieren, ist aus unternehmerischer Sicht keine Option. Es hieße ein Stück weit die Augen vor der Realität zu verschließen. Aus Hersteller-Sicht muss das Ziel lauten, die Kunden und den eigenen Markt so gut zu kennen, um gar nicht erst auf Trends zu warten, sondern sie auf Basis ständiger Marktanalysen frühzeitig aufzuspüren.

PRODUKT: Inwieweit hat Corona die Entwicklung aktueller Trends beeinflusst?
Göttlich: Wie auch in anderen Lebensbereichen hat Corona im LEH und DFH einige Trends beschleunigt. Erinnern wir uns an die Diskussion rund um Versorgungssicherheit: Dadurch ist der Trend zu Regionalität in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Aber auch die Themen Gesundheit und bewusste Ernährung haben profitiert, so entwickeln sich beispielsweise pflanzliche Alternativen deutlich über dem Gesamtmarktniveau. Hier ist das Angebot allerdings auch gewachsen. Eine deutlich höhere Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot sehen wir beim Trend zum Selberkochen und Backen.

» Interview mit Jochen Hartl, Shopper Insights-Spezialist GfK Austria