Bewusst ohne Frust

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Die Fastenzeit, Dry January oder Sober October – wer phasenweise (oder auch dauerhaft) auf Alkohol verzichtet, bekennt sich zu einem bewussten Lebensstil, bei dem Genuss ganz ohne Promille auskommt. Weil diese Zielgruppe wächst, entwickelt sich parallel auch das Angebot an alkoholfreien Drinks stark weiter.

Früher musste man sich sofort erklären: Außer einer Schwangerschaft, ernsten gesundheitlichen Problemen oder wenn man als Fahrer:in auserkoren war, gab es keine wirklich guten und sozial akzeptierten Gründe auf Alkohol zu verzichten. Das hat sich schlichtweg verändert – und verändert sich weiter. Vor allem die jüngere Generation scheint nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit, die ihre Eltern an den Tag legen, zu konsumieren. Eugen Lamprecht, Verkaufsdirektor Handel bei Top Spirit: „Vor allem junge Konsument:innen greifen vermehrt zu Drinks ohne oder mit niedrigem Alkoholgehalt. Dabei ist es kein Zufall, dass vor allem diese Zielgruppe auch insgesamt besonders gesundheits- und körperbewusst lebt. So verzichten laut einer Studie des deutschen Marktforschungs-Unternehmens Appinio unter den 18- bis 24-Jährigen in Deutschland bereits 27% vollständig auf Alkohol. Und insgesamt versuchen bereits 66% der Konsument:innen aller Altersschichten aktiv, ihren Alkoholkonsum zu verringern.“ Da dieser Trend v.a. bei den jungen Verbraucher:innen stark ist, hat er auch für die Zukunft Bedeutung. Schließlich wird sich dieser Lebensstil im Laufe der Jahre selten rigoros ändern – und die heute Jungen geben ihre Trinkgewohnheiten bis zu einem gewissen Grad auch an die nächste Generation weiter. 

Angebot & Nachfrage.

Wo Käufer:innen sind, entwickelt sich auch ein Angebot – und umgekehrt: Umso spannender und besser alkoholfreie Produkte werden, umso attraktiver werden sie für Verbraucher:innen, die zwar auf Alkohol, nicht aber auf ein schönes Getränk verzichten möchten. Promillefreie Alternativen zu Bier, Sekt und Spirituosen sind daher Segmente im Handel, die sich deutlich positiv entwickeln. Philipp Gattermayer, GF Henkell Freixenet Austria, berichtet etwa über das Segment Alkoholfreier Schaumwein: „Allein im letzten Jahr ist hier der Gesamtmarkt um 5,1% gewachsen.“ Zu den Lieblingsmarken zählen (mit einem mengenmäßigen Marktanteil von über 41%, Nielsen KW 1 bis 52) insbesondere „Henkell Alkoholfrei“ und „Kupferberg Sekt Alkoholfrei“. Aber auch beim Mitbewerb ist man von diesem Thema überzeugt und hat das Portfolio erst kürzlich um die vielversprechende Variante „Hochriegl Rosé Alkoholfrei“ erweitert. 

Mehr Ohne-Bier.

Bei der Brauunion weiß man, dass wer gerne Bier trinkt, auch alkoholfreies Bier zunehmend lieber mag. Der aktuelle Bierkulturbericht bestätigt das: Sowohl in puncto Genuss als auch in puncto Ansehen ist alkoholfreies Bier auf dem Vormarsch. So ist sich eine absolute Mehrheit (57%) sicher, dass alkoholfreies Bier an Ansehen gewonnen hat und während 2017 noch 17% gerne alkoholfrei tranken, sind es inzwischen 28%. 

(Anti-)Spirituell.

Was bei den leicht alkoholischen Getränken bereits zum gewohnten Regal-Bild gehört, steckt bei den Spirituosen noch etwas in den Kinderschuhen. Aperitifs, aber auch Gin oder Rum ohne berauschende Wirkung sind allerdings deutlich auf dem Vormarsch und gehören bei den allermeisten Spirituosenvertrieben mittlerweile fix zum Stammsortiment. So etwa bei Top Spirit, wo man mit der Marke „Undone“ breit aufgestellt ist und dem Thema viel Potential zuschreibt. Eugen Lamprecht: „Aufgrund der steigenden Nachfrage nach alkoholfreien Drinks wird bis 2025 mit einem jährlichen Wachstum von 10% in der Kategorie alkoholfreie Spirituosen gerechnet (Quelle: IWSR).“ Dieses große Interesse bestätigt man auch bei Diageo und fügt hinzu, dass bekannte mit hohen Imagewerten ausgestattete Marken besonders von diesem Trend profitieren. Lisa Venghaus, Pressestelle Diageo: „Wir sehen an unserem Marketshare, dass Konsument:innen gerne auf starke, bewährte Marken wie unseren Topseller ‚Gordon’s 0.0%’ oder auch ‚Tanqueray 0.0’ zurückgreifen.“  

Nüchterne Italiener.

