Offene Türen

Benutzen Sie die Artivive-App mit dem Bild am Ende des Textes.

In keinem anderen Bereich wird mehr Kontrolle und Transparenz gefordert – und gleichzeitig wollen die Konsument:innen in Wirklichkeit meist wenig mit dem Thema zu tun haben: Wir haben uns die Schritte von der Nutztier-Schlachtung bis zur Salami-Produktion in zwei Betrieben der Marcher-Gruppe angesehen.

Kategorie: Stories, Food

Nachdem das Heftthema „Transparenz – Einblicke mit Mehrwert“ in einem Gespräch fiel, war die Einladung für eine Betriebsführung seitens Marcher, dem größten Schlacht- und Zerlegeunternehmen Österreichs, schnell ausgesprochen. Man zeige gerne her, was sonst der Öffentlichkeit eher verborgen bleibt, denn zu verstecken gäbe es erstens nichts und zweitens möchte man die wertvolle und anspruchsvolle Arbeit, die die rund 1.800 Mitarbeiter:innen täglich erledigen, gerne vor den Vorhang holen, so die Idee dahinter. Rund zehn Jahre ist es her, dass der VGT ein Video von einer Schweineschlachtung online stellte, bei dem zu sehen war, dass Tiere noch zuckten, scheinbar noch lebten – unkommentiert sieht das für Laien erschreckend aus. Auch als Reaktion darauf, haben sich die Marcher Fleischwerke das Thema Transparenz und Tierwohl seither noch deutlicher auf die Fahnen geschrieben. Norbert Marcher, GF: „Für jede Sparte der Lebensmittelproduktion, und ganz besonders für Fleisch, ist das Vertrauen der Konsument:innen essentiell. Für Glaubwürdigkeit braucht es aber Transparenz. D.h. für uns, wir stehen für relevante, ehrlich gemeinte Anfragen zur Verfügung, wir unterziehen uns allen Kontrollen, wir öffnen unsere Betriebe, wir zeigen den Schlachtprozess auf Wunsch.“ Wer sich ein Bild machen möchte, kann sich z.B. in Graz eine Schlachtung via Video-Übertragung live ansehen. Sonja Vikas, zuständig für die Pressearbeit der Marcher-Gruppe, berichtet allerdings, „dass dieses Service zwar gut ankomme, aber dann doch recht selten genutzt werde.“

EFFEKTIV UND KONTROLLIERT. Wir bekommen bei unserer Führung im Schlachthof in Graz, einem der größten und modernsten Europas, allerdings das volle Paket. Ganz persönlich, begleitet von Bela Kulacs, dem Produktionsleiter des Standorts, starten wir bei der Rinder-Zerlegung, die Schlachtung von Schweinen sollen wir am Ende des Rundgangs sehen. Die Rinderhälften, penibelst an mehreren Stellen gekennzeichnet und mit einem Etikett versehen, werden kontrolliert und nach Kundenwunsch von den ausgebildeten Fachkräften zerteilt. Zunächst in größere Stücke, die dann weiter zur nächsten Station laufen und hier – automatisiert – an den passenden Mitarbeiter geleitet werden. Der wiederum macht, fachmännisch und in Handarbeit, den gewünschten weiteren Zuschnitt. Jede Station, jeder Arbeitsschritt wird von der EDV registriert, so dass für jedes Stück Fleisch z.B. Herkunft, Qualitätsprogramm oder -stufe und natürlich der Mitarbeiter, der verantwortlich zeichnet, transparent dokumentiert werden können. Sollten Mängel auftreten, ist es ein Leichtes, alle Teilstücke zu finden und zurück zu ordern. Marcher: „Dieser Ablauf ist nicht nur als reine Transparenzmaßnahme zu sehen. Die genaue Dokumentation, die Einteilung der Mitarbeiter:innen, die für bestimmte Aufgaben geschult sind, und die gezielte Aufteilung der Teilstücke, letztlich das ausgeklügelte Zusammenspiel von Technik und Manpower, ermöglicht ein Maximum an Effizienz. So können Prozesse laufend optimiert werden und nur so ist es möglich, die unterschiedlichsten Kundenanfragen – von der Lieferung eines Bio-Edelteils für einen Gastronomen über den LEH bis hin zur Ware für die eigene Weiterverarbeitung – überhaupt zu bewerkstelligen und nachweisen zu können.“ Schließlich ist der Schlachthof in Graz alles andere als ein kleiner Betrieb, hier arbeiten in einer Schicht über 180 Personen und pro Stunde werden bis zu 30 Tonnen Fleisch verarbeitet. Dass dabei höchste hygienische Vorschriften eingehalten werden und bei kühlen Temperaturen unter fünf Grad gearbeitet wird, versteht sich von selbst.

