Wie geht es Tier?

© inventbbart/shutterstock

Konsumenten wollen Marken, die für konkrete Werte stehen. Was Milchprodukte angeht, so ist es insbesondere der Faktor Tierwohl, mit dem man bei bewussten Verbrauchern punkten kann. Und so rücken immer mehr Molkereien das Befinden der Tiere in den Mittelpunkt. Wir haben deshalb nachgefragt, wie es den Milchkühen in Österreich heute geht.

Das Wichtigste gleich vorweg: Den Kühen auf den heimischen Bauernhöfen geht es im internationalen Vergleich blendend. Einerseits sind die vorgegebenen Rahmenbedingungen bei uns strenger als anderswo. Veronika Breyer, Marketingleiterin der NÖM AG: „Mit einem der strengsten Tierschutzgesetze in Europa liegt Österreich ganz vorne.“ Zugleich ergeben sich aber auch aus der hierzulande typischerweise kleinstrukturierten Landwirtschaft zahlreiche Vorteile für die Tiere. Denn während in den Ställen anderswo Industriebetriebs-Stimmung herrscht, leben die Kühe auf den österreichischen Bauernhöfen quasi im Familienverbund. „Unsere Heumilch-Bauern halten durchschnittlich weniger als neun Kühe pro Hof“, schildert etwa Christian Kröll, Geschäftsführer der Erlebnissennerei Zillertal. „Daraus ergibt sich ein Betreuungsschlüssel von einer Person für drei Kühe.“ Das ist aber in Wahrheit nichts Neues. Zum Glück. Denn – und das ist den Herstellern wichtig zu betonen: Dass es den Tieren gut geht, war den Milchbauern und Molkereien seit jeher wichtig. Nicht nur aus tierischer Nächstenliebe, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen, wie Woerle-Inhaber Gerrit Woerle erläutert: „Wenn Kühe stressfrei, naturnahe und artgerecht gehalten werden, wirkt sich das wesentlich auf die Qualität der Milch aus.“ 

Den österreichischen Milchkühen geht es heute
viel besser als früher. Josef Braunshofer, Berglandmilch
Die Konsumenten interessieren sich verstärkt für die Herkunft ihrer Lebensmittel. Veronika Breyer, NÖM
ierwohl-Argumente bestärken die Kaufentscheidung. Christian Kröll, Erlebnissennerei Zillertal
85% der Konsumenten legen mehr Wert auf
Tierwohl als früher. Andreas Gasteiger, GF SalzburgMilch
Wenn Kühe artgerecht gehalten werden, wirkt sich das auf die Qualität der Milch aus. Gerrit Woerle, Woerle

Fokussiert. Aber auch wenn der allergrößte Teil der Landwirte schon immer ein Auge drauf hatte, dass es der Herde wirklich gut geht, ist das Thema Tierwohl dennoch in den letzten Jahren in den Fokus der Verbraucher gerückt. Was schlicht daran liegt, dass generell die Umstände der Herstellung von Produkten des täglichen Bedarfs immer öfter hinterfragt werden. Veronika Breyer, NÖM: „Die Konsumenten interessieren sich verstärkt für die Herkunft ihrer Lebensmittel und das ist großartig, denn nur so entsteht mehr Verständnis für die Wertigkeit der Milch und der täglichen Arbeit unserer Bauern.“ Zugleich haben aber auch die Molkereien dem Thema Tierwohl in den letzten Jahren immer größere Aufmerksamkeit gewidmet. Die SalzburgMilch gilt als Pionier auf diesem Gebiet. Im Jahr 2017 präsentierte das Unternehmen seine Tiergesundheits-Initiative, die in der Branche einiges losgetreten hat. Sie umfasst u.a. das Verbot dauernder Anbindehaltung, mindestens 120 Tage Auslauf pro Jahr sowie regelmäßige Checks wichtiger tierbezogener Parameter. Die große Besonderheit ist, dass dieses Programm durch die Boku Wien wissenschaftlich begleitet wird. Fachlichen Background liefert aber auch die eigens für diesen Zwecks beschäftigte Beratungs-Tierärztin, die den Landwirten mit Rat und Tat in Sachen Verbesserungen zum Wohl der Tiere zur Verfügung steht. Dabei ist sich SalzburgMilch-GF Andreas Gasteiger durchaus bewusst: „Die wissenschaftliche Herangehensweise an unsere Initiative hat den Bauern einiges abverlangt, aber auch viel Interesse und ein neues Bewusstsein geschaffen.“ Aber auch in vielen anderen Molkereien engagiert man sich aktiv: Die Berglandmilch etwa belohnt Bemühungen der Landwirte, die dem Wohlergehen der Kühe zuträglich sind, seit Kurzem mit dem sog. Tierwohlbonus, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.


