Wie geht´s…

Diese Krise ist keine Kleinigkeit. Sie ist eine echte Tiefenkrise, die jeden einzelnen und jeden Bereich betrifft. Und das global. Wir fragen uns im Folgenden, wie es aktuell den Menschen, der Landwirtschaft, den Medien und dem Handel in Österreich geht.

Kategorie: Stories
… den Menschen?
Ausgangssperre, Home-Office oder gar Job-Verlust und das von heute auf morgen – die Krise verlangt den Menschen einiges ab, selbst wenn man selbst und alle Nahestehenden gesund sind. Die Österreicher haben die Situation – im Großen und Ganzen – dennoch recht gut im Griff, die Maßnahmen werden soweit akzeptiert und die Stimmung scheint den Umständen entsprechend gut zu sein. Bemerkenswert ist aber insbesondere, welche Bedeutung man dieser Zeit einräumt: 77% der im Isolationsreport von Marketagent.com befragten Österreicher gehen nämlich davon aus, dass die in der Corona-Zeit gesammelten Erfahrungen einen nachhaltigen Einfluss auf die Gesellschaft haben werden.


Nicht so wie zuvor. Das sieht auch das Zukunftsinstitut ähnlich. Tristan Horx: „Diese Krise hier ist nicht abstrakt. Sie trifft alle und sie trifft alle gleichzeitig. Damit ist sie eine echte Tiefen-Krise, die das Mindset der Menschen ändern wird. Und, so viel Respekt sollte man schon haben, dass man der Gesellschaft zutraut, dass sie die Lektionen der Isolation in ihr weiteres Verhalten einfließen lassen wird. Wir sollten davon ausgehen, dass Menschen lern- und anpassungsfähig sind.“


Das neue normal. Auch das Marktforschungsunternehmen Nielsen geht davon aus, dass die Krise nachwirken wird. Sigrid Göttlich, Commercial Director Nielsen Alpine, weist auf eine „neue Normalität“ hin: „Der Konsum, so wie wir ihn kennen, wird sich für längere Zeit nicht normalisieren. Auch nach der Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen werden die KonsumentInnen mehr zu Hause bleiben – erst wenn das Vertrauen wieder wächst, werden wir langsam zu einem neuen Normalzustand zurückkehren. Ob es in der „neuen Normalität“ langfristig geänderte Konsummuster gibt, hängt dabei auch von den Herstellern und Händlern ab und der Tatsache, ob sie es geschafft haben, die Loyalität in der Krisenzeit aufzubauen und die sich ergebenden Chancen zu nutzen.“

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… Medien & Marketing?
Eines hat die Krise jedenfalls in Windeseile geschafft: Sie hat dafür gesorgt, dass so viele Menschen wie noch nie intensiv Medien nutzen. Das ist nachvollziehbar, denn erstens ist es eine Krise und der Informationsbedarf ist groß und andererseits sind von einem Tag auf den anderen alternative Freizeitbeschäftigungen weggebrochen. Spannend ist dabei die Renaissance der Qualitäts-Medien. Einige beeindruckende Zahlen dazu: Am 15. März lief die ZIB1 durchgeschaltet auf allen vier ORF-Kanälen und erreichte rund 2,8 Mio. Zuschauer, was die höchste je gemessene Zuschauerzahl ist (seit es Teletest gibt). Und auch die Nutzungsdauer änderte sich: Wurden im Vergleichszeitraum (10. bis 30.3.2019) rund 199 Minuten pro Tag ferngesehen, sind es in diesem Jahr durchschnittlich 269 Minuten, was einem Zuwachs von 35% entspricht. Ebenso zugelegt haben lt. Reppublica-Report die Online-Portale der Printmedien: orf.at steigerte die Reichweite um 21,6% auf 45%, derStandard.at wuchs in der Reichweite gar um 73,3% auf 26%.


Werbung ja/nein? Gleichzeitig bangen aber quasi alle Medien um Werbeeinnahmen und in Folge um ihre Existenz, denn wichtige Inserenten sind zeitgleich mit der Krise regelrecht vom Bildschirm verschwunden. Dabei bietet sich genau jetzt die Chance, die Verbraucher in einem vertrauensvollen Umfeld zu erreichen, Loyalitäten aufzubauen – und nebenbei etwas für eine qualitative Berichterstattung zu tun.

