Fairtrauenswürdig

© Fairtrade Deutschland/ Ilkay Karakurt

Im Jahr 2022 ist der Umsatz mit Fairtrade-Produkten im österreichischen Handel erstmals auf über eine halbe Milliarde Euro gestiegen. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von rund € 66,- liegt man damit international unter den Top-3-Ländern. Gegenüber PRODUKT erläutert Geschäftsführer Hartwig Kirner die Eckpfeiler des Erfolges, nimmt Stellung zu den letzten 30 Jahren und gibt einen Ausblick in die Zukunft.

Fairtrade-Österreich-Geschäftsführer Hartwig Kirner kann auf eine starke Performance in 2022 zurückblicken und zum Jubiläum insgesamt auf erfolgreiche 30 Jahre von Fairtrade verweisen: Mittlerweile kommen Fairtrade-Rohstoffe aus 70 verschiedenen Ländern.

PRODUKT: Lieber Herr Kirner, wie haben sich die Umsätze und Rohstoffe von Fairtrade entwickelt? Und wie sieht die Situation der Beschäftigten in den Ursprungsländern aus?
Kirner:
Wir können einmal mehr zufrieden sein. Der Umsatz ist 2022 gegenüber dem Vorjahr um 22% gestiegen. Wachstumstreiber waren vor allem Kakao mit einem Plus von 22% und Kaffee mit plus 10%. Insgesamt haben die Produzenten­organisationen Direkteinnahmen von mehr als 70 Mio. US-Dollar erlöst. Dennoch ist die Situation in den Ursprungsländern eine schwierige. Auch dort macht die Teuerung den Menschen in vielen Bereichen zu schaffen. So sind die Preise im Bananensektor bspw. massiv gestiegen. Düngemittel kosten um bis zu 70% mehr, Treibstoff um fast 40%, und auch das Verpackungsmaterial ist eklatant teurer geworden. Bei einem Preiskampfprodukt wie der Banane, wo um jeden Cent gekämpft wird, ist das besonders schwierig.

PRODUKT: Welche Veränderungen haben die Kleinbauernfamilien durch das bevorstehende EU-Lieferkettengesetz zu erwarten?
Kirner:
Das kommende EU-Lieferkettengesetz ist aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Der Schutz von Menschenrechten und Umweltschutz bekommt dadurch einen wesentlich höheren Stellenwert. Sozialdumping und Vermeidung strenger europäischer Umweltschutzregeln werden so weniger attraktiv. Kleinbäuerliche Strukturen, die fast immer nachhaltiger produzieren, als es auf großen Plantagen der Fall ist, sollten dadurch einen Vorteil haben. Was aber nicht passieren darf, ist, dass die Kosten der Einhaltung des Lieferkettengesetzes auf die schwächsten Glieder abgewälzt werden. Es braucht eine faire Kostenteilung, die den administrativen Aufwand für Kleinbauernfamilien auch angemessen abdeckt.

PRODUKT: Wie ist die Haltung von Fairtrade dazu?
Kirner:
Wir können hier eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen und sind auch schon dabei, uns vorzubereiten. Fairtrade-Rohstoffe kommen aus 70 verschiedenen Ländern, in denen wir bestens vernetzt sind und Erfahrung aus mehreren Jahrzehnten mitbringen. Wir kennen die Chancen, Risiken und Herausforderungen und können Unternehmen und auch die Politik beraten. Nur mit einem ehrlichen Dialog zwischen Nord und Süd kann es gelingen, tragfähige Lösungen für die Zukunft zu finden. Wir müssen als globale Gemeinschaft in die Zukunft der Landwirtschaft investieren, wenn wir auch in den nächsten Jahrzehnten in Zeiten des Klimawandels noch genug Bananen, Kaffee, Kakao etc. anbauen wollen. Es gilt, heute Perspektiven zu schaffen, um nicht morgen das böse Erwachen zu haben.

PRODUKT: Geben Sie uns bitte einen kurzen Rückblick auf 30 Jahre Fairtrade.
Kirner:
1993 gab es nur einzelne Fairtrade-Kaffees in heimischen Regalen zu kaufen. Heute reden wir von rund 10% Marktanteil oder rund 1,5 Mio. Tassen Fairtrade-Kaffee, die in Österreich jeden Tag getrunken werden. Das zeigt das Potenzial, das bereits ausgeschöpft wird und was noch möglich ist, gleichermaßen auf.

PRODUKT: Wie sieht die Zukunft aus?
Kirner:
Gerade bei Bananen, Kaffee und Kakao sehen wir noch Chancen für Mehrabsatz für Fairtrade-Kooperativen in den kommenden Jahren. Das ist unser großes Ziel. Was uns dabei optimistisch stimmt: In der aktuellen Teuerungskrise offenbart sich auch eine gewisse Preiswahrheit. Denn die Kosten für Fairtrade- und auch Bio-Produkte sind laut Nielsen im letzten Jahr deutlich weniger stark gestiegen als jene für konventionelle Waren. Fai­trade schwimmt also aktuell gegen den Teuerungsstrom.

PRODUKT: Vielen Dank für das Gespräch.