Verbessert? Aber geht es den Tieren durch die unterschiedlichen Initiativen auch wirklich besser oder wird nur der Status quo verstärkt kommuniziert? Sowohl als auch. „Tierwohl spielt in unserer Kommunikation tatsächlich eine größer werdende Rolle“, bestätigt Berglandmilch-GF Josef Braunshofer. „Seit 2018 verweisen wir auf den Packungen des Kernsortiments auf die NÖM Tierwohlgarantie“, berichtet NÖM-Marketingleiterin Veronika Breyer. Auch Woerle-Inhaber Gerrit Woerle ist überzeugt, dass das Thema Tierwohl verstärkt betont werden sollte: „Konsumenten wünschen sich mehr Transparenz darüber, wie Nutztiere gehalten werden. Als Hersteller möchte ich natürlich klar kommunizieren, dass wir für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und den Tieren stehen.“ Und von der SalzburgMilch hört man: „Seit 2017 ist unsere Kommunikation genau darauf aufgebaut“, so GF Andreas Gasteiger. Zugleich hat sich aber auch in den Ställen und rundherum tatsächlich einiges verändert. „Es hat durch unsere Tiergesundheits-Initiative konkrete Verbesserungen bei allen Kühen unserer rund 2.500 Bauern gegeben. Die letzten wenigen Bauern, die noch die dauernde Anbindehaltung betrieben haben, haben 2017 auf Kombinationshaltung umgestellt mit mind. 120 Tagen Auslauf im Jahr. Viele haben auch mit relativ wenig Aufwand neue Ausläufe geschaffen oder auf 365 Tage Freilauf umgestellt“, berichtet Andreas Gasteiger, GF SalzburgMilch. Auch Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer hält fest: „Den Kühen geht es heute auf den Betrieben sicherlich viel besser als früher. Allein die Fortschritte im Bereich der Haltungssysteme, wie die stark zugenommene Verbreitung von Laufställen, oder der Fokus auf Auslauf und Weidehaltung, unterstreichen dies deutlich.“


Entscheidend? Und wie groß ist der Einfluss von Tierwohl-Faktoren auf die Kaufentscheidung? „Wir sind der Meinung, dass dieses Thema die Kaufentscheidung auf alle Fälle bestärkt“, so Christian Kröll, GF der Erlebnissennerei Zillertal. Auch bei der Berglandmilch ist man überzeugt, dass man mit Tierwohl-Argumenten bei den Verbrauchern punkten kann: „Das bestätigen zahlreiche Konsumenten-Befragungen“, so GF Josef Braunshofer. Und SalzburgMilch GF Andrea Gasteiger berichtet ebenfalls über entsprechende Erkenntnisse: „Aus unserer Marktforschung wissen wir, dass das Thema Tierwohl in den letzten Jahren immer mehr kaufentscheidend geworden ist. Über 85% geben an, dass sie mehr Wert auf Tierwohl legen als früher.“


Richtig. Bei einem Lebensmittel mit tierischer Herkunft stehen die Produktionsbedingungen heute mehr denn je im Fokus. Gut, dass die Molkereien hier ihre Bemühungen offensiv kommunizieren und auch für konkrete Upgrades auf den Bauernhöfen sorgen. Für den Markt kann das nur von Vorteil sein. 

ergänzend

Dr. Elfriede Ofner-Schröck

Dr. Elfriede Ofner-Schröck, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Abteilung für artgemäße Tierhaltung, Tierschutz und Herdenmanagement, zur Frage „Was braucht die Kuh?“.Tierwohl ist das Ergebnis vielfältiger Bemühungen, die Lebensqualität landwirtschaftlicher Nutztiere zu verbessern. Eine wichtige Grundlage, um Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit von Rindern zu gewährleisten, ist ein optimaler Stallbau. Dabei muss sich ein Stallsystem neben Aspekten der Wirtschaftlichkeit und Arbeitswirtschaft an den natürlichen Verhaltensweisen der Tiere orientieren. Die wichtigsten Voraussetzungen für ein tiergerechtes Rinderhaltungssystem sind eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit, die Möglichkeit zu Sozialkontakt, eine passende Bodenbeschaffenheit, gesundes Stallklima, geeignete Tränke- und Fütterungsgestaltung sowie das Angebot von Auslauf und Weide.
Außerdem übt die Beziehung zwischen Mensch und Tier oder die Tierbetreuung wesentlichen Einfluss auf Wohlbefinden, Gesundheit und Leistung unserer landwirtschaftlichen Nutztiere aus. Rinder zeigen uns, ob sie mit dem Stall zufrieden sind („Kuh-Signale“). Wer die natürlichen Verhaltensweisen seiner Tiere kennt und seine Herde regelmäßig beobachtet sowie auch den Gesundheitszustand überprüft, erhält wichtige Auskünfte über das Wohlbefinden der Tiere. So können Probleme frühzeitig erkannt und wichtige Lösungsstrategien zur Verbesserung des Tierwohles entwickelt werden. Jedes Haltungssystem ist nur so gut, wie es betrieben wird. Letztendlich muss uns aber bewusst sein, dass die Verantwortung für das Nutztier keine alleinige Aufgabe von Bäuerinnen und Bauern ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die jeden Einzelnen herausfordert.