Besser ohne Kuh?

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Wenn jemand mehr Pflanzliches in seinen Speiseplan einbauen möchte, dann ist der Griff zu veganen Milchalternativen naheliegend. Wir haben uns angesehen, wie die Kategorie derzeit dasteht und wie es mit ihr weitergehen könnte.

Unbestritten hat sich im Bereich der Alternativen in den vergangenen Jahren richtig viel getan. Es ist unübersehbar, dass veganen Drinks, Käse und Ersatzprodukten für Joghurt, Rahm etc. im Handel mehr Platz eingeräumt wird als früher. Und dies geschieht natürlich nicht ohne Grund: Insbesondere in den Corona-Jahren 2020/21 haben die Alternativen mit +34,4% bzw. +23,6% aus der Nische heraus mengenmäßig massiv zugelegt (RollAMA) und halten seitdem grob gesprochen das erreichte Niveau. Von den Absätzen klassischer Milchprodukte ist dies freilich weiterhin nur ein Bruchteil – aber mit der Tendenz nach oben. 2023 beliefen sich die Verkaufsmengen auf 24.994 Tonnen und standen nach einem Wert-Plus von 11,2% zuletzt für einen Umsatz in Höhe von rund 66,8 Mio. €. Tatsache ist, dass diese Zuwächse nicht auf einen plötzlich stark gestiegenen Anteil an komplett vegan lebenden Menschen zurückzuführen sind, sondern auf die wachsende Anzahl jener Personen, die bewusst öfter mal Pflanzliches in ihren Einkaufswagen legen. Die vielbeschworenen Flexitarier also. „Wir verstehen, dass die Nachfrage nach rein pflanzlichen Produkten nicht nur von Vollzeit-Veganer:innen getragen wird, sondern von einer vielfältigen Käuferschicht, die Wert auf ihre Gesundheit und Umwelt legt“, so Wolfgang Goldenitsch, President of International bei Mona Naturprodukte GmbH („Joya“). „Der Anteil an Flexitarier:innen ist in den letzten Jahren um 70% gestiegen, ebenso wie der Anteil an Veganer:innen und Vegetarier:innen in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum zeigt“, fügt er noch hinzu. Auch bei Rupp – seit letztem Jahr mit pflanzlichen Käse-Alternativen unter dem Namen „Veinschmecker“ in diesem Segment vertreten – sieht man das größte Potential in jenen Konsument:innen, die für beide Bereiche offen sind. Vorstandsmitglied Daniel Marte: „Neben den Vollzeit-Veganer:innen sind vor allem die Flexitarier:innen eine wichtige Zielgruppe für uns.“

Ganz oder gar nicht?

Dass prinzipiell ein erhöhter Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln sowohl aus ernährungsphysiologischer Sicht als auch in puncto Nachhaltigkeit Sinn macht, darüber braucht man heutzutage eigentlich nicht mehr diskutieren. Durchaus kontrovers stellt sich aber die Frage dar, inwieweit denn nun Kuhmilch durch pflanzliche Produkte ersetzt werden sollte. Soviel sei vorausgeschickt: Eine letztgültige Beurteilung dieser Frage obliegt uns als Handelsfachmagazin nicht, wohl jedoch unterschiedliche Ansätze und Argumente zu dieser Frage zu sammeln und gegenüberzustellen. Jene Hersteller, die sich auf den pflanzlichen Bereich fokussiert haben, argumentieren freilich auch sehr stark in diese Richtung. „Pflanzliche Milch weist im Vergleich zu Kuhmilch erhebliche Vorteile hinsichtlich des Flächenverbrauchs, der Treibhausgasemissionen, des Wasserverbrauchs und der Stickstoffbelastung auf. Studien zeigen, dass Milchprodukte etwa 25 bis 30% der ernährungsbezogenen CO2-Emissionen eines durchschnittlichen Europäers ausmachen. Darüber hinaus trägt die Produktion von Kuhmilch maßgeblich zum Verlust der Biodiversität bei“, meint etwa Wolfgang Goldenitsch, Mona Naturprodukte. Einen ähnlichen Ton schlägt man bei Oatly an. Svenja Fritz, GF Oatly DACH & Polen: „Wir denken, dass es besser für die Menschen und unseren Planeten ist, Pflanzen direkt für den menschlichen Verzehr anzubauen, anstatt sie erst durch den Körper einer Kuh zu schicken. Einer aktuellen Studie zufolge hat die in Deutschland verkaufte ‚Oatly Barista Edition‘ eine um 65% geringere Klimabelastung als vergleichbare Kuhmilch.“ Upfield propagiert für die pflanzliche Butter-Alternative „Flora“ derzeit ebenfalls „Skip the cow“. Bei der Berglandmilch, wo man neben dem Standard-Milchprodukte-Sortiment auch einige pflanzliche Artikel anbietet, betont man hingegen: „Die Milchwirtschaft ist eine der nachhaltigsten und effizientesten Formen der Lebensmittelherstellung. Bei Betrachtung der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Erde ist festzustellen, dass mehr als die Hälfte davon aus Grünland besteht. Nur mithilfe von Wiederkäuern, insbesondere der Milchkuh, kann diese Fläche genutzt werden, um Lebensmittel herzustellen. Nur so kann nicht-essbare Biomasse wie Gras verwertet und in für den Menschen nutzbare Lebensmittel umgewandelt werden“, erläutert Berglandmilch-GF Josef Braunshofer und merkt an: „Auf die Nährstoffdichte umgelegt weisen Pflanzendrinks einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck auf. Wer das Klima schonen möchte, trinkt am besten Wasser. Wenn man aber satt werden will und das Klima schützen möchte, ist Milch eines der besten Mittel der Wahl.“

Vergleichbar?