Insbesondere der Aperitif-Bereich ist sehr spannend in Sachen alkoholfreier Genuss: Angebote wie „Crodino“ aus dem Hause Campari oder „Martini Vibrante“ und „Martini Florale“, mit Soda oder Tonic gemixt, mit einer schönen Garnierung und auf Eis serviert, bringen viel italienischen Charme – und auch Geschmack mit. Das macht auch ohne Alkohol schnell eine gute Stimmung. Celina Lohbreier, Marketing Manager Martini DACH: „Sensorisch müssen die alkoholfreien Alternativen genauso überzeugen wie die alkoholhaltigen Varianten. Mit den alkoholfreien Aperitivos ist es uns gelungen, Premium-Getränke für die Anlässe zu kreieren, bei denen Verbraucher:innen auf Alkohol, jedoch nicht auf den Geschmack eines raffinierten Drinks verzichten möchten.“ 

Reduziert.

Aber es muss nicht immer ganz ohne sein, auch die bewusste Reduktion von Alkohol, ohne den kompletten Verzicht, ist bei immer mehr Konsument:innen ein relevantes – und durchaus gesundes – Bedürfnis. Und auch hier findet sich in den Regalen des Handels so einiges. Ob leichtere Biere, neue Spritzer-Variationen, trendige Highballs oder auch Hard Seltzer, sie alle bringen durchaus viel Potential mit. Interessant ist das dann auch für Sirup-Experten wie Mautner Markhof oder Höllinger. Silvia Salcher, Marketing Mautner Markhof: „Mit unserem ‚Hugolunder’ bieten wir die perfekte Basis für den beliebten Hugo – natürlich auch in der Virgin-Variante.“ Und bei Höllinger findet man mit der Linie „Barkeeper’s Selection“ gleich eine ganze Range für alkoholfreie, reduzierte oder ganz normale Drinks.  

Jedem das seine.

Mit, mit wenig oder ganz ohne Alkohol – das kann eine bewusste Entscheidung für einen gewissen Zeitraum oder auch für längerfristig sein. Auf Genuss muss dabei jedenfalls in keinem Fall verzichtet werden, denn schließlich bemühen sich die Bier-, Sekt- und Spirituosenhersteller auch hier um tolle Qualitäten und kreative Trinkideen.

Weniger/Kein Alkohol – warum?

Dass alkoholische Getränke nicht zum Durstlöschen, sondern für den verantwortungsvollen Genuss, den besonderen Moment und das Vergnügen da sind, ist hinlänglich bekannt. Doch was genau macht Alkohol im Körper? Und wie viel kann man der Gesundheit zumuten?

Alkohol wird in der Leber abgebaut und stört den Fettstoffwechsel, was bei regelmäßigem Konsum die Entwicklung einer Fettleber begünstigt und in Folge zu einer Hepatitis und im schlimmsten Fall zu einer Leberzirrhose führen kann. Eine Fettleber (nicht aber die Zirrhose!) kann sich bei Alkoholabstinenz wieder vollständig zurückbilden, daher sind alkoholfreie Phasen generell von Bedeutung. Aber nicht nur die Leber leidet: Alkohol reizt u.a. die Schleimhäute und begünstigt damit Entzündungen jener Körperregionen (Speiseröhre, Magen-Darm-Trakt), die mit Alkohol direkt in Berührung kommen. Außerdem kann er zu Entzündungen der Bauchspeicheldrüse führen, das Immunsystem schwächen und wirkt sich – bei einem nicht verantwortungsvollen Konsum – negativ auf das Gehirn und die Psyche aus.

Um diese Folgen zu vermeiden, empfiehlt das Bundesministerium für Soziales und Gesundheit, nicht nur bewusst alkoholfreie Tage und längere abstinente Zeiträume einzuhalten, sondern sich an folgenden Grenzwerten zu orientieren: Die Harmlosigkeitsgrenze markiert die maximale Konsummenge mit einem niedrigen Risiko. Diese liegt bei etwa 20g Reinalkohol, was ca. einem halben Liter Bier oder zwei Achteln leichtem Wein entspricht. Die Gefährdungsgrenze, und somit ein hohes gesundheitliches Risiko, erreichen Männer mit durchschnittlich 60g Reinalkohol täglich (drei halbe Liter Bier bzw. sechs Achteln Wein) und Frauen mit durchschnittlich 40g Reinalkohol pro Tag (zwei halben Litern Bier oder vier Achteln leichten Weins). Die Empfehlung des Ministeriums lautet daher: „Gesunde erwachsene Menschen sollten im Tagesschnitt nicht mehr als 20g reinen Alkohol pro Tag trinken.“