Geben und Nehmen

Karin Kufner-Humer, Generalsekretärin ÖFV, und Andreas Haider, Präsident ÖFV

Franchising ist im Wachstum begriffen. Gegenüber PRODUKT erläutern Karin Karin Kufner-Humer, Generalsekretärin Österreichischer Franchising-Verband (ÖFV), und Andreas Haider, Präsident ÖFV, das System „Franchising“ genauer.

PRODUKT: Wie gestaltet sich Franchising in Österreich?

Kufner-Humer:
In Österreich sind über 500 nationale und internationale Franchise-Systeme aktiv. Mehr als 10.000 Franchise-Partner:innen betreiben mit über 90.000 Beschäftigten etwa 13.000 Standorte. Der geschätzte jährliche Netto-Umsatz beträgt rund 12 Mrd. €. Die Mitglieder im ÖFV bilden einen guten Querschnitt in Form von etablierten Systemen und jungen, wachstumsstarken Unternehmen. Zentral ist auch die Vielfalt an unterschiedlichen Branchen – von Bau bis Gastronomie und von Gesundheit bis Bildung. Die meisten Systeme gibt es im Bereich Lebensmittel, gefolgt von Information/Kommunikation und Dienstleistungen sowie Gastronomie. Vor allem im Außer-Haus-Bereich wären „McDonald’s“, „BackWerk“ oder „hans im glück“ zu nennen. Wir beobachten aber auch zahlreiche junge, stark wachstumsorientierte und erfolgreiche Player wie etwa „Papa Luigi“ oder „BistroBox“.

PRODUKT: Was sind die Vorteile von Frachising?

Kufner-Humer:
Franchising ist eines der erfolgreichsten Organisations- und Vertriebsmodelle der Gegenwart. Das zeigt sich auch im über die letzten Jahre kontinuierlichen Wachstum bei Umsatz und Systemanzahl. Es ermöglicht, eine bereits erprobte Geschäftsidee mehreren Partner:innen gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen und so das Geschäftsmodell österreich-, europa- oder weltweit zu multiplizieren. Die/der Franchise-Geber:in hat das Geschäftskonzept entwickelt und erprobt. Die/der Franchise-Partner:in setzt es als selbstständige:r Unternehmer:in in der eigenen Region um und nutzt das Wissen und die Erfahrungen, die Marke sowie das Netzwerk des Franchise-Systems. Dafür wird eine einmalige Einstiegsgebühr bezahlt, die abhängig ist von der Bekanntheit der Marke, dem Entwicklungsstand des Systems und dem anfänglichen Leistungspaket des Franchise-Systems.

Haider: Klarerweise entstehen aber auch Pflichten. Die/der Franchise-Geber:in verpflichtet sich, die Franchise-Partner:innen regelmäßig zu unterstützen und das Franchise-System dauerhaft weiterzuentwickeln. Dafür erhält die/der Franchise-Geber:in eine laufende, meist umsatzabhängige Franchise-Gebühr. Die Franchise-Partner:innen bringen in die Partnerschaft ihre Arbeitskraft, ihr Kapital und die Bereitschaft ein, das Konzept systemkonform umzusetzen und Informationen vom Markt für die Weiterentwicklung zu liefern. Zwischen den Partner:innen besteht eine enge, auf Dauer ausgerichtete Zusammenarbeit, die in einem Franchise-Vertrag geregelt ist.

Kufner-Humer: Das Wesen des Franchisings ist somit die Partnerschaft mehrerer, rechtlich selbständiger und unabhängiger Unternehmer:innen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: ein erfolgreiches Konzept für alle gewinnbringend umzusetzen.

PRODUKT: Was sind die Besonderheiten als wirtschaftliche Organisationsform?

Kufner-Humer:
Franchising verknüpft die Vorteile von Großunternehmen mit jenen von Kleinunternehmen. Bei der Unternehmensgründung können die Partner:innen durch die Übernahme und Umsetzung eines markterprobten und bewährten Geschäftsmodells mit einem schnelleren Start und Marktzugang, einem geringeren Fehlstartrisiko, einer Konzentration auf die Stärken der Partner:innen, klaren Strukturen und Prozessen, Einkaufs- und Kostenvorteilen sowie kontinuierlichem Verbesserungs- und Innovationsmanagement rechnen. Franchise-Systeme verbinden auf perfekte Weise die Marktmacht eines Großunternehmens hinsichtlich Markenpräsenz, Werbeauftritt, Einkaufs- und Wettbewerbsvorteile mit der Marktnähe und den Vorzügen unternehmergeführter Klein- und Mittelbetriebe.

PRODUKT: Wie sieht die Aufgabenverteilung aus?

Haider:
Franchise-Zentrale wie Franchise-Partner:in erfüllen unterschiedliche Aufgaben und Funktionen im System, die idealerweise die jeweiligen Kernkompetenzen bestmöglich zum Einsatz bringen. Das bedeutet konkret, die Führung des Franchise-Betriebes und die Bearbeitung des lokalen/regionalen Marktes erfolgt durch die Franchise-Partner:innen. Die Zentrale erbringt Unterstützungsleistungen und ist verantwortlich für die Planung und Umsetzung überregionaler Aktivitäten, das ständige Wachstum des Systems und dessen laufende Anpassung an sich verändernde Marktgegebenheiten. Franchise-Systeme ermöglichen ihren Franchise-Partner:innen bspw. auch Vorteile bei der Nutzung von digitalen Innovationen. Geschäftsprozesse werden optimiert, und durch Standardisierung werden beispielsweise personelle Ressourcen frei, die wiederum für die Erfüllung individueller Wünsche eingesetzt werden können.

Kufner-Humer: Auch bei der Kommunikation zum Kunden bietet Franchising klare Benefits – wie bei manchen etwa die Teilnahme an sektorübergreifenden Bonuspunkteprogrammen oder bei der Weiterentwicklung von Webshops, beim professionellen Einsatz von Suchmaschinen- und Newsletter-Marketing sowie bei Social Media-Aktivitäten.

PRODUKT: Was wäre ein konkretes Beispiel, das sich nur mit Franchising bewerkstelligen lässt?

Haider:
Sich im LEH in der Kategorie „Supermarkt“, in einem hochkonzentrierten Markt wie Österreich mit rund 8.000 Artikeln, selbstständig zu machen, funktioniert nur über einen Beitritt zu einem System. Die Warenbeschaffung inklusive Warenwirtschaftssysteme sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen inkl. Kundenansprache funktionieren nur im Verbund. Kein Einzelunternehmer kann diese Herausforderungen in einem noch wirtschaftlichen Rahmen bewältigen. Hier kommt somit ganz klar der Mehrwert in der Rollenverteilung zwischen dem Franchise-Unternehmer vor Ort (Kundenansprache, Mitarbeiterführung usw. – Red.) und dem Service der Franchise-Geber (IT-Systeme, gemeinsamer Einkauf, Marktempfehlungen, betriebswirtschaftliche Unterstützung usw. – Red.) zum Tragen.

PRODUKT: Wie sieht die Zukunft aus?

Kufner-Humer:
Zum einen gehen viele Systeme verstärkt in Richtung Multi-Unit-Franchising. Hier werden den Partner:innen Optionen zum Betrieb von mehreren Standorten, etwa in einem bestimmten Gebiet, eingeräumt, um regionale Verankerung und lokale Kenntnisse gewinnbringend nutzbar zu machen. Ein weiterer Trend ist der verstärkte Auftritt internationaler Marken in Österreich, die bis dato nicht in unserem Land aktiv waren, aber auch die Internationalisierung österreichischer Franchise-Systeme.