Relevante Argumente

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Gesundheitliche Aspekte werden auch beim Kauf von Milchprodukten und deren pflanzlichen Alternativen immer wichtiger – und beeinflussen oft auch die Entscheidung für das eine oder das andere.

Milchprodukte sind aus dem Speiseplan der Konsument:innen hierzulande nicht wegzudenken. „Die Ernährungskultur in Österreich hängt stark mit Milchprodukten zusammen“, befindet auch Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer. „Schließlich hat die Milchproduktion bei uns eine lange Tradition.“ Auch ernährungsphysiologische Argumente spielen da seit jeher eine Rolle: Insbesondere als Calcium-Lieferant sind Milchprodukte bekannt und beliebt. Zuletzt wird aber immer öfter auch der je nach Produkt unterschiedliche hohe Proteingehalt ins Treffen geführt. Die offizielle Empfehlung der AGES lautet jedenfalls täglich drei Portionen an Milchprodukten zu konsumieren. „Auch die Planetary Health Diet sieht Milch und Milchprodukte aus Gründen der Knochengesundheit in einer Menge von durchschnittlich 250g pro Tag vor“, ergänzt Maximilian Reiff, Unternehmenssprecher bei Danone. Die auf ursprüngliche Weise erzeugte Heumilch bringt sogar noch ein paar Argumente mehr mit, so Christof Abbrederis, Bereichsleiter Alma bei Rupp: „Heumilch-Produkte haben einen rund doppelt so hohen Wert an Omega-3-Fettsäuren und konjugierten Linolsäuren wie normale, herkömmliche Milchprodukte.“ Woerle-GF Gerrit Woerle merkt an, dass bei Verwendung von Heumilch auch im Käsungsprozess keine Zugabe von Zusätzen oder Konservierungsmitteln nötig ist. Welche gesundheitsbezogenen Aussagen offiziell für ein bestimmtes Produkt getroffen werden dürfen, ist ja schon seit vielen Jahren durch die Health Claims-Verordnung der EU geregelt. So darf etwa für Milch angeführt werden, dass sie durch das enthaltene Calcium zu einer normalen Funktion von Verdauungsenzymen, der Erhaltung normaler Zähne oder normaler Knochen beiträgt, dank Proteinen zu einer Zunahme an Muskelmasse oder mittels B2 zur Verringerung von Müdigkeit beiträgt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Markt.

Der Markt für Milch- und Milchprodukte ist jedenfalls nach wie vor gewaltig. 643.508 Tonnen wurden im Jahr 2021 allein über den Lebensmittelhandel verkauft (Roll­AMA). Im letzten Jahr hat sich der Konsum wieder mehr in den Außer-Haus-Bereich verlagert. NÖM-Marketingleiterin Veronika Breyer: „2022 sehen wir v.a. inflationsbedingt steigende Umsätze, aber rückläufige Marktvolumen.“ Die weiße Palette beispielsweise liegt 4% hinter dem Vorjahres-Absatz, bei der bunten Palette sind es -1,6% (Nielsen, LEH exkl. H/l, FY 2022). Blickt man etwas tiefer, so zeigt sich, dass insbesondere gesundheitsbezogene Segmente dennoch wachsen konnten, etwa Proteinprodukte. Veronika Breyer, NÖM: „Mit dem Gesundheitstrend konnten sich Protein-Produkte aus der Sportnische in den Massenmarkt entwickeln und der Wachstumstrend ist ungebrochen: 2022 hat das Marktsegment +13% im Absatz und +25% im Umsatz zulegen können. Besonders erfreulich ist es, dass sich auch hier die regionalen Marken wie ‚nöm Pro’ gegen preisaggressive Handelsmarken und internationale Player durchsetzen.“ Auch bei der Berglandmilch bestätigt man, dass der Absatz bestimmter Produktgruppen vom Gesundheitstrend befeuert wird. GF Josef Braunshofer: „Besonders profitieren können Milchprodukte mit hohem Protein- und niedrigem Fettgehalt, wie etwa unser ‚Schärdinger Landfrischkäse’ oder ‚Lattella Protein’. In diesem Zusammenhang ist auch der Trend zu fermentierten und probiotischen Milchprodukten anzuführen.“

Vom Feld.

