Alleskocher

Didier El Senosy, Fachvorstand Tourismusschulen Modul (links) und Werner Schnabl; Direktor Tourismusschulen Modul

Die Wiener Tourismusschulen Modul bieten das Freifach zur veganen-vegetarischen Fachkraft an. PRODUKT hat mit Direktor Werner Schnabl und Fachvorstand Didier El Senosy darüber gesprochen, ob eine rein vegane Kochausbildung Sinn machen würde.

 

PRODUKT: Welche Praxistauglichkeit hätte eine rein vegane Kochausbildung?

Schnabl: Prinzipiell spricht aus meiner Sicht nichts gegen eine verstärkte Ausbildung im Bereich vegane, vegetarische Kochkunst. Allerdings habe ich ein Problem damit, diese Form als Einzelausbildung zu etablieren. Denn da fehlt dem Auszubildenden jegliche Berechtigung, auch in anderen gastronomischen Betriebstypen zu arbeiten. Abgesehen davon habe ich generelle Zweifel, dass es genug Großbetriebe gibt, die sich zusätzlich zur normalen Küchenbrigade einen eigenen veganen/vegetarischen Alleinkoch leisten können und wollen. Man braucht sich nur Wien als österreichische Großstadt mit rund zwei Mio. Einwohner:innen anschauen, wo es ca. 120 rein vegane/vegetarische Restaurants gibt – ungeachtet deren Betriebsgröße sind das nicht sehr viele. In den Bundesländern ist diese Zahl noch geringer.

PRODUKT: Könnte man sich damit Job-Möglichkeiten verbauen?

Schnabl: Ich denke schon. Man braucht ja nur den Bereich der Patisserie anschauen. Diese Ausbildung ist eine Spezialisierung innerhalb des Kochberufs, mit dieser Spezialausbildung bildet man sich in der Küche weiter. Dem gegenüber steht der Konditor, die Konditorin als ein eigener Lehrberuf. Und wie viele Betriebe beschäftigen tatsächlich einen Konditor in ihrer Küchenbrigade? In der Praxis schaut es meist so aus, dass ein klassisch ausgebildeter Koch, zusätzlich zu seinen angestammten Arbeiten in der Küche, den Süßspeisenplatz mitbetreut. Das ist deshalb möglich, weil die Grundausbildung in der Küche auch die Zubereitung von Süßspeisen miteinschließt. Generell decken die Basics in der Kochausbildung die verschiedensten Anforderungen ab, die an ein Küchen-Team gestellt werden – und das schließt auch den Umgang mit pflanzlichen Lebensmitteln mit ein.

El Senosy: Ich bin auch der Meinung, dass es aktuell sowie in absehbarer Zukunft keine eigene Ausbildung im Bereich veganer/vegetarischer Kulinarik bedarf. Sehr wohl sehe ich es aber auch als notwendig an, alternative Ernährungskonzepte in die Ausbildung zu integrieren. Das tun wir auch hier bei uns im Modul, indem wir u.a. das Freifach zur vegan-vegetarischen Fachkraft anbieten. Der damit beauftragte Fachlehrer hat im Rahmen der Vegucation-Standards seine Zusatzausbildung absolviert und ist auch gemäß den dort verlangten Kriterien zertifiziert. Ich habe dieses Freifach bei uns im Haus ins Leben gerufen, weil wir unseren Schüler:innen jenes Know-how vermitteln wollen, um nach dem Schulabschluss bestmöglich auf die berufliche Praxis vorbereitet zu sein. Letztendlich trägt das in weiterer Folge auch zu einer vielfältigeren Angebotsgestaltung in der Gastronomie im Bereich der fleischlosen Kulinarik bei, die über die klassische Gemüseplatte oder eine Beilagenvariation hinaus geht.

PRODUKT: Also ändern sich die Anforderungen an den Kochberuf?

Schnabl: Das ist eine normale Entwicklung, da braucht man nur einen Blick auf die letzten 50 Jahre werfen, welche Veränderungen da im Außer-Haus-Bereich generell stattgefunden haben; manche noch vor 30 Jahren in der Kulinarik fest verankerten Gerichte sind gänzlich von den Speisekarten verschwunden. Somit sehe ich es für uns als Ausbildungsstätte als zentrale Aufgabe an, flexibel zu denken und gegenüber neuen Dingen offen zu sein.

El Senosy: In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass wir im Rahmen unserer Ausbildung, egal ob es um tierische oder pflanzliche Produkte geht, ganz klar das lebensmittelverarbeitende Handwerk in den Mittelpunkt rücken. Da haben Fertigprodukte, die im Haushalt zum Einsatz kommen, nichts zu suchen. Denn dafür braucht es keine eigene Ausbildung. Mich persönlich stört es, dass man mit veganen Surrogaten den Geschmack von Fisch oder Fleisch imitieren will. Meine Botschaft an unsere Schüler:innen/Absolvent:innen geht da eher in die Richtung, sich beim pflanzlichen Angebot zu emanzipieren, sich etwas zu trauen, seine eigene kulinarische Identität zu finden. Denn dann braucht es auch keine Fertigprodukte mehr, und das bereits angesprochene handwerkliche Know-how muss zum Einsatz kommen.

Schnabl: Und hier schließt sich dann für uns auch wieder der Kreis zu einer allgemeinen Kochausbildung, die ganz klar auf den Basics des Kochens aufbaut und den Umgang mit sowie die Verarbeitung von pflanzlichen wie tierischen Zutaten miteinschließt. Denn egal, um welches Lebensmittel es sich handelt, ich komme um die Grundzubereitungsarten sowie die Warenkunde nicht herum. Und genau diese Punkte sind die Eckpfeiler unserer Ausbildungsinhalte in der Küche. Denn wenn ich mich auf die Basics stützen kann, diese um eine Spezialausbildung sprich eine Zusatzqualifikation erweitere, dann kann ich mich kulinarisch austoben und auf das nächst höhere Niveau begeben. Davon profitiert nicht nur der Berufszweig, sondern die gesamte Branche.