In allgemeine Zahlen gießen lässt sich der Vergleich der Ökobilanzen von Milchprodukten und deren Alternativen allerdings nicht so einfach. Schließlich ist der ökologische Fußabdruck von Hochleistungskühen aus Großställen mit einem hohen Kraftfutteranteil (wie international oft üblich) anders zu beurteilen als etwa der einer österreichischen Bio-Heumilchkuh, die in Weidehaltung lebt. Und auch bei den pflanzlichen Produkten lassen sich Äpfel nicht mit Birnen, resp. beispielsweise österreichischer Hafer nicht mit Reis aus internationalem Anbau gleichsetzen. Je nach Marke und Produkt setzen die Hersteller natürlich auf unterschiedliche Zutaten und Herkünfte. „Eines unserer Grundprinzipien ist es, so viel wie möglich aus der Region zu beziehen“, schildert etwa Wolfgang Goldenitsch, Mona Naturprodukte. Sojabohnen für die Marke „Joya“ werden immer aus Österreich bezogen, der Hafer stammt, so Goldenitsch, „zu großen Teilen aus Österreich oder unseren Nachbarländern.“ Und wie sieht es bei Oatly aus? „Die ‚Oatly‘-Produkte für den europäischen Markt basieren auf Hafer, der hauptsächlich in Schweden, den Niederlanden, Finnland oder dem Vereinigten Königreich angebaut wird“, berichtet Svenja Fritz. „Die Basis unserer veganen Produkte ist heimischer Hafer, der von unseren Milchbäuer:innen aus dem Waldviertel stammt“, informiert wiederum Berglandmilch-GF Josef Braunshofer.

Preis/Wert.

Preislich liegen die Pflanzlichen übrigens im Normalfall über den Produkten tierischer Herkunft – eine Situation, mit der nicht alle Beteiligten zufrieden sind. „Pflanzliche Milchprodukte unterliegen in Österreich einer Mehrwertsteuer von 20%, während für Kuhmilch lediglich ein Satz von 10% gilt. Diese steuerliche Diskrepanz verstärkt den Preisunterschied zwischen den beiden Produktkategorien, da höhere Steuersätze die Endkosten für pflanzliche Alternativen erhöhen“, so Goldenitsch, Mona, um dann aber hinzuzufügen: „Insgesamt ist der Preisunterschied gerechtfertigt, da er die höheren Produktions- und Betriebskosten von Milchalternativen widerspiegelt.“ Svenja Fritz von Oatly wiederum ist überzeugt: „Der Preisunterschied zwischen Milchprodukten und pflanzenbasierten Alternativen behindert den Wandel hin zu pflanzenbetonteren Ernährungsgewohnheiten, schafft unfaire Wettbewerbsbedingungen und steht in eindeutigem Widerspruch zu den Klimazielen.“

Ausblick.

Die große Frage ist natürlich, wie es mit den Milchalternativen langfristig weitergehen wird. Derzeit mag ihre mediale Präsenz sowie jene im (Kühl-)Regal größer sein als ihre Marktbedeutung.  Unbestritten ist jedoch, dass die Kategorie wächst. „Die Prognosen für den Zeitraum von 2019 bis 2029 deuten darauf hin, dass pflanzliche Alternativen weltweit ein Wachstum von 17,8% verzeichnen werden“, so Wolfgang Goldenitsch, Mona Naturprodukte, bezugnehmend auf eine Statista-Studie. Bei Rupp setzt man in das Segment ebenfalls hohe Erwartungen: „Wir sind davon überzeugt, dass der Markt für Käsealternativen in den nächsten Jahren weiter wachsen wird. Auch deshalb, weil das Potential für Innovationen groß ist“, meint Daniel Marte, Vorstandsmitglied Rupp. Derzeit schätzt Roland Griesebner, GF Oatly, die Lage so ein: „Pflanzendrinks machen nur einen kleinen Teil der gesamten Milchkategorie aus, es gibt also noch enormes Wachstums­potential.“ Verdrängt wird die klassische Milch von den Alternativen aber nicht werden, schließlich haben beide gute Argumente, die für die Konsument:innen relevant sind. Daniel Marte, Rupp: „Es darf kein Weg aufoktroyiert werden, sondern wir als Hersteller müssen den Endverbraucher:innen eine bedürfnisorientierte Produktauswahl zur Verfügung stellen.“