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… der Landwirtschaft?
Landwirt sein in Österreich ist nicht einfach. Der Strukturwandel schreitet voran, die landwirtschaftlichen Betriebe werden weniger. LK Österreich-Generalsekretär Ferdinand Lembacher: „Wir haben sehr strenge Regeln und hohe Standards in der österreichischen Landwirtschaft – das Problem ist aber: Der Markt ist offen und wir müssen mit Produkten, die von außerhalb kommen, preislich konkurrieren.“ Dieses Thema beschäftigt auch den Verein Land schafft Leben. Hannes Royer: „Die Krise zeigt im Bereich der Lebensmittelversorgung die enorme Bedeutung einer Ernährungssouveränität. Und sie zeigt auch die Schwachstellen einer aus allen Rudern gelaufenen globalen Vernetzung. Nichts gegen den notwendigen internationalen Handel grundsätzlich, aber die Frage nach Corona muss schon und wird sein, ob wir uns bei einigen sehr sensiblen Bereichen nicht wieder mehr auf die eigenen Füße stellen sollten. Das muss aber politisch gewollt sein, weil es dazu Änderungen gewisser Rahmenbedingungen braucht. Was politisch möglich ist, sieht man jetzt und nimmt man Tag für Tag mit staunenden Augen wahr.“


Produktionsauftrag. Auch die Zukunftsforschung geht übrigens davon aus, dass es vermehrt zur Ausprägung einer „glokalen“ Wirtschaft kommen wird. Also einer Wirtschaft, die global vernetzt, aber lokal verankert ist. Und auch das Konsumverhalten könnte sich anpassen. Horx: „Viele Preise für Produkte sind eine einzige Blase, bei der absehbar ist, dass sie mal platzt. Es ist im Großen und Ganzen eine Frage des Konsumverhaltens, das sich ja aber auch in den letzten Jahren schon entsprechend zu ändern begonnen hat. Nicht der ständige Konsum, sondern ausgewähltes Einkaufen wird entscheidend sein. Mit jedem Einkauf erteilt man schließlich auch einen Produktionsauftrag.“ In diesem Zusammenhang sei auch der Wunsch nach Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Produkte genannt. Lembacher: „Denn, wenn die Verbraucher sehen, woher das Produkt kommt, beeinflusst das schon auch die Kaufentscheidung. Und wenn dann trotzdem noch jemand günstigere Ware von irgendwoher kauft, dann soll es so sein.“ In der Krise wurde sichtbar, dass die heimische Landwirtschaft, genauso wie der Pflegebereich, von Fremdarbeitern abhängig ist, die wir zur Not sogar einfliegen lassen möchten. Der Aufruf an die österreichische Bevölkerung auf den Feldern mitzuhelfen, hat zwar die Situation etwas gelindert, am eigentlichen Problem ändert es jedoch nichts. Klaus Hraby, GF Efko: „Man kann die Leute nicht zu einer Arbeit zwingen, die sie nicht machen möchten oder können.“

… dem Handel?
Rainer Will, GF des Handelsverbandes, kommentiert die Folgen der Krise drastisch: „Vermutlich wird nur ein einziger Händler gut aus dieser Krise aussteigen, nämlich Amazon. Die heimischen Lebensmittelhändler verdienen sich zurzeit definitiv keine goldene Nase, sie haben vielmehr mit Umsatz- und Frequenzrückgängen zu kämpfen. Darüber hinaus hat der LEH Zusatzkosten in Millionenhöhe für das Personal, die Ausgabe von Schutzmasken, die Installation von Plexiglas-Wänden, die regelmäßige Desinfektion der Einkaufswägen, die Zugangskontrolle u.v.m. zu stemmen.“ Positiv wirkt sich die Krise aber auf die Onlineshops der Händler aus, die in dieser Zeit deutlich mehr frequentiert wurden. Paul Pöttschacher, Pressesprecher Rewe: „Derzeit verzeichnen wir eine erhöhte Nachfrage um rund das 12-fache.“ Dabei ist davon auszugehen, dass – nachdem jetzt viele Konsumenten die Anfangshürde genommen haben – weiterhin die Zustellung vermehrt genutzt wird. Absolut gar nicht gut geht es freilich dem Gastronomiegroßhandel. Eurogast formulierte in einem offenen Brief: „Eine Branche mit einem Umsatz von 2 Mrd. € und zehntausenden Beschäftigten ist hochgradig existenzbedroht. Allein in den Lagern der Eurogast liegt ablaufgefährdete Ware im Wert von 60 Mio. €. Wir brauchen Direktzuschüsse, die uns unter anderem den Ausfall verderblicher Ware abgelten. Diese Hilfe muss äußerst rasch kommen, sonst kann es für den einen oder anderen bereits zu spät sein.“