Doch Milch, das heißt für die Konsument:innen längst nicht mehr Kuh, Schaf oder Ziege allein. Denn Alternativen zu Produkten aus dem Stall gibt es bekanntlich auch vom Feld, wenngleich diese offiziell nicht Milch bzw. Käse, Joghurt etc. genannt werden dürfen. Im Bestreben, dem eigenen Körper oder auch der Umwelt Gutes zu tun, haben deshalb auch pflanzliche Produkte den Schritt aus der Nische geschafft. Die Mengen sind in Relation natürlich immer noch niedrig, wie Veronika Breyer, NÖM, ausführt: „Im Vergleich zum MoPro-Markt ist der Markt der pflanzlichen Alternativen mit einem Anteil von 6% immer noch ein kleiner Markt.“ Der allerdings jedes Jahr weiter wächst und ebenfalls beim genaueren Blick auf die Daten spannende Details aufweist. Breyer: „Das Segment der gekühlten Alternativen kann ein höheres prozentuelles Wachstum, sowohl in Absatz als auch in Umsatz, verzeichnen als das Segment der nicht-gekühlten Alternativen – wobei letztere nach wie vor den größeren Share an Absatz und Umsatz haben.“ Die Basis für die pflanzlichen Produkte kann unterschiedlicher Art sein: Seit 2021 ist Hafer diesbzgl. die Nr. 1 am Markt, vor Soja, mit dem das Alternativen-Segment vor vielen Jahren begründet wurde. Die Player dieses Marktes sind dabei zum Teil doppelt aktiv: Denn natürlich weiß man auch in den Molkereien vom Potential pflanzlicher Produkte und verfügt über viel nötiges Know-how. Dass auf vielen Milchbauernhöfen auch Getreide angebaut wird, holt die Alternativen gedanklich sehr nah an die „normale“ Milch heran. So ist es eigentlich gar nicht mehr verwunderlich, dass etwa die Berglandmilch mit ihrer Marke „Schärdinger“ auch rein pflanzlich engagiert ist. Rupp steigt dieser Tage ebenfalls ins Alternativen-Business ein und präsentiert die Linie „Rupp 100% Pflanzlich“ (siehe Produktvorstellung auf Seite 34). Danone fährt schon länger erfolgreich zweigleisig und offeriert neben den bekannten MoPro-Brands auch „alpro“. „Bresso“ (Savencia) gibt es ebenfalls bereits rein pflanzlich und brandneu bringt Mondelez nun auch „Philadelphia Pflanzlich“ auf den Markt. Zu den gesundheitlichen Aspekten der Alternativen meint Maximilian Reiff, Unternehmenssprecher bei Danone: „Vegane Alternativen wie Sojadrinks oder fermentierte Sojaprodukte sind häufig mit Calcium, Vitamin D und B-Vitaminen angereichert und stellen ebenfalls eine Quelle für hochwertiges Protein dar. Daher können beide Warengruppen – Milchprodukte wie auch Milchalternativen auf pflanzlicher Basis – zu einer ausgewogenen Ernährung von Flexitariern beitragen.“ Die tatsächlichen Nährwertprofile der Produkte variieren natürlich schon allein aufgrund der unterschiedlichen Pflanzen, die als Basis dienen können. Für optimal abgerundete Rezepturen wird vielfach auch gemischt, wie etwa Unmilk-Gründerin Jennifer Schäfer erklärt: „Mit ‚Unmilk’ haben wir einen glutenfreien Haferdrink entwickelt, der dank dem Zusatz von Erbsenprotein ein ausgewogenes Nährwertprofil hat: dreimal mehr Protein und viermal weniger Zucker als seine Konkurrenten.“ Wie vielfältig Alternativen sein können, zeigt auch ein Blick ins Sortiment von „Joya“: Mandel, Reis, Kokos, Hafer, Erbsen, Soja – Drinks & Co. lassen sich aus vielerlei Pflanzen herstellen.

Kommunikation.

Ob Milch oder pflanzliche Alternativen – Gesundheits-Aspekte spielen vielerorts auch in der Kommunikation der Markenartikler eine Rolle. NÖM Marketingleiterin Veronika Breyer: „Unsere Konsument:innen haben sich in den letzten Jahren zu ernährungsbewussten Profis entwickelt, die Inhaltsstoffe, Herkunft und Nutzen des Produkts genau prüfen, und das ist gut so. Hier ist es uns möglich, alle Benefits eines regionalen Milchprodukts aufzuzeigen. Gesundheitliche Argumente werden damit immer wichtiger in der Kommunikation und tragen dazu bei, dass natürliche Nahrungsmittel wieder an Wertschätzung gewinnen.“ Auch bei Danone bestätigt man: „Gesundheitliche Argumente spielen eine zentrale Rolle“, so Unternehmenssprecher Maximilian Reiff. Er verweist außerdem darauf, dass Danone als erstes Unternehmen den Nutri-Score in Österreich implementiert hat, denn: „Wir setzen uns für eine transparente Kennzeichnung der Nährstoffqualität von Lebensmitteln ein.“ Jennifer Schäfer von Unmilk berichtet uns: „In unserer Unternehmens- und Markenkommunikation achten wir darauf, dass der gesundheitliche Fokus der Marke gewahrt wird. Diesen heben wir je nach Produktkategorie unterschiedlich stark hervor.“ Doch es gibt auch andere Sichtweisen und natürlich auch Unternehmen bzw. Marken, für die Gesundheit nicht das zentrale Argument ist, wie etwa Christof Abbrederis, Bereichsleiter Alma bei Rupp, ausführt: „Käse gehört in Europa quasi zu den Grundnahrungsmitteln und jede:r weiß, dass er ein wichtiger Lieferant zahlreicher Mineralstoffe ist.“ 

Relevant.

Unbestritten ist, dass der ernährungsphysiologische Hintergrund von Produkten für den Großteil der Verbraucher:innen von heute deutlich relevanter ist als noch vor einigen Jahren. „Konsument:innen richten ihre Kaufentscheidung immer stärker nach dem gesunden Image von Lebensmitteln aus“, meint Woerle-GF Gerrit Woerle und ergänzt: „Dabei spielen auch Aspekte wie Herkunft, Inhaltsstoffe, Bio, Tierwohl etc. eine wichtige Rolle.“ Ähnlich sieht das Maximilian Reiff von Danone: „Das Thema Gesundheit wird immer relevanter, wenn es um den Einkauf von Lebensmitteln und konkrete Kaufentscheidungen geht.“ Ob Milch oder pflanzliche Alternativen – gesundheitliche Argumente sorgen derzeit jedenfalls auch für gesundes Wachstum.