Korrekte Karte

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Die Speisekarte ist im Online-Zeitalter präsenter denn je. So mancher Gast scrollt bereits Tage vor dem eigentlichen Restaurantbesuch durch das digitale Speisenangebot. Umso wichtiger, dass die Speisenbezeichnungen nicht für Verstimmung sorgen.

Wenn der Satz: „Das darf man nicht mehr sagen“ fällt, sieht man das eine oder andere Augenpaar schon mal genervt rollen. Auch vor der Gastronomie macht political correctness nicht Halt. Vor einigen Jahren ließ die Diskussion über eine Schnitzelvariante mit Paprikasauce sowie eines Schokoküchleins mit Schlagobers die Wogen hoch gehen. „Das hieß doch immer schon so“ lautete ein beliebtes Argument bei den Änderungsgegner:innen (was beim Schnitzel nicht einmal der Wahrheit entspricht), das sich bis zu „Das ist der totale Sprachverfall!“ steigerte. Allerdings: Sprache ist nichts Festes. In der interaktionalen Soziolinguistik erkannte man in den 1960ern, dass Sprache durch Kommunikation entsteht und sich diese daher notwendigerweise durch ständigen Wandel auszeichnet. Sprache stirbt also nicht, nur weil sich manche Wörter ändern oder verschwinden, sie entwickelt sich – entsprechend des aktuellen Zeitgeists – weiter. Manche Wörter entstehen durch einen neuen Bedarf („Klimakrise“), manche werden nicht mehr gebraucht (verwendet noch jemand „Telefonwertkarte“?) oder eben einem modernen Sprachgebrauch angepasst. An das „Schnitzel mit Paprikasauce“ oder das „Schokoküchlein mit Schlagobers“ haben sich die Restaurant-Gäste mittlerweile gewöhnt – und so manchem jungen Gast sind die davor geläufigen Bezeichnungen bereits völlig unbekannt. 

Hawaii.

Aktuell werden wieder zwei Gerichte heiß diskutiert: sämtliche Speisen mit dem exotischen Beinamen „Hawaii“ sowie das „Curry“. Ja, dem Klassiker der 80er soll es an den Kragen gehen: Der „Hawaii“-Toast, die „Hawaii-Pizza“ und alles, was sonst durch das Belegen mit einer Ananasscheibe einen exotischen Touch erhält, soll schon bald einen neuen Namen erhalten. Aber warum eigentlich? Zum einen stammt die Ananas – auch wenn sie in unseren Breiten gerne mit einem hawaiianischen Strand assoziiert wird – eigentlich aus dem nördlichen Südamerika. Nach Hawaii gelangte sie erst im Zuge der Kolonialisierung durch die USA, und genau hier liegt das Problem: Denn die Kolonialisten zwangen die Einheimischen zum Anpflanzen der Tropenfrucht. Insofern ist es durchaus verständlich, dass sich die Bewohner:innen Hawaiis nicht mit dieser Pflanze identifizieren möchten. 

Curry.

Als rassistisch empfunden wird nun auch das „Curry“. Hier lautet der Vorwurf, dass dies eine Verallgemeinerung der asiatischen Küche sei. In Indien gäbe es unzählige regionale Varianten – die Verkürzung auf den Begriff „Curry“ sei auf die Bequemlichkeit der damaligen Kolonialherren zurückzuführen – und ist aus diesem Grund negativ konnotiert. Argumente, die wohl zum Nachdenken anregen dürfen und sollen. Und bevor reflexartig die Augen ein paar Extrarunden rollen: Warum sollte die Kreativität eines Kochs an der Küchentür enden? Sehen wir doch die aktuellen Diskussionen nicht als Einschränkung, sondern vielmehr als Möglichkeit, die eigene Speisekarte mit einer persönlichen Note anzureichern. Immerhin soll sie doch Lust auf ein kulinarisches Erlebnis machen – und keine politische Diskussion auslösen.