Veit: Mit der Einschätzung liegt Susanne Kraus- Winkler als langjährige Branchenkennerin natürlich ganz genau richtig! Wichtig daran: Dass sich darin der Wille und die Entschlossenheit zeigen, die immergleichen Zustände weiterzuentwickeln. Denn auch wenn wir in der Realität weit von dem entfernt sind, was an Horrorgeschichten durch die Massenmedien geistert, müssen wir uns eines doch eingestehen: dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Das sehen wir an den sich ändernden Gästeschichten, an den Innovationen in unserem Angebot, in der Gästekommunikation. Unser Kollektivvertrag aber, ist immer noch so wie in den 1980er-Jahren, und das Konzept der Saisonnier-Kontingente noch älter. Arbeit wird höher mit Steuern belastet als Luxusgüter oder auch gesundheitsgefährdendes Verhalten – als ob man davor abschrecken wolle. Und dass wir in der Hotellerie – wie in vielen anderen Bereichen auch – familienfeindliche Arbeitszeiten hätten, hält sich auch seit Jahrzehnten konstant als Gerücht: In Wahrheit haben wir arbeitsfeindliche Kinderbetreuungszeiten, unter denen jeder Dritte leidet, weil er abends oder an Wochenenden arbeiten muss. Dass es dafür Lösungen braucht, liegt auf der Hand. Aber für die althergebrachten österreichischen Denkmuster, frei nach dem Motto „Das war schon immer so. Da könnte ja jeder kommen!“, klingt das Hinterfragen altbekannter Traditionen – und seien sie noch so schlecht – ja schon fast wie eine Revolution. Und genau die brauchen wir!
PRODUKT: Welche Reformen müssten von Seiten der Bundesregierung umgesetzt werden, um den touristischen Arbeitsmarkt voranzutreiben? Was wären kurz- bzw. mittelfristige Etappenziele?
Veit: Ein paar Schritte wurden bereits erreicht, ÖHV-Forderungen umgesetzt, etwa Verbesserungen bei den Pensionsversicherungsbeiträgen, beim Sachbezug für die Kinderbetreuung und bei den Überstundenzuschlägen: Das geht in die richtige Richtung. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist über das Ankündigungsstadium noch nicht hinausgekommen, die Reduktion der Lohnnebenkosten wurde überhaupt erst für das Budget der nächsten Regierung vorgeschlagen, und da braucht es wieder Verhandlungen und Kompromisse und wohl Gegenfinanzierungen, weil sich Einsparungen in einem der teuersten Sozialsysteme der Welt ganz offenbar nicht umsetzen lassen. Dabei müssen die Steuern einfach runter, und zwar an allen Ecken und Enden. Würde die Politik sich einmal dazu durchringen, würde sie erkennen, wie dankbar die Menschen sein können. Die Beliebtheitswerte der Politiker würden in ungekannte Höhen steigen.
PRODUKT: Könnte eine erste wichtige Maßnahme neue „größere“ Überlegungen hinsichtlich der Saisonkontingente sein, wie etwa Ende November von Ihnen und der ÖHV aufs Tapet gebracht?
Veit: Es wäre zeitgemäß und hilfreich! Denn worum geht es? Um die Beendigung eines bevormundenden Systems. Denn derzeit sperren wir Menschen, die arbeiten, Steuern zahlen, einen Beitrag leisten würden zum Wirtschaftswachstum in Österreich, aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft, aufgrund ihrer Herkunft, aus: eine unfassbare Diskriminierung und das noch dazu auf Kosten unseres eigenen Wirtschaftswachstums. Weil wir mit mehr Beschäftigten Dienstleistungen auf einem ganz anderen Niveau und zu ganz anderen Preisen verkaufen könnten. Denn aus genau diesem Grund, weil uns arbeitswillige Bewerber im großen Stil fehlen, nehmen die Sperrzeiten zu, nehmen Buffets statt à la carte zu, nehmen die Schließtage zu und auch generell in der Beherbergung Betriebstypen zu, die mit sehr geringem Mitarbeitereinsatz auskommen. Das geht natürlich auf Kosten der Preise und damit auch der Sozialversicherungsbeiträge und Steuereinnahme. Am Gewinn ändert sich oft wenig. Das sollte der Regierung zu denken geben.
PRODUKT: Bitte geben Sie eine erste Einschätzung zur Wintersaison – was war bisher gut, was weniger?
Veit: Bisher ist der Winter gut verlaufen, der Schnee kam gerade zur rechten Zeit in großen Mengen und bleibt uns in den höher gelegenen Skigebieten auch erhalten. Auch für die zweite Saisonhälfte sieht es derzeit – zumindest soweit sich das jetzt schon sagen lässt – gut aus. Beim Jänner sind sich viele noch nicht sicher. Da spüren wir das Ausbleiben wichtiger Gästegruppen. In Summe liegt der Winter aber sicher über den Erwartungen nach Corona, Energiekostenexplosion und starken Preisanstiegen in vielen Bereichen.
PRODUKT: Mit welchen (weiteren) Herausforderungen hat sich die Hotellerie in den kommenden Jahren auseinanderzusetzen?
Veit: Zuallererst mit dem Mitarbeitermangel: Da werden wir uns umstellen müssen. Wer auf Mitarbeiter verzichten kann, wird das tun. Das geht Hand in Hand mit der Digitalisierung auf einem ganz neuen Niveau, der Implementation von KI: Da sollte man vorne mit dabei sein. Und dann natürlich die Nachhaltigkeit: Da nimmt der Druck zu, kommt von Gästeseite immer stärker und wird auch für die Finanzierung und andere Bereiche entscheidend. Das ist aufwändig, mit Umstellungen und Kosten verbunden, da braucht es eine intensive Auseinandersetzung, um die kommt niemand herum, und dann zahlt es sich auch aus.