Im Fluss

©Hütthaler

Wie viel Interesse die Konsumenten am Thema Tierwohl haben, zeigt eine von PRODUKT 2019 gemeinsam mit Marketagent.com durchführte Studie. Tierwohl landete unter den genannten Einkaufskriterien an dritter Stelle. Für 79% ist dies ein zentrales Kaufargument.

Hinterfragen.

Manfred Huber (GF Sonnberg) will Konsumenten, die die Herkunft ihrer Lebensmittel hinterfragen

Ein weiteres, für die Konsumenten „wichtiges“ bzw. „sehr wichtiges“ Kriterium ist, ob ein Unternehmen auf Nachhaltigkeit setzt (69,9%). Zwei Drittel der befragten rd. 1.000 Personen (14-69 Jahre) möchten übrigens über Nachhaltigkeitsaktivitäten der Hersteller informiert werden, etwa über Siegel oder Hinweise auf der Verpackung (59%). Die Fleischbranche freut sich jedenfalls über eine steigende Nachfrage an Tierwohl-Produkten. Aber sind diese denn auch nachhaltig im Sinne einer Kreislaufwirtschaft? „Tierwohl und Nachhaltigkeit hängen nicht unmittelbar 1:1 zusammen, aber im weiteren Sinne sehr wohl“, hält Manfred Huber (GF Sonnberg Biofleisch) fest. Turbomilchkühe oder Vollspaltenböden für eine billigere Erzeugung haben hier keinen Platz. Artgerechtere Tierhaltung bedeute für ihn eine Abkehr von der Massentierhaltung, was zudem ein Mehr an Nachhaltigkeit bewirke. „Für mich als Fleischer sind Vegetarier meine Freunde“, lässt Huber mit einer überraschenden Aussage aufhorchen. Denn diese sind kritische Konsumenten, die hinterfragen, woher ihre Lebensmittel kommen. Bei Sonnberg werden solche Fragen gerne beantwortet, und dies spiegelt auch ein im Vorjahr eröffneter Rinderschlachthof nach Tierwohl-Kriterien wider. Der Schaubetrieb verfügt über eine Glasfront zum Zerlege-Bereich. Zahlreiches Informationsmaterial zur Herstellung bei Sonnberg wie auch zum Tötungsprozess selbst werden den Besuchern geboten.

Breit gedacht.

„Das Schlagwort der Nachhaltigkeit umfasst im unternehmerischen Sinne die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales und beeinflusst somit die gesamte Wertschöpfungskette“, schildert Florian Hütthaler, Inhaber des gleichnamigen Familienunternehmens. Mit „Hütthalers Hofkultur“ betreibt er ein in Europa einzigartiges Tierwohl-Projekt, mit dem man seit dem Verkaufsstart im Jänner 2017 ein „ständiges und sehr positives Wachstum“ erzielt. Diese Initiative umfasst die gesamte Wertschöpfungskette, beginnend beim regionalen Vertragslandwirt über den Frächter, den 2019 eröffneten Schlachthof bis hin zur Veredelung und dem Handel. „Der Trend in der Nutztierhaltung bewegt sich eindeutig Richtung Tierwohl, da die Konsumenten immer mehr über die Herkunft und Qualität ihres Einkaufs wissen möchten. Das kommt nicht nur den Tieren, sondern auch unseren heimischen Landwirten zugute. Daher sehen wir sehr positiv in die Zukunft und sind derzeit mit unseren Kunden im Gespräch bezüglich diverser Erweiterungen“, freut sich Hütthaler.

Übersee.

Für Helga und Anton Juffinger (GF Juffinger) ist Tierwohl eine Selbstverständlichkeit

Dass Tierwohl und Nachhaltigkeit nicht immer im selben Betrieb Platz finden, gibt Helga Juffinger (Tiroler Bio-Metzgerei) zu bedenken. Schließlich kann etwa ein Bauer die Tiere sehr wohl artgerecht halten, aber sein gentechnisch verändertes Futter aus Übersee beziehen. Daher plädiert Juffinger für Zertifizierung und Kontrolle: „Nur was kontrolliert wird, wird eingehalten und kann lückenlos nachvollzogen werden.“ Seit seiner Gründung 1997 ist Juffinger ein Bio-Betrieb und, „Tierwohl war daher bei uns immer eine Selbstverständlichkeit“, so Juffinger. Aktuell stellt das Unternehmen gerade einen Zubau (3.000m²) fertig, der u.a. den Schlachtstall erweitert, um den Tieren noch mehr Platz zur Verfügung zu stellen. Die derzeitige Krise als Folge des pandemiebedingten Shutdowns sieht Juffinger als Chance. „Regionale Produkte, hergestellt unter fairen, kontrollierten Bedingungen, genossen in den vergangenen Wochen hohe Wertschätzung. Dies muss sich fortsetzen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die während der Krise aufgezeigten Schwachstellen im System analysiert und Lehren daraus gezogen werden. Gerade die globalen Lieferketten stellten sich dabei als wesentlicher Risikofaktor heraus“, so Juffinger. 

Beti ist da.

Rudolf Berger (GF Berger Schinken) zieht im Export einen gedachten Kreis von rund 900km um sein Werk.

„Tierwohl und Nachhaltigkeit sind nicht nur wirtschaftlich und moralisch ein Gebot der Stunde, sondern entsprechen auch den Wünschen der Konsumenten. Die schweigende Mehrheit genießt Fleisch, möchte aber dabei das gute Gefühl haben, dass es dem Tier gut gegangen ist und sucht nach entsprechenden Informationen“, fasst Rudolf Berger (GF Berger Schinken) seinen Standpunkt zusammen. Eng damit verbunden ist zudem der Begriff der Regionalität, für Berger ein Teil der Markenidentität, der mannigfaltig gelebt wird: „Bei uns stimmen Rohstoffquelle und Absatzmarkt überein. Denn für uns heißt Regionalität, dass wir auch im Export einen gedachten Kreis von rund 900 Kilometer um unser Werk ziehen und nicht anstreben, unsere Produkte in die halbe Welt zu liefern“, so Berger. Die Berger Tierwohl-Initiative (BETI) wurde im Rahmen des „Regional – Optimal“-Programmes 2015 ins Leben gerufen. Die festgelegten Kriterien waren bei den Bauern auch  mit Umbauten am Hof verbunden, etwa wegen eines nun doppelt so großen Flächenangebotes sowie des Verzichts auf Vollspaltenböden. 2020 kommen, in Kooperation mit einem Händler, weitere Berger-Tierwohl-Produkte auf den Markt.

Duschenbereich.

Die Unternehmerfamilie Habel betreibt die Schinkenmanufaktur Vulcano sowie eine Landwirtschaft und setzte von Anfang an auf glückliche Nutztiere. Veränderung gab es jedoch vor kurzem im Stallungsbereich der „Vulcano“-Schweine. Nun gibt es einen abgetrennten Ruhebereich, Essbereich, Bewegungsbereich, Duschenbereich, etc. „So hat das einzelne Schwein sehr viele verschiedene Wahlbereiche zur Verfügung, und diese nutzen sie auch sehr gerne“, so Habel. Nachhaltigkeit und Tierwohl gehören für sie zu „einem Wertegefühl“. „Wenn mir wichtig ist, wie es dem Tier geht, wie der Landwirt zu dem Tier steht und was er dafür tut, dann ist mir auch wichtig, woher die Futtermittel kommen, wie oft ich welches Fleisch esse. Es spielt ineinander“, erzählt Habel.