KONZENTRIERT. Es geht weiter zum sensibelsten Bereich: Zur Betäubung und Tötung der Nutztiere, in unserem Fall zur Schweineschlachtung. Im Anlieferbereich herrscht, soweit ersichtlich, Ruhe; einige Schweine dösen, andere toben in den Buchten herum. Mitarbeiter:innen mit  Treibhilfen aus weichem Material, ähnlich wie Schwimmnudeln, treiben die Tiere in Richtung der optisch abgetrennten Betäubungs-Box. Dort geht dann auch alles rasch und mit großer Konzentration vor sich. Die elektrische Betäubung ist der erste Handgriff des Fleischer-Facharbeiters, der zweite der so genannte Entblutestich. Das dauert nur wenige Sekunden – drei Schweine in der Minute bewerkstelligt der erfahrene Mitarbeiter. Dabei wird jede Betäubung automatisch protokolliert und jeder Schlachtkörper wird sofort von amtlichen Tierärzt:innen sowie vom unabhängigen Schlachtkörperklassifizierer und firmeninternen Qualitätsmanager:innen kontrolliert und dokumentiert. Wir schauen einige Minuten zu, die Handgriffe zeugen von viel Erfahrung, die Abläufe sind reibungslos, die Stimmung unaufgeregt und konzentriert – man ist geneigt zu sagen, die Schlachtung erfolgt schnell und schmerzlos. 

VEREDELUNG. Die Marcher Gruppe mit ihren elf Betrieben ist insofern einzigartig, als dass sich aus der Kombination von Schlachthöfen und Veredelungs-Unternehmen wertvolle Synergien ergeben. Die Struktur ermöglicht es nicht nur, dass die firmeneigenen Unternehmen verlässlich mit der benötigten Rohware beliefert werden können, sie stellt auch sicher, dass die geschlachteten Tiere zur Gänze verarbeitet bzw. vertrieben werden können. Unser Besuch führt uns im nächsten Schritt nach St. Stefan im Rosental, zum Standort des Salami-Spezialisten Loidl. Im Rohwaren-Lager finden wir das frische Schweinefleisch aus dem Grazer Schlachthof, u.a. tiefrotes Zuchtsauen-Fleisch, das für die Salami-Produktion besonders wichtig ist. In der Cutterei wird es sorgsam und getreu den vorgesehenen Rezepturen verarbeitet, auch hier ist immer noch eine volle Rückverfolgbarkeit der Rohwaren gewährleistet. Rund 70 Reiferäume umfasst der Betrieb, der jeden Salami-Liebhaber begeistern würde. Je nach Anforderung, Wunsch und Preis-Vorstellung reifen hier die Salami- und Kantwurst-Spezialitäten – umso länger die Reifung, umso besser das Ergebnis. Marcher: „Damit ist der Produktionsprozess abgeschlossen und wir können am Ende genau sagen, was in der Salami ist. Prinzipiell stehen den Konsument:innen heute so viele Möglichkeiten zum ‚Blick hinter die Kulissen‘ zur Verfügung wie noch nie, diese auch zu nützen, ist dann die persönliche Entscheidung.“

MEHRWERT. Der Besuch der Marcher-Standorte in Graz und St. Stefan hat uns Einblicke gegeben, die viel wert sind. Wer Fleisch isst, sollte sich damit auseinandersetzen, dass dafür Tiere getötet werden. Dass das würdevoll, hygienisch, möglichst schmerzfrei und professionell passiert – und ein Maximum an Transparenz möglich ist – hat uns diese Betriebsführung gezeigt. Und, ganz wichtig: Dafür braucht es Mitarbeiter:innen, die diesen anspruchsvollen Job tagtäglich